NWB Nr. 32 vom Seite 2353

Tue Gutes und rede darüber

Professor Dr. Frank Hechtner | Lehrstuhl für BWL, insbesondere Betriebswirtschaftliche Steuerlehre und Wirtschaftsprüfung, Technische Universität Kaiserslautern

Steuerpolitische Aktivitäten nach der Sommerpause

Vielerorts sind in den einzelnen Bundesländern noch Sommerferien. Obgleich weiterhin Einschränkungen infolge des Coronavirus bestehen, ist Deutschland im Sinne einer veränderten Normalität mehr oder weniger stark in den Regelbetrieb zurückgekehrt. Gleichwohl zeigen aktuelle Ereignisse immer wieder, dass das Coronavirus wohl länger zu unserem alltäglichen Leben dazugehören wird. Die steuerpolitischen Aktivitäten der Regierung und des Gesetzgebers bilden diesen Zustand ebenfalls sehr gut ab. Standen vor einigen Wochen und Monaten noch die steuerlichen Corona-Sofortmaßnahmen prioritär auf der Tagesordnung, verlagert sich mittlerweile das steuerpolitische Geschäft zunehmend auf die Abarbeitung der alltäglichen Aufgaben.

Dementsprechend hat das Kabinett am den Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur steuerlichen Entlastung von Familien sowie zur Anpassung weiterer steuerlicher Regelungen (Zweites Familienentlastungsgesetz) sowie den Entwurf eines Gesetzes zur Erhöhung der Behinderten-Pauschbeträge und zur Anpassung weiterer steuerlicher Regelungen beschlossen. Nach derzeitiger Planung sollen beide Gesetze abschließend in der 44. Kalenderwoche (Ende Oktober) abschließend im Bundestag beraten werden. Zugleich hat das BMF mit Stand vom den Referentenentwurf eines Jahressteuergesetzes 2020 in die Ressortabstimmung gegeben. Die Befassung im Kabinett könnte in der 35. Kalenderwoche erfolgen, so dass in der 45. Kalenderwoche (Anfang November) die abschließende Beratung im Bundestag erfolgt.

Mit dem Zweiten Familienentlastungsgesetz soll eine Erhöhung des Kindergeldes um 15 € zum erfolgen. Der Kinderfreibetrag soll ebenfalls entsprechend angepasst werden. Zugleich soll eine Überprüfung des Einkommensteuertarifs erfolgen, so dass die Tarifeckwerte in 2021 und 2022 jeweils um ca. 1,5 % nach rechts verschoben werden. Hierdurch wird die Steuerfreistellung des sächlichen Existenzminimums bewirkt. Zugleich erfolgt damit ein Ausgleich der kalten Progression. Diese Maßnahmen sind wenig überraschend und bewegen sich im üblichen Rahmen. Eine weitreichende Steuerentlastung ist jedenfalls mit dem Gesetzentwurf nicht vorgesehen.

Mit dem Gesetz zur Erhöhung der Behinderten-Pauschbeträge sollen neue Pauschalierungsmöglichkeiten für Menschen mit Behinderung geschaffen werden. Zudem sollen die Behinderten-Pauschbeträge ab dem Veranlagungszeitraum 2021 nach § 33b Abs. 3 EStG um 100 % angehoben werden. Entsprechende Beträge waren seit 1975 nicht mehr angepasst worden (vgl. BT-Drucks. 19/5034). Getreu dem Motto, tue Gutes und rede darüber, wurde diese beabsichtigte Anpassung nun in ein eigenständiges Gesetzgebungsverfahren integriert. Zwingend notwendig ist dies sicherlich nicht. Vermutlich stehen hier Marketing-Aspekte im Vordergrund, schließlich ist im kommenden Jahr wieder Bundestagswahl. Mit dem obligatorischen Jahressteuergesetz mit einem (bisherigen) Umfang von 205 Seiten soll eine Vielzahl von Einzelmaßnahmen umgesetzt werden. Es bleibt abzuwarten, welcher Titel hier noch im Sinne des Marketings aus dem Hut gezaubert wird.

Frank Hechtner

Fundstelle(n):
NWB 2020 Seite 2353
NWB ZAAAH-55092