NWB Nr. 47 vom Seite 3449

Grenzüberschreitende Steuergestaltungen

Prof. Dr. Klaus von Brocke | Rechtsanwalt, München

Steuerliche Meldepflichten nach DAC6 – ein kleines erstes Resümee

[i] Anzeigepflichten für grenzüberschreitende Steuergestaltungen, von Brocke/Nonnenmacher/Przybilka, Herne, 2. vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage 2020, lieferbar ab Dezember 2020 Knapp ein Jahr nach meinem letzten Editorial zu den steuerlichen Meldepflichten nach DAC6, der für alle Seiten überraschend kommenden Nichtverschiebung der Eingabe der Mitteilungen zum BZSt für den und einer überarbeiteten ersten Auflage unseres Praxiskommentars zu der gleichnamigen Thematik, ist ein kleines erstes Resümee angebracht. Soweit vernehmbar, hat die rein elektronische Übermittlung der Mitteilungen seitens der Intermediäre und der Nutzer nach typischen Premierenfehlern technisch sehr gut geklappt. Häufig auftretende Fehlermeldungen sind vom BZSt schnell adressiert und über sog. Workarounds behoben worden. Die Unternehmen und mit ihnen die verschiedenen Intermediäre haben gleichfalls die enorme inhaltliche Herausforderung gemeistert und in den fast überwiegenden Fällen auch zeitlich korrekt geschafft. Es ist zu hoffen, dass die wenigen Nachzügler, soweit sie mittlerweile alles Erforderliche unternommen haben, keine weiter reichenden Nachteile dadurch erfahren werden. Sanktionen sind ohnehin für die Pflichtverletzungen bei den Mitteilungen für den Übergangszeitraum 2018 bis 2020 nicht vorgesehen.

Anders sieht es da schon bei den nach wie vor bestehenden Unsicherheiten hinsichtlich der Anwendung der Regelungen der §§ 138d bis k AO aus. Das immer noch im Entwurfsstadium befindliche soll zwar inhaltlich in Abgleich mit den Ländern den letzten Stand wiedergeben, dennoch gibt es Ende November zu dem Schreiben noch eine Anhörung bei dem BMF und das Schreiben soll auch erst Anfang 2021 verabschiedet werden. Es ist dabei wohl eine Selbstverständlichkeit anzunehmen, dass, bei erneuter Änderung des Schreibens, die auf dem Stand des Entwurfs vom eingereichten Mitteilungen oder unterlassenen Mitteilungen dadurch keine erneute Prüfung seitens des Nutzers oder Intermediär erfordern.

Aus der Praxis lassen sich noch weitere gravierende Mängel des deutschen Umsetzungsgesetzes herauslesen. Völlig überzogen und realitätsfern und eine in der EU-DAC6-Richtlinie nicht vorgesehene Komplexität ist die Teilung der Mitteilungspflichten zwischen Intermediär und Nutzer, wenn letzterer den Berater nicht von seiner Verschwiegenheitspflicht entbunden hat. Auch die damit einhergehende Möglichkeit, dass der Nutzer im Auftrag des Intermediär vertraglich alle Angaben übermitteln kann, ist praxisfremd, da sie den Intermediär weiterhin in der Verantwortung belässt. Zudem wird die nicht inhaltlich abgestimmte Befreiungsmöglichkeit der Mitteilung für andere Intermediäre und/oder Nutzer gerade innerhalb der EU und im Zusammenhang mit unterschiedlichen länderspezifischen Verschwiegenheitspflichten noch einiges an Koordinationsarbeit erfordern. Hier steht aber nicht nur der deutsche Gesetzgeber in der Kritik, auch die EU muss sich fragen lassen, warum man nicht ein einheitliches One-stop-shop-Meldesystem eingeführt hat. So wurde von beiden Seiten, der EU und dem deutschen Gesetzgeber, die ohnehin schon bestehende Komplexität wie befürchtet noch um einiges gesteigert.

Klaus Brocke

Fundstelle(n):
NWB 2020 Seite 3449
NWB RAAAH-63938