BGH Beschluss v. - 6 StR 119/21

Bestechung: Anbieten oder Gewähren von Vorteilen für künftige Diensthandlungen an einen sich für ein anderes Amt bei demselben Dienstherrn bewerbenden Amtsträger

Leitsatz

Das Anbieten oder Gewähren von Vorteilen für künftige Diensthandlungen an einen Amtsträger, der sich für ein anderes Amt bei demselben Dienstherrn bewirbt, kann dem Anwendungsbereich der Bestechungsdelikte unterfallen, wenn dem Vorteilsnehmer im Zeitpunkt der Tathandlung bereits allgemein aufgrund seiner Stellung ein weitreichender Aufgabenkreis zugewiesen ist.

Gesetze: § 334 StGB

Instanzenzug: LG Regensburg Az: 5 KLs 152 Js 168/17

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen wegen Bestechung zu einer Geldstrafe von 70 Tagessätzen verurteilt. Seine gegen die Verurteilung gerichtete, auf die Sachrüge gestützte Revision ist unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

I.

2Nach den Feststellungen hatte die        Sc.           GmbH (im Folgenden: „Sc.   GmbH“), deren Geschäftsführer und Mitgesellschafter der Angeklagte war, 2011 ein Grundstück in R.       („N.       R.      “) an ein Tochterunternehmen der S.      & P.     G.    (S&P) verkauft. Bedingung für die Kaufpreiszahlung des in zwei Bauabschnitte aufgeteilten Grundstücks war jeweils die Erteilung einer bestandskräftigen Baugenehmigung für die durch die S&P beabsichtigte Errichtung von Einzelhandelsflächen (3.000 qm im ersten und 1.500 qm im zweiten Bauabschnitt). In einem durch die Stadt R.       für dieses Gebiet am erlassenen Bebauungsplan waren für den ersten Bauabschnitt maximal 3.000 qm Einzelhandelsfläche vorgesehen, für den zweiten Bauabschnitt wurden derartige Flächen ausgeschlossen. Der Angeklagte und die S&P hielten dennoch an ihrem Vorhaben fest.

3Am wandte sich der Angeklagte im Hinblick auf die erstrebte Änderung des Bebauungsplans in einer E-Mail an den Geschäftsführer eines Tochterunternehmens der S&P, den anderweitig Verfolgten Ri.  , und erkundigte sich nach dem Sachstand. Anlass hierfür war die bevorstehende bayerische Kommunalwahl 2014, weshalb er „das fertig geänderte Konzept den Herrschaften OB-Kandidaten nochmal mit ins Gepäck geben“ wollte. Abschließend forderte der Angeklagte Ri.  auf, mit dem anderweitig Verfolgten    H.   , einem Mitglied der Gesamtgeschäftsführung der S&P, abzuklären, „ob für beide Kandidaten eine kleine Spende für ihren Wahlkampf gemacht werden könnte“. Jedenfalls stillschweigend kamen der Angeklagte und Ri.  im Anschluss überein, durch eine Spende auf den auf Seiten der SPD für das Amt des Oberbürgermeisters kandidierenden Mitangeklagten W.     einzuwirken, um ihn zu einer für sie günstigen Einflussnahme auf die beabsichtigte Änderung des Bebauungsplans zu veranlassen.

4Vor der Stichwahl wandte sich der Angeklagte am in einer zweiten E-Mail folgenden Inhalts erneut an Ri. : „Wie heute Morgen besprochen hier die Kontonummer für ihre Spende von 5.000,00 Euro an die SPD R.           . Ich habe mit Herrn W.      gesprochen und er bedankt sich herzlich im Voraus.“ Ri.  leitete diese E-Mail mit dem Zusatz „Würden sie das bitte veranlassen. Ich habe die Spende zugesagt, damit der 2. BA und die Bücherei kommen“ an    H.    weiter, wobei nach Ansicht des Landgerichts „BA“ Bauabschnitt bedeutete. Am Folgetag wurden von der Tochtergesellschaft der S&P 5.000 Euro an den SPD-Ortsverein R.                  überwiesen, über den W.      seinen Wahlkampf organisierte.

5W.     war von 2008 bis 2014 dritter Bürgermeister der Stadt R.       und als solcher Sozialreferent. Außerdem war er einer der Vertreter des Oberbürgermeisters und in dieser Funktion „circa fünfmal im Jahr“ tätig. Den vertretungsweisen Vorsitz im städtischen Planungsausschuss, der für die Erteilung von Baugenehmigungen und die Bauleitplanung zuständig war, nahm er in diesem Zeitraum dreimal wahr. Nachdem W.     bei der Kommunalwahl am 18 Stimmen zur absoluten Mehrheit gefehlt hatten, setzte er sich bei der Stichwahl am „deutlich“ gegen seinen Mitbewerber durch. Sein Amt als Oberbürgermeister der Stadt R.         trat er am an.

6Dem Angeklagten kam es mit seiner Spendenaufforderung darauf an, W.     bei dessen Ermessensausübung betreffend die Änderung des Bebauungsplans zu beeinflussen. Er wusste, dass W.     dritter Bürgermeister war, und ging sicher davon aus, dass dieser die Stichwahl gewinnen würde. W.     wusste nicht, dass es sich um eine Einflussspende handelte.

II.

7Das Urteil hält sachlich-rechtlicher Überprüfung stand. Die auf einer sorgfältigen Beweiswürdigung beruhenden Feststellungen tragen den Schuldspruch. Der näheren Erläuterung bedarf lediglich die Frage, inwieweit ein Amtsträger für eine künftige Diensthandlung, für die der Vorteil gewährt werden soll, zuständig sein muss.

81. Allerdings finden die Korruptionstatbestände nicht schon deswegen Anwendung, weil W.     nach der Vorstellung des Angeklagten die Stichwahl mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit gewinnen würde und die Änderung des Bebauungsplans vor Amtsantritt des neuen Oberbürgermeisters am bei lebensnaher Betrachtung nicht zu erwarten war (vgl. dazu , BGHSt 49, 275, 291).

92. Die durch den Angeklagten veranlasste Spendenzahlung der S&P hat das Landgericht aber im Ergebnis zutreffend als Gegenleistung für eine pflichtwidrige Diensthandlung W.      ´ gewertet.

10a) Während sich Vorteilsannahme und -gewährung auf die Dienstausübung, d.h. Handlungen, durch die der Amtsträger im öffentlichen Dienst die ihm übertragenen Aufgaben wahrnimmt, mithin die Diensthandlungen im Allgemeinen, beziehen (vgl. , NStZ 1999, 561; vom – 2 StR 317/19; LK-StGB/Sowada, 12. Aufl., § 331 Rn. 52; MüKo-StGB/Korte, 3. Aufl., § 331 Rn. 106), ist Gegenstand der Bestechung und Bestechlichkeit ein konkretes Verhalten im Rahmen der Dienstausübung (vgl. ). Dienstausübung und Diensthandlung unterscheiden sich demnach lediglich durch den Grad ihrer Konkretisierung.

11Eine Diensthandlung liegt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs jedenfalls vor, wenn das Handeln zu den dienstlichen Obliegenheiten des Amtsträgers gehört und von ihm in dieser Eigenschaft wahrgenommen wird (vgl. , BGHSt 31, 264, 280; vom – 5 StR 566/17, BGHSt 63, 107, 110; Beschluss vom – 6 StR 52/20, BGHSt 64, 301, 303). Nicht erfasst sind demgegenüber Privathandlungen (vgl. ; BGHSt 29, 300, 302; vom – 3 StR 131/01, BGHR StGB § 332 Abs. 1 Satz 1 Diensthandlung 3; LK-StGB/Sowada, aaO, § 332 Rn. 6), gleichfalls nicht die Annahme von Vorteilen, die nur „im Zusammenhang mit dem Amt“, also nicht in einem Beziehungsverhältnis zur Dienstausübung stehen (vgl. , BGHSt 53, 6, 15; vom – 2 StR 317/19).

12Ob und unter welchen Voraussetzungen die Bestechungsdelikte auch die künftige Dienstausübung im Hinblick auf ein zum Zeitpunkt der Tathandlung noch nicht ausgeübtes Amt erfassen, hat der Bundesgerichtshof bislang ausdrücklich offengelassen (vgl. , aaO, S. 284). Er hat es allerdings als tatbestandsmäßig im Sinne von § 331 StGB erachtet, wenn ein Amtsträger für den Fall seiner Wiederwahl Wahlkampfspenden annimmt (vgl. , aaO; vom – 3 StR 212/07, NJW 2007, 3446, 3447 f.). Denn die Lauterkeit des öffentlichen Dienstes und das Vertrauen der Allgemeinheit in diese würden durch das Sichversprechenlassen von Vorteilen für eine künftige Dienstausübung unabhängig davon beeinträchtigt, ob die Amtsträgerstellung und damit die Möglichkeit der Dienstausübung erst durch eine erfolgreiche Wiederwahl zu erreichen seien (vgl. ).

13b) Über Konstellationen der Kontinuität des ausgeübten Amtes hinaus kann nach Auffassung des Senats auch das Anbieten oder Gewähren von Spenden an einen Amtsträger, der sich für ein anderes Amt bei demselben Dienstherrn bewirbt, dem Anwendungsbereich der Bestechungsdelikte unterfallen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn dem Vorteilsnehmer im Zeitpunkt der Tathandlung bereits allgemein auf Grund seiner Stellung ein weitreichender Aufgabenkreis zugewiesen ist.

14aa) Ein Amtsträger, der sich zur Wiederwahl stellt und hierfür in einem Gegenseitigkeitsverhältnis mit seinen – nach seiner Wahl vorzunehmenden – Diensthandlungen stehende Vorteile annimmt, verstößt bereits mit deren Annahme gegen die ihm aufgrund seiner Stellung obliegenden Sonderpflichten zum Schutze der Lauterkeit des öffentlichen Dienstes. Er gefährdet das Vertrauen der Allgemeinheit in diese Lauterkeit, weil er mit seinem Verhalten den Anschein der Käuflichkeit öffentlicher Entscheidungen erweckt. Diesem Anschein sollen die Bestechungsdelikte entgegenwirken (vgl. , aaO, S. 283 f.; vom – 3 StR 212/07, aaO, S. 3448; MüKo-StGB/Korte, aaO, § 331 Rn. 8).

15bb) Diese Grundsätze können auch dann Geltung beanspruchen, wenn sich ein Amtsträger um ein anderes Amt bei demselben Dienstherrn bewirbt. Auch er kann sich durch die Annahme der Vorteile gewillt zeigen, sich im Falle seiner Wahl durch den Vorteil beeinflussen zu lassen. Bereits zum Zeitpunkt der Tathandlung unterliegt er als Amtsträger besonderen Pflichten. Diese unterscheiden sich von denen des Amtsinhabers lediglich durch den konkret übertragenen Aufgabenbereich, sind aber nicht auf diesen beschränkt und bestehen gegenüber demselben Dienstherrn.

16In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist anerkannt, dass der Amtsträger für die zum Gegenstand der Dienstausübung gemachte Diensthandlung nicht nach der internen Geschäftsverteilung konkret zuständig sein muss. Ausreichend ist vielmehr, dass die Tätigkeit zum allgemeinen Aufgabenbereich des Amtsträgers gehört und mit diesem in einem unmittelbaren Zusammenhang steht (vgl. , NStZ 1998, 194; zum Waffenrecht , BGHSt 48, 213, 220 f.; vgl. auch Urteil vom – 2 StR 427/60, BGHSt 16, 37, 38; LK-StGB/Sowada, aaO, § 331 Rn. 56; MüKo-StGB/Korte, aaO, § 331 Rn. 109; NK-StGB/Kuhlen, 5. Aufl., § 331 Rn. 67). Die hiermit beschriebene Grenze zur Privathandlung ist – unbesehen verbleibender Unschärfen im Randbereich (vgl. , BGHSt 53, 6, 17) – erst überschritten, wenn die Tätigkeit in keinerlei funktionalem Zusammenhang mit dienstlichen Aufgaben mehr steht (, NStZ 2015, 451, 453).

17Als Amtsträger im Dienst der Stadt R.       bestand, unabhängig von internen Zuständigkeitsverteilungen, eine allgemeine Zuständigkeit des Mitangeklagten W.     für Aufgaben, die sich mit dem Tätigkeitsbereich der Sc.    GmbH überschneiden konnten. Denn nach Art. 39 Abs. 2 BayGO bestand die Möglichkeit, ihn als dritten Bürgermeister mit Verwaltungsaufgaben zu betrauen, die auch dieses Unternehmen betreffen konnten. Eine konkrete Zuständigkeit bestand sogar, wenn er den Oberbürgermeister im Planungsausschuss der Stadt R.      vertrat (Art. 39 Abs. 1 BayGO).

18Ein Stellenwechsel innerhalb der Stadtverwaltung vom Amt des dritten Bürgermeisters zum Amt des Oberbürgermeisters führt lediglich dazu, dass sich der konkrete Aufgabenbereich gemäß der internen Organisationsverteilung ändert, während der allgemeine Aufgabenbereich in Form der Wahrnehmung von Verwaltungsaufgaben unverändert bleibt. Für einen objektiven Betrachter stellt sich deshalb die Gewährung von Spenden an einen solchen Amtsträger unabhängig von der dienstlichen Aufgabenverteilung als Gefahr für die Lauterkeit der Amtsführung dar. Denn der Anschein der Käuflichkeit amtlicher Entscheidungen entsteht auch dann, wenn Spender oder Amtsträger davon ausgehen, dass der Amtsträger im Laufe der künftigen Amtszeit mit im Interesse des Spenders liegenden Vorhaben befasst sein wird und ein unbeteiligter Betrachter den Eindruck gewinnt, dass mit der Spende Einfluss auf anfallende Entscheidungen genommen werden soll (vgl. , aaO, S. 3448).

19Dies gilt umso mehr, als die Anforderungen an die Bestimmtheit der zukünftigen Diensthandlung nicht allzu eng gefasst sein dürfen, weil ansonsten solche Amtsträger privilegiert würden, die sich nicht nur im Hinblick auf eine einzelne konkrete Diensthandlung, sondern für weite Bereiche ihres Wirkens als käuflich erweisen (vgl. , BGHSt 32, 290, 291). Erachten Vorteilsgeber und Vorteilsnehmer die Möglichkeit als gegeben, dass der Amtsträger im Bereich seines Dienstherrn zukünftig mit solchen Aufgaben betraut sein wird, die Grund der Vorteilsgewährung sind, will der Spender nicht nur die allgemeine Ausrichtung der Politik des Wahlbewerbers unterstützen, sondern sich dessen Gewogenheit auch für seine Individualinteressen sichern (vgl. , aaO, S. 3448).

20Mit der Annahme des Vorteils verstößt der Amtsträger deshalb gegen die ihm übertragenen Sonderpflichten und begründet damit – wie der sich um seine Wiederwahl bewerbende Amtsträger – die abstrakte Gefahr, dass die Verwaltung, für die er tätig wird, als käuflich angesehen wird. Hierdurch dokumentiert er die grundsätzliche Bereitschaft, seine Amtsführung am Willen des gewährenden Vorteilsgebers auszurichten und unabhängig von der ihm zugewiesenen Stellung innerhalb seines Dienstherrn seine Amtspflichten für dessen Interessen zu missbrauchen. Dies genügt für eine Strafbarkeit wegen Bestechung.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2021:010621B6STR119.21.0

Fundstelle(n):
NJW 2021 S. 10 Nr. 31
NJW 2021 S. 2522 Nr. 34
NWB-Eilnachricht Nr. 34/2021 S. 2507
wistra 2021 S. 454 Nr. 11
FAAAH-85352