Online-Nachricht - Donnerstag, 22.07.2021

Körperschaftsteuer | Gemeinnützigkeit eines britischen Colleges (BFH)

Ein englisches Universitäts-College kann einer Stiftung nach deutschem Recht entsprechen und wegen Gemeinnützigkeit von der Körperschaftsteuer befreit sein (; veröffentlicht am ).

Sachverhalt: Die Klägerin, ein britisches College, wurde im 16. Jahrhundert mit königlicher Erlaubnis als "immerwährendes Kollegium des Studiums der Wissenschaften, der heiligen Theologie und der Philosophie wie der guten Künste" errichtet. Als Eigentümerin eines Wohn- und Geschäftsgrundstücks erzielte sie Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Deutschland, die das Finanzamt (FA) der Körperschaftsteuer unterwarf. Der dagegen erhobenen Klage gab das Finanzgericht (FG) im ersten Rechtsgang und nach Aufhebung des Urteils und Zurückverweisung der Sache durch den BFH auch im zweiten Rechtsgang statt ( als Nachfolgeentscheidung zu , s. hierzu unsere Online-Nachricht v. 1.3.2017).

Die erneute Revision des FA wiesen die Richter des BFH zurück:

  • Ein englisches Universitäts-College kann in rechtlicher und wirtschaftlicher Hinsicht einer Stiftung nach deutschem Recht i.S. von § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG entsprechen.

  • Vorliegend ist das College seiner Organisation und Struktur nach in rechtlicher und wirtschaftlicher Hinsicht einer deutschen Stiftung vergleichbar. Es dient sowohl nach seiner Satzung als auch nach der tatsächlichen Geschäftsführung gemeinnützigen Zwecken (Förderung der Wissenschaft, der Forschung und der Religion).

  • Soweit die Satzung der Klägerin entgegen § 55 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. § 61 Abs. 1 AO keinerlei Regelungen darüber enthält, was mit dem College-Vermögen im Fall einer Auflösung der Körperschaft geschehen soll, ist das FG ohne Rechtsfehler zu dem Ergebnis gelangt, dass dies gemeinnützigkeitsrechtlich unschädlich ist.

  • Denn die Klägerin kann sich insoweit auf § 62 AO a.F. berufen. Danach war für Stiftungen, die vor dem errichtet worden sind, eine Ausnahme vom Erfordernis der satzungsmäßigen Vermögensbindung vorgesehen, wenn diese einer "staatlichen Aufsicht" unterliegen.

  • Das FG konnte ohne Rechtsfehler vom Vorliegen dieser Ausnahmebestimmung ausgehen, weil die von ihm festgestellten Maßnahmen und Befugnisse der Charity Commission in ihren wesentlichen Belangen mit der deutschen Stiftungsaufsicht (hier: StiftG Bln) vergleichbar sind.

  • Ohne Erfolg rügte das FA, die Satzung aus dem 16. Jahrhundert enthalte keine nach dem deutschen Gemeinnützigkeitsrecht erforderlichen Bestimmungen, dass das College ausschließlich gemeinnützigen Zwecken dienen und keine sonstigen (eigennützigen) Ziele verfolgen dürfe; Das FG hatte die Satzung nachvollziehbar dahingehend gedeutet, dass die Aufzählung der vom College verfolgten gemeinnützigen Zwecke bei verständiger historischer Auslegung das Gebot der Ausschließlichkeit in sich selbst trage. Da sich die rechtliche Würdigung des FG auf ausländisches (englisches) Recht bezog, war der BFH daran gehindert, eine eigene Würdigung der Satzung vorzunehmen und insoweit eine andere Entscheidung zu treffen

Anmerkung von Dr. Hans-Hermann Heidner, Richter im V. Senat des BFH:

Bei der Besprechungsentscheidung handelt es sich um einen Beschluss nach § 126a FGO, mit dem die Revision des FA einstimmig als unbegründet zurückgewiesen worden ist. Die Entscheidung ist im 2. Rechtsgang ergangen, nachdem der zunächst noch zuständige I. Senat des BFH die Sache an das FG zurückverwiesen hatte.

Der Sachverhalt erinnert an die augenzwinkernde Definition des Unterschieds zwischen den USA und England, wonach dieser darin besteht, dass in den USA alles, was älter als 50 Jahre ist, als Antiquität gilt, während in England alles unterhalb eines Alters von 500 Jahren neumodischer Kram ist.

Zum Fall: es geht um die Frage, ob ein im Jahre 1555 in England gegründetes College im deutschen Recht als gemeinnützig anzuerkennen ist. Dass die Satzung des Colleges, also der Mitte des 16. Jahrhunderts vom König und der Königin von England erlaubte Errichtungsakt (das sog. „Royal Patent“) nicht die Vorgaben der deutschen Abgabenordnung zur formellen Satzungsmäßigkeit (§ 60 AO) im Focus hatte und folglich auch keine konkreten Angaben zur Ausschließlichkeit (§ 56 AO) enthielt, hat den BFH im Gegensatz zum FA nicht davon überzeugt, dass dies der Gemeinnützigkeit zwingend entgegensteht.

Der BFH ist zunächst davon ausgegangen, dass das FG in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise zu dem Ergebnis gelangt ist, dass die Klägerin nach ihrer rechtlichen Struktur einer Stiftung i.S. von § 80 Abs. 1 BGB entspricht. Zudem ergibt sich aus der Satzung, der historischen Gründungsurkunde ("Royal Patent") durch die Beschreibung der Zwecke des zu errichtenden Kollegiums mit dem "Studium der Wissenschaften, der heiligen Theologie und der Philosophie wie der guten Künste" eine Förderung von Wissenschaft und Forschung (§ 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO) sowie der Religion (§ 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO). Auch die übrigen Voraussetzungen der Gemeinnützigkeit sah der BFH als erfüllt an.

Interessant ist die Begründung des BFH, mit dem er der Rüge des FA, dass die vom FG vorgenommene historische Auslegung der Satzung zu weit gehe, begegnet. Der V. Senat zieht sich an dieser Stelle zurück und überlässt die Auslegung dem FG, weil sich die rechtliche Würdigung des FG insoweit auf ausländisches Recht bezieht. Diese ist einer revisionsrichterlichen Überprüfung weitgehend entzogen. Denn nach § 118 Abs. 1 FGO kann die Revision nur darauf gestützt werden, dass das angefochtene Urteil auf einer Verletzung von Bundesrecht beruht, nicht aber auf der Verletzung ausländischen Rechts.

Soweit die Satzung der Klägerin entgegen § 55 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. § 61 Abs. 1 AO keine Regelungen darüber enthielt, was mit dem College-Vermögen im Fall einer Auflösung der Körperschaft geschehen sollte, war dies gemeinnützigkeitsrechtlich unschädlich, weil sich die Klägerin insoweit auf § 62 AO a.F. berufen konnte. Danach war für Stiftungen, die vor dem errichtet worden sind, eine Ausnahme vom Erfordernis der satzungsmäßigen Vermögensbindung vorgesehen, wenn diese einer "staatlichen Aufsicht" unterliegen. Diese Voraussetzung erfüllte die Klägerin in zeitlicher Hinsicht spielend.

Quelle: BFH, Pressemitteilung v. zum Beschluss v. -V R 35/18; NWB Datenbank (il)

Fundstelle(n):
NWB OAAAH-85281