Online-Nachricht - Donnerstag, 19.11.2020

Einkommensteuer | Räumlich-funktionaler Haushaltsbegriff des § 35a Abs. 2 und 3 EStG (BFH)

Die Reinigung der Fahrbahn einer öffentlichen Straße ist - anders als die Reinigung des öffentlichen Gehwegs vor dem Haus - nicht als haushaltsnahe Dienstleistung nach § 35a Abs. 2 EStG begünstigt. Soweit Arbeiten in der Werkstatt eines Handwerkers erbracht werden, sind die darauf entfallenden Lohnkosten nicht nach § 35a Abs. 3 EStG begünstigt (; veröffentlicht am ).

Sachverhalt: Die Klägerin hatte die Ermäßigung der tariflichen Einkommensteuer nach § 35a EStG bei Aufwendungen für die Straßenreinigung als haushaltsnahe Dienstleistungen sowie für Tischlerarbeiten als Handwerkerleistungen beantragt. Die Straßenreinigung wurde von der Kommune als öffentliche Aufgabe für die Anlieger durchgeführt. Die Kosten hierfür hatten die Anlieger anteilig zu tragen. Gegenstand der Tischlerarbeiten war die Reparatur eines Hoftores, welches ausgebaut, in der Tischlerwerkstatt in Stand gesetzt und anschließend wieder auf dem Grundstück der Klägerin eingebaut worden war.

Anders als zuvor das Finanzgericht ( Az: 12 K 12040/17, s. hierzu unsere Online-Nachricht v. 27.4.2018 sowie ausführlich zum Thema Dorn/Riel, ), bestätigte der BFH die ablehnende Rechtsauffassung des Finanzamts:

  • Die Tarifermäßigung für haushaltsnahe Dienstleistungen und ebenso für Handwerkerleistungen setzt voraus, dass diese im Haushalt des Steuerpflichtigen ausgeübt oder erbracht werden.

  • Eine haushaltsnahe Dienstleistung erfordert eine Tätigkeit, die üblicherweise von Familienmitgliedern erbracht, in unmittelbarem räumlichen Zusammenhang zum Haushalt durchgeführt wird und dem Haushalt dient.

  • Dies ist, entsprechend der bisherigen Rechtsprechung, für die Reinigung eines Gehweges (vgl. ) noch zu bejahen. Die Reinigung der Fahrbahn einer Straße kann aber nicht mehr als hauswirtschaftliche Verrichtung angesehen werden, die den geforderten engen Haushaltsbezug aufweist.

  • Handwerkerleistungen für Renovierungs-, Erhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen sind ebenfalls nur begünstigt, wenn sie in unmittelbarem räumlichen Zusammenhang zum Haushalt durchgeführt werden.

  • In der Werkstatt des Handwerkers erbrachte Leistung werden zwar für den Haushalt aber nicht im Haushalt des Steuerpflichtigen erbracht.

  • Die Arbeitskosten des Handwerkers sind daher ggf. im Wege der Schätzung in einen nicht begünstigten "Werkstattlohn" und in einen begünstigten "vor Ort Lohn" aufzuteilen.

Anmerkung von Dr. Stephan Geserich , Richter im VI. Senat des BFH:

Der BFH hat in der Besprechungsentscheidung seine Rechtsprechung zur Abzugsfähigkeit von Aufwendungen für die Reinigung und Schneeräumung von öffentlichen Straßen und (Geh-)Wegen räumlich geschärft. Es handelt sich hierbei lediglich um eine einengende Klarstellung, nicht aber um eine Aufgabe der bisherigen Rechtsgrundsätze.

Entsprechendes gilt betreffend der in der Werkstatt eines Handwerkes erbrachten Arbeiten. Auch diesbezüglich hält der BFH an seine räumlich-funktionalen Haushaltsbegriff fest. Allerdings sind Handwerkerleistungen nur nach § 35a EStG begünstigt, soweit die Leistungen auch tatsächlich im räumlich-funktionalen Haushalt erbracht werden und diesem dienen. Ob der Leistungserfolg im Haushalt erzielt wird ist danach unerheblich. Nicht der zivilrechtliche, sondern der tatsächliche Leistungsort ist allein entscheidend.

Daher sind die Arbeitskosten zukünftig in "Werkstattlohn" und "vor Ort Lohn" aufzuteilen. Dies kann (und sollte) bereits in der Handwerkerrechnung geschehen, hilfsweise kann eine entsprechende Erklärung des Leistungserbringers im Besteuerungsverfahren auch nachgereicht werden. Anderenfalls müssen die berücksichtigungsfähigen Arbeitskosten (vom FG) geschätzt werden.

Aber auch insoweit bedarf es der Mitwirkung der Steuerpflichtigen. Der BFH führt damit seinen räumlich funktionalen Haushaltsbegriff eng fort (siehe dazu auch , wonach die Erschließung einer öffentlichen Straße nicht im räumlich-funktionalen Zusammenhang zum Haushalt des Steuerpflichtigen steht sowie , BStBl II 2018, 641 betreffend die (Neu-)Verlegung einer öffentlichen Mischwasserleitung als Teil des öffentlichen Sammelnetzes).

In Heusenstamm - einer Stadt mit ca. 19.000 Einwohnern - im südhessischen Landkreis Offenbach wird die Entscheidung zudem betreffend die Reinigung der Fahrbahn vermutlich auf Unverständnis stoßen. Denn dort endet die Reinigungspflicht der Bürger*innen nicht an der „Bordsteinkante“. Vielmehr sind hier die Bürgersteige von den Eigentümer*innen beziehungsweise Mieter*innen (Mietvertrag oder Hausordnung) - und damit wohl gewöhnlich von Mitgliedern des privaten Haushalts - einmal wöchentlich - in der Regel samstags - inklusive der Straßenrinnen und Einflussöffnungen (Sinkkästen) bis einschließlich zur Straßenmitte zu reinigen (www.heusenstamm.de). Ähnliches gilt in der Landeshauptstadt München, sofern die Steuerpflichtigen außerhalb des sogenannten Vollanschlussgebietes, das ungefähr die Fläche innerhalb des Mittleren Ringes sowie den Kernbereich von Pasing umfasst, wohnen. Dort müssen beispielsweise die Grundstückseigentümer*innen den Gehweg, die Parkbuchten, die Radwege und die Straße bis zur Mitte der Fahrbahn bei Bedarf kehren und bei Trockenheit besprengen, um eine übermäßige Staubentwicklung zu verhindern (www.muenchen.de).

Quelle: BFH, Pressemitteilung zum ; NWB Datenbank (il)

Fundstelle(n):
NWB TAAAH-64046