Online-Nachricht - Donnerstag, 03.12.2020

Grunderwerbsteuer | Steuerbefreiung bei Übergang von einer Gesamthand (BFH)

§ 6 Abs. 4 Satz 1 GrEStG bezweckt die Abwehr missbräuchlicher Gestaltungen durch Verbindung des grundsätzlich steuerfreien Wechsels im Gesellschafterbestand einer Gesamthand mit der steuerfreien Übernahme von Grundstücken aus dem Gesamthandsvermögen. Die Vorschrift ist teleologisch zu reduzieren, soweit abstrakt keine Steuer zu vermeiden war. Auf einen konkreten Missbrauch im Einzelfall kommt es nicht an (; veröffentlicht am ).

Hintergrund: Nach § 6 Abs. 4 Satz 1 GrEStG gelten die Vorschriften der Abs. 1 bis 3 insoweit nicht, als ein Gesamthänder innerhalb von fünf Jahren vor dem Erwerbsvorgang seinen Anteil an der Gesamthand durch Rechtsgeschäft unter Lebenden erworben hat.

Sachverhalt: Eine GmbH & Co. KG (KG) war seit 2006 Eigentümerin von Grundvermögen. Persönlich haftende Gesellschafterin der KG war eine GmbH, die nicht am Vermögen der KG beteiligt war. Die Klägerin wurde im Februar 2010 zunächst als Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) gegründet und firmiert seit November 2013 als GmbH. Einzeln vertretungsberechtigter Geschäftsführer war und ist der Insolvenzverwalter R. Durch notarielle Verträge vom erwarb die Klägerin sämtliche Kommanditanteile an der KG sowie sämtliche Geschäftsanteile an der Komplementär-GmbH. Sie bestellte R zum einzeln vertretungsberechtigten Geschäftsführer der GmbH.

Auf Eigenantrag eröffnete das Amtsgericht am das Insolvenzverfahren über das Vermögen der KG und ordnete Eigenverwaltung nach § 270 InsO an. Am eröffnete es das Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH. Im Rahmen eines Insolvenzplans wurde die Kapitaldienstfähigkeit der KG wiederhergestellt. Mit Beschluss vom hob das Amtsgericht das Insolvenzverfahren auf. Nachdem für den Kaufvertrag vom gesonderte Feststellungen nach § 17 GrEStG und des Grundbesitzwerts ergangen waren, setzte das FA gegen die KG wegen des Anteilserwerbs der Klägerin an der KG Grunderwerbsteuer fest. Diese Steuer wurde nicht mehr entrichtet. Am wurde das Erlöschen der KG im Handelsregister eingetragen.

Nach Eingang eines notariellen Grundbuchberichtigungsantrags wegen des Übergangs des Gesellschaftsvermögens der KG am auf die Klägerin nach § 738 BGB setzte das FA für diesen Vorgang unter Berufung auf § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG im Wege der Schätzung der Besteuerungsgrundlagen gegenüber der Klägerin Grunderwerbsteuer für eine auf den datierte Anwachsung fest.

Das FG hat die Klage abgewiesen ().

Der BFH hat die Revision als begründet angesehen und das FG Urteil aufgehoben:

  • Geht ein Grundstück von einer Gesamthand in das Alleineigentum einer an der Gesamthand beteiligten Person über, so wird die Steuer nach § 6 Abs. 2 Satz 1 GrEStG i. H. des Anteils nicht erhoben, zu dem der Erwerber am Vermögen der Gesamthand beteiligt ist. Nach § 6 Abs. 2 Satz 2 GrEStG gilt dies entsprechend, wenn ein Grundstück bei der Auflösung der Gesamthand in das Alleineigentum eines Gesamthänders übergeht. Die Anwachsung im Streitfall begründet einen solchen Übergang. Der Anteil für die Nichterhebung der Steuer beträgt 100 %, denn allein die Klägerin als Kommanditistin, aber nicht die ausgeschiedene Komplementär-GmbH war am Vermögen der KG beteiligt.

  • Die Klägerin hatte ihre Kommanditbeteiligung an der KG, über die sie zu 100 % vermögensmäßig an der KG beteiligt wurde, innerhalb der Fünfjahresfrist erworben.

  • Es entspricht ständiger Rechtsprechung des BFH, dass § 6 Abs. 4 Satz 1 GrEStG gegen den Wortlaut teleologisch zu reduzieren ist.

  • Es handelt sich um eine Missbrauchsverhinderungsvorschrift, mit der Steuerumgehungen durch die Kombination eines außerhalb von § 1 Abs. 2a GrEStG nicht steuerbaren Wechsels im Gesellschafterbestand einer Gesamthand und der nachfolgenden nach § 6 GrEStG begünstigten Übernahme von Grundstücken aus dem Gesamthandsvermögen durch den "neuen" Gesellschafter verhindert werden sollen ().

  • Nicht maßgebend ist, ob (subjektiv) im Einzelfall eine Steuerumgehung beabsichtigt war. Allein das abstrakte Missbrauchspotential ist Maßstab für die Auslegung des § 6 Abs. 4 Satz 1 GrEStG einschließlich der teleologischen Reduktion.

  • Abstraktes Missbrauchspotential fehlt, wenn der Wechsel im Gesellschafterbestand ausnahmsweise grunderwerbsteuerbar war. § 6 Abs. 4 Satz 1 GrEStG ist insoweit nicht anzuwenden. Es ist nicht maßgebend, ob die Grunderwerbsteuer festgesetzt und entrichtet wurde.

  • Nach diesen Maßstäben ist § 6 Abs. 4 Satz 1 GrEStG infolge teleologischer Reduktion im Streitfall nicht anzuwenden. Die Klägerin hat am sämtliche Geschäftsanteile der KG erworben. Dieser Vorgang war nach § 1 Abs. 2a GrEStG steuerbar. Das bedeutet, dass die Überführung der Grundstücke in den grunderwerbsteuerrechtlichen Zurechnungsbereich der Klägerin bereits der Grunderwerbsteuer unterlag. Schwierigkeiten bei Festsetzung und Erhebung dieser Grunderwerbsteuer sind für die Reichweite des § 6 Abs. 4 Satz 1 GrEStG nicht von Bedeutung.

Quelle: ; NWB Datenbank (RD)

Fundstelle(n):
NWB SAAAH-65604