Online-Nachricht - Donnerstag, 11.02.2021

Einkommensteuer | Berufshaftpflichtversicherung einer angestellten Rechtsanwältin als Arbeitslohn (BFH)

Übernimmt eine Rechtsanwaltssozietät den Versicherungsbeitrag einer angestellten Rechtsanwältin, die im Außenverhältnis nicht für eine anwaltliche Pflichtverletzung haftet, liegt Arbeitslohn regelmäßig nur in Höhe des übernommenen Prämienanteils vor, der auf die in § 51 Abs. 4 BRAO vorgeschriebene Mindestbemessungsgrundlage entfällt und den die Rechtsanwältin zur Erfüllung ihrer Versicherungspflicht nach § 51 Abs. 1 Satz 1 BRAO benötigt. Die Übernahme der Umlage für die Einrichtung des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs einer angestellten Rechtsanwältin durch den Arbeitgeber führt zu Arbeitslohn (; veröffentlicht am ).

Hintergrund: Zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gehören gem. § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG - neben Gehältern und Löhnen - auch andere Bezüge und Vorteile, die "für" eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden, unabhängig davon, ob ein Rechtsanspruch auf sie besteht und ob es sich um laufende oder um einmalige Bezüge handelt (§ 19 Abs. 1 Satz 2 EStG).

Sachverhalt: Die Klägerin ist eine Rechtsanwaltssozietät in der Rechtsform einer GbR. Streitig ist, ob die Übernahme von Beiträgen zur Berufshaftpflichtversicherung, zur Rechtsanwaltskammer und zum Deutschen Anwaltsverein sowie die Umlage für das besondere elektronische Anwaltspostfach durch die Klägerin für eine bei ihr angestellte Rechtsanwältin Arbeitslohn darstellt.

Das FA war der Ansicht, dass die Übernahme der genannten Beträge durch die Klägerin steuerpflichtigen Arbeitslohn darstellt und erließ einen entsprechenden Haftungsbescheid über Lohnsteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer gegen die Klägerin.

Der Einspruch der Klägerin blieb erfolglos. Die im Anschluss erhobene Klage wies das FG ab ().

Der BFH hat die Revision als begründet angesehen, das FG-Urteil aufgehoben und die Rechtssache an das FG zurückverwiesen:

  • Steuerbarer Arbeitslohn liegt in der Regel auch dann vor, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer - wie im Streitfall - Aufwendungen erstattet, die der Arbeitnehmer - wie vorliegend - zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen (§ 9 Abs. 1 Satz 1 EStG) tätigt. Dahingehender Barlohn (Werbungskostenersatz) ist nur in den gesetzlich vorgesehenen Fällen wie z. B. § 3 Nr. 30 EStG steuerfrei (, Rz. 13 und , Rz. 14).

  • Nach diesen Maßstäben hat das FG zu Recht angenommen, dass die Übernahme der Beiträge für die Rechtsanwaltskammer, für die Mitgliedschaft im örtlichen Anwaltverein (und über diesen zugleich im DAV) sowie der Umlage zum beA durch die Klägerin jeweils auch im eigenen Interesse der bei ihr angestellten Rechtsanwältin erfolgte und deshalb Arbeitslohn vorlag.

  • Dem FG ist allerdings nicht darin zu folgen, dass auch die Übernahme der Beiträge für die eigene Berufshaftpflichtversicherung der angestellten Rechtsanwältin in voller Höhe Arbeitslohn darstellte.

  • Nach den bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) handelte es sich vorliegend um eine im eigenen Namen und auf eigene Rechnung der angestellten Rechtsanwältin abgeschlossene Versicherung, die nicht nur den von § 51 Abs. 4 BRAO vorgeschriebenen Mindestversicherungsschutz umfasste, sondern der Höhe nach auf die von den Sozien der Klägerin abgeschlossenen Versicherungen abgestimmt war.

  • Das FG hat zunächst zutreffend darauf abgestellt, dass (auch) der angestellte Rechtsanwalt nach § 51 BRAO zum Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung verpflichtet ist und ohne den Versicherungsabschluss die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft nicht vorgenommen werden darf (§ 12 Abs. 2 BRAO) oder eine bereits erfolgte Zulassung zu widerrufen ist (§ 14 Abs. 2 Nr. 9 BRAO). Der Abschluss der von der angestellten Rechtsanwältin unterhaltenen Berufshaftpflichtversicherung war mithin unabdingbar für die Ausübung ihres Berufs als (angestellte) Rechtsanwältin und sie handelte mit der Befolgung dieser gesetzlichen Verpflichtung typischerweise auch im eigenen Interesse.

  • Das FG ist aber zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Übernahme der Beiträge zur Berufshaftpflichtversicherung durch die Klägerin ohne Weiteres in vollem Umfang zu Arbeitslohn führt. Vielmehr gilt dies uneingeschränkt nur für die auf die gesetzliche Mindestdeckung entfallenden Prämienanteile.

  • Das FG hat keine Feststellungen dazu getroffen, ob durch die Übernahme der Beiträge zur eigenen Berufshaftpflichtversicherung der angestellten Rechtsanwältin ausnahmsweise in vollem Umfang Arbeitslohn vorliegt, weil diese als Scheinsozia zu beurteilen ist. Die Rechtssache ist deshalb an das FG zurückzuverweisen.

Anmerkung von Dr. Stephan Geserich, Richter im VI. Senat des BFH:

Die berufshaftungsrechtlichen Grundsätze der vorliegenden Entscheidung sind nicht auf die Übernahme von Beiträgen zur Berufshaftpflichtversicherung angestellter Steuerberater übertragbar (siehe dazu die Anmerkung in unserer Online-Nachricht v. 11.2.2021 zu ). Die Besprechungsentscheidung ist jedoch von darüberhinausgehender Bedeutung. Denn im Streitfall ist die Klägerin für Lohnsteuer wegen Werbungskostenersatz in Haftung genommen worden. Dies hat der BFH nicht beanstandet, obwohl es sich hierbei im Ergebnis um ein steuerliches (aufgrund des Arbeitsentgeltsbegriffs in § 14 SGB IV nicht um ein sozialversicherungsrechtliches) „Nullsummenspiel“ handelt. Dies ist dem Umstand geschuldet, dass dem streitigen haftungsbewehrten Mehrlohn im Rahmen der Arbeitnehmer-Veranlagung Werbungskosten in entsprechender Höhe gegenüber zu stellen sind und die beim Arbeitgeber nacherhobene Lohnsteuer auf die gegenüber dem Arbeitnehmer festgesetzte Einkommensteuer anzurechnen ist. Die Frage, ob ein Lohnsteuer-Haftungsbescheid in solchen Fällen möglicherweise ermessensfehlerbehaftet (oder gar tatbestandlich rechtswidrig) ist, hat sich der BFH vorliegend nicht gestellt. Sie ist allerdings neben anderem Gegenstand des Verfahrens VI R 47/18 (Vorinstanz ). Denn dort ist zu entscheiden, ob bei einer Haftungsinanspruchnahme des Arbeitgebers nach Ablauf des Kalenderjahres dessen Haftung durch die Höhe der endgültigen Einkommensteuerschuld der Arbeitnehmer unter dem Gesichtspunkt der Akzessorietät tatbestandlich begrenzt wird oder dieser Umstand nur für das Auswahlermessen des FA bedeutsam ist.

Quelle: ; NWB Datenbank (RD)

Fundstelle(n):
NWB PAAAH-70964