Online-Nachricht - Donnerstag, 11.02.2021

Bewertung | Immobilienwertnachweis durch Gutachten (BFH)

Die Immobilienwertermittlungsverordnung (ImmoWertV) gestattet die Ermittlung des Bedarfswerts eines Erbbaugrundstücks nach der finanzmathematischen Methode (; veröffentlicht am ).

Hintergrund: § 194 BewG enthält zwei im Stufenverhältnis stehende Methoden. Nach § 194 Abs. 1 BewG ist der Wert des Erbbaugrundstücks in erster Linie im Vergleichswertverfahren nach § 183 BewG zu ermitteln. Liegen weder Vergleichskaufpreise noch Vergleichsfaktoren vor, setzt sich der Wert nach der von der Finanzverwaltung so bezeichneten finanzmathematischen Methode des § 194 Abs. 2 BewG aus dem Bodenwertanteil nach § 194 Abs. 3 BewG und ggf. einem Gebäudewertanteil nach § 194 Abs. 4 BewG zusammen.

Sachverhalt: Die Klägerin erbte Erbbaugrundstücke, die mit Reihenhäusern und in einem Fall mit einem Werkstattgebäude bebaut sind. Das FA stellte die jeweiligen Grundstückswerte auf den Besteuerungszeitpunkt gesondert fest. Es nahm u.a. einen Liegenschaftszinssatz von 3 % für die Reihenhäuser und 6,5 % für das Geschäftsgrundstück sowie einen geschätzten Erbbauzins von 2,20 €/m² an.

Im Einspruchsverfahren legte die Klägerin ein Gutachten eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für die Wertermittlung von bebauten und unbebauten Grundstücken vor. Der Sachverständige ging nach finanzmathematischer Methode vor. Er nahm für die Reihenhäuser einen Liegenschaftszinssatz von 4 % an und setzte die tatsächlich vereinbarten Erbbauzinsen an. Die Gebäude berücksichtigte er nicht, da sie zwar nur zu 2/3 zu entschädigen seien, aber eine Restnutzungsdauer unterhalb der Restlaufzeit der Erbbauverträge aufwiesen. Das Geschäftsgrundstück hat er als Teil des Einfamilienhausgrundstücks behandelt.

Das FA wies die Einsprüche mit der Erwägung zurück, die finanzmathematische Methode sei nicht sachgerecht. Das FG hat die Klage abgewiesen ().

Der BFH hat die Revision als begründet angesehen und das FG-Urteil aufgehoben:

  • Weist der Steuerpflichtige nach, dass der gemeine Wert der wirtschaftlichen Einheit am Bewertungsstichtag niedriger ist als der nach den §§ 179, 182 bis 196 BewG ermittelte Wert, so ist nach § 198 Satz 1 BewG dieser Wert anzusetzen.

  • In formeller Hinsicht kann dieser Nachweis u.a. durch Vorlage eines Gutachtens eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen erbracht werden. Ob das Gutachten tatsächlich den Nachweis erbringt, unterliegt der freien Beweiswürdigung. Diese setzt voraus, dass dem Gutachten ohne weitere Aufklärungs- und Ermittlungsmaßnahmen gefolgt werden kann, insbesondere ohne Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens (vgl. , Rz. 21 und , Rz. 13). Zur Ordnungsmäßigkeit des Gutachtens rechnet sowohl dessen methodische Qualität als auch eine zutreffende Erhebung und Dokumentation der Begutachtungsgrundlagen (, Rz 13).

  • Materiell-rechtlich gelten für den Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts nach § 198 Satz 2 BewG grundsätzlich die auf Grund des § 199 Abs. 1 BauGB erlassenen Vorschriften. Wie deren Eingangsformel zeigt, handelt es sich dabei um die ImmoWertV. Die ImmoWertV regelt die Wertermittlung von Erbbaugrundstücken nicht ausdrücklich. Ihrer Systematik nach lässt sie die Wertermittlung über eine finanzmathematische Methode zu.

  • Der BFH ist an die abweichende Würdigung durch das FG nicht gebunden. Das FG ist davon ausgegangen, dass die ImmoWertV die Anwendung einer finanzmathematischen Methode nicht erlaube. Dies entspricht nicht der Rechtslage. Die Wahl dieser Methode ist grundsätzlich zulässig. Insoweit hat das FG seiner Beweiswürdigung nicht zutreffende Rechtsgrundsätze zugrunde gelegt.

  • Die Wahl der finanzmathematischen Methode ist auch im konkreten Einzelfall nicht zu beanstanden. Der BFH nimmt die entsprechende Würdigung selbst vor, da alle dafür erforderlichen tatsächlichen Feststellungen vorliegen. Der Gutachter hat ausgeführt, warum er eine reine Vergleichswertmethode für ungeeignet, eine ertragsorientierte Methode für besser geeignet hält.

  • Für die Frage, ob sich der gutachterliche Nachweis des gemeinen Werts auf eine andere Wertermittlung als das Vergleichswertverfahren stützen darf, ist es unerheblich, ob nach § 194 Abs. 1 BewG das Vergleichswertverfahren hätte Anwendung finden können und müssen. Während § 194 BewG einen gesetzlichen Vorrang des Vergleichswertverfahrens begründet, ist dies bei der Wertermittlung nach § 8 ImmoWertV nicht der Fall.

Anmerkung von Prof. Dr. Matthias Loose, Richter im II. Senat des BFH:

Die Bewertung von Grundstücken für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer ist nicht selten mit erheblichem Streitpotential versehen. Hat der Steuerpflichtige den Wert durch Vorlage eines Gutachtens nachgewiesen, ist grundsätzlich dieser Wert der Wertfeststellung zugrunde zu legen (§ 198 BewG), vorausgesetzt, das Gutachten wurde von einem öffentlich bestellten Gutachter erstellt, ist methodisch plausibel, geht von zutreffenden Tatsachen aus und erfordert keine weiteren Aufklärungs- und Ermittlungsmaßnahmen.

Der BFH hat – wiederholt – deutlich gemacht, dass man sich über ein formell ordnungsgemäßes Gutachten nicht ohne Weiteres hinwegsetzen kann. Durch den Verweis des § 198 Satz 2 BewG auf § 199 Abs. 1 BauGB findet die ImmoWertV bei der Erstellung des Gutachtens Anwendung. Im Streitfall hat der Gutachter die Wertermittlung mittels einer danach zugelassenen finanzmathematischen Methode vorgenommen und sein Vorgehen im Einzelnen nachvollziehbar erläutert. In einem solchen Fall können FA und FG nicht im Wege des Vergleichswertverfahren einen höheren Grundstückswert ermitteln und festsetzen.

Quelle: ; NWB Datenbank (RD)

Fundstelle(n):
NWB TAAAH-70967