BSG Beschluss v. - B 5 SF 9/20 S

Sozialgerichtliches Verfahren - Einwendungen gegen die Kostenerhebung trotz Verbindlichkeit der Kostengrundentscheidung - Gebühren für eine Entscheidung über die Bestellung eines besonderen Vertreters

Gesetze: § 72 Abs 1 SGG, § 73 Abs 4 SGG, § 183 SGG, § 184 SGG, § 197a Abs 1 S 1 SGG, § 1 Abs 2 Nr 3 GKG 2004, § 1 Abs 5 GKG 2004, § 3 GKG 2004, § 21 Abs 1 S 1 GKG 2004, § 29 Nr 1 GKG 2004, § 66 Abs 1 S 1 GKG 2004, § 66 Abs 5 S 1 GKG 2004, § 66 Abs 6 S 1 GKG 2004, Nr 7130 GKVerz, Nr 7130ff GKVerz, Nr 7500 GKVerz, Nr 7500ff GKVerz

Gründe

1I. Das ) einen Anspruch des Klägers und hiesigen Erinnerungsführers auf Auszahlung weiteren vertragszahnärztlichen Honorars verneint und deshalb seine Berufung gegen das klageabweisende zurückgewiesen. Der Kläger erstrebte, dass auch gegen diese Entscheidung Nichtzulassungsbeschwerde zum BSG erhoben werde. In einem von ihm unterzeichneten Schreiben vom an das BSG, das neben dem genannten noch weitere elf Aktenzeichen unterschiedlicher Senate des LSG (Sachgebiete KR, P, KA, SF und SO) aufführte, betonte er, dass er prozessunfähig sei und deshalb weder selbst einen Anwalt beauftragen noch wirksam einen Antrag auf Prozesskostenhilfe stellen könne. Rechtsverbindliche Schreiben müsse die von ihm benannte Rechtsanwältin P. verfassen, die das BSG als besondere Vertreterin für die entsprechenden Verfahren zu bestellen habe, damit er als behinderter Mensch nicht entrechtet werde.

2Der 6. Senat des BSG hat dieses Schreiben als Nichtzulassungsbeschwerde behandelt. Er hat den Kläger weiterhin - jedenfalls in vertragszahnärztlichen Angelegenheiten - für prozessfähig erachtet und deshalb keinen besonderen Vertreter bestellt, sondern die Beschwerde als unzulässig verworfen, weil sie nicht von einem zugelassenen Prozessbevollmächtigten eingelegt worden war (Beschluss vom - B 6 KA 5/20 B). Zugleich sind in diesem Beschluss die Kosten des Beschwerdeverfahrens dem Kläger auferlegt und der Streitwert für dieses Verfahren auf 252 823,72 Euro festgesetzt worden.

3Die Geschäftsstelle des BSG hat mit Schlusskostenrechnung vom die vom Kläger für das Beschwerdeverfahren zu tragenden Gerichtskosten nach Nr 7502 des Kostenverzeichnisses (KV - Anlage 1 zu § 3 Abs 2 GKG) auf 4208 Euro festgesetzt. Der Kläger macht mit seiner hiergegen gerichteten Erinnerung (Schreiben vom ) geltend, dass er als Behinderter und Prozessunfähiger geklagt habe und deshalb Gerichtskosten entfielen. Zudem gehöre er wegen der Corona-Pandemie einer Risikogruppe an, die nicht mit Forderungen belastet werden dürfe, welche den Entzug der Lebensgrundlage bedeute.

4Die Kostenbeamtin hat der Erinnerung nicht abgeholfen. Die Kostenprüfungsbeamtin ist dieser Entscheidung am beigetreten.

5II. 1. Zur Entscheidung über die Erinnerung ist der 5. Senat des BSG als Kostensenat gemäß § 66 Abs 1 Satz 1 GKG iVm RdNr 5 Ziffer 13 des Geschäftsverteilungsplans des BSG für das Jahr 2020 berufen. Er entscheidet durch den zuständigen Berichterstatter als Einzelrichter (§ 66 Abs 6 Satz 1 iVm § 1 Abs 5 GKG).

62. Die Erinnerung ist formgerecht erhoben.

7a) Durchgreifende Anhaltspunkte dafür, dass die Erinnerung nicht der Schriftform genügt (vgl § 66 Abs 5 Satz 1 GKG), sondern von einem unbeteiligten und vollmachtlosen Dritten stammt und damit ohne rechtliche Wirkung ist, bestehen nicht. Zwar ist in dem Schreiben vom ausgeführt, dass die Erinnerung "von den Helfern des Dr. S. aus dem Bereich der Mediziner, Statistiker, Historiker und Pädagogen" verfasst wurde und von ihm selbst erst zu einem späteren Zeitpunkt als dem angegebenen Datum unterzeichnet worden sei, wobei dieser "weder das gesprochene Wort hören noch Schreiben lesen und nicht deren Inhalt erfassen" konnte. Wenn dem so wäre, wäre die Veranlassung des Dr. S. zur "Unterschrift" unter ein solches, inhaltlich von ihm überhaupt nicht verstandenes Schriftstück eine "Farce" und würde nicht dazu führen, dass die Schriftform gewahrt ist (vgl IVa ZR 111/80 - juris RdNr 15 f). Das müsste sich auch einem Mediziner, Statistiker, Historiker oder Pädagogen mit durchschnittlicher Bildung ohne Weiteres aufdrängen. Da der Erinnerungsführer seine angeblichen "Helfer" aber niemals namentlich, sondern lediglich mit bedeutungsvoll klingenden Berufsbezeichnungen benennt, dabei aber zugleich seit Jahren in den zahlreichen beim BSG anhängig gemachten Verfahren in stets gleichbleibender und konsistenter Weise vorträgt, geht der Senat - zugunsten des Erinnerungsführers - davon aus, dass das Erinnerungsschreiben in Wirklichkeit von ihm selbst stammt (zur Prozessfähigkeit des Erinnerungsführers s auch - RdNr 3 mwN).

8b) Abweichend von dem für Verfahren vor dem BSG ansonsten geltenden Vertretungszwang (§ 73 Abs 4 SGG) bedarf es für eine Kostenerinnerung nach der Sondervorschrift in § 66 Abs 5 Satz 1 GKG keiner Vertretung durch einen vor dem BSG zugelassenen Prozessbevollmächtigten (s auch § 1 Abs 5 GKG).

93. Die Erinnerung gegen den Kostenansatz in der Schlusskostenrechnung vom hat Erfolg.

10Zwar hat der Beschluss des 6. Senats vom (B 6 KA 5/20 B) den Kläger (hiesigen Erinnerungsführer) zur Tragung der Kosten des Beschwerdeverfahrens vor dem BSG verpflichtet (vgl § 29 Nr 1 GKG). Diese Kostengrundentscheidung ist grundsätzlich verbindlich und im Rahmen einer Erinnerung gegen den Kostenansatz nicht nachzuprüfen (vgl - juris RdNr 5 mwN; - juris RdNr 10). Hier wendet sich der Erinnerungsführer aber nicht gegen die Art und Weise der Kostenzuordnung in der Kostengrundentscheidung, sondern dagegen, dass Gerichtskosten für das von ihm eingeleitete Verfahren überhaupt erhoben werden. Er macht geltend, dass Gerichtskosten nach den gesetzlichen Vorschriften nicht angefallen sind und deshalb die Kostengrundentscheidung ("Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens") ins Leere geht, auch wenn sie verbindlich ist. Dieser Einwand wird dem Erinnerungsführer durch den Grundsatz der Verbindlichkeit der Kostengrundentscheidung nicht abgeschnitten (zur Anwendbarkeit des § 21 Abs 1 GKG vgl Toussaint in Hartmann/Toussaint, Kostenrecht, 50. Aufl 2020, § 21 GKG RdNr 21 "Kostenentscheidung"; zum Wesen dieser Vorschrift als "Gegennorm zum Kostenanspruch" s Zimmermann in Binz/Dörndorfer/Zimmermann, GKG, 4. Aufl 2019, § 21 RdNr 1).

11Hier folgt aus § 21 Abs 1 Satz 1 GKG, dass vom Erinnerungsführer für das zugrunde liegende Verfahren keine Kosten zu erheben sind. Sein Schreiben vom hätte nicht bereits als Einlegung einer Nichtzulassungsbeschwerde, sondern lediglich als Antrag auf Bestellung eines besonderen Vertreters iS des § 72 Abs 1 SGG zur Durchführung des beabsichtigten Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde durch die benannte Rechtsanwältin behandelt werden müssen (zu vergleichbaren Formulierungen des Erinnerungsführers zutreffend bereits - RdNr 2; - RdNr 2; ; zu einem weiteren Verfahren, das ebenfalls aus dem Schreiben vom hervorgegangen ist, s auch ). Für ein solches Verfahren vor Einleitung des eigentlichen Rechtsmittelverfahrens fallen Gerichtskosten nach § 197a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 1 Abs 2 Nr 3 GKG nicht an, da das Kostenverzeichnis zum GKG hierfür keinen Gebührentatbestand enthält (vgl Nr 7130 ff, 7500 ff KV). Insoweit gilt dasselbe wie für isolierte Verfahren über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe oder für Verfahren auf Beiordnung eines Notanwalts ( - RdNr 5). Dementsprechend entstehen auch in Verfahren, für die gemäß §§ 183, 184 SGG von nicht kostenprivilegierten Beteiligten - insbesondere von den beklagten Versicherungsträgern - Pauschgebühren zu erheben sind, solche Gebühren für eine Entscheidung über die Bestellung eines besonderen Vertreters noch vor Einleitung der Instanz nicht ( - RdNr 4).

12Nach alledem kommt es auf die in dem Erinnerungsschreiben erneut wiederholte, rechtlich jedoch unzutreffende Ansicht, dass behinderte Menschen generell von Gerichtskosten befreit seien, hier nicht an (s dazu - juris RdNr 9 mwN).

134. Die Kostenentscheidung für das Verfahren der Erinnerung beruht auf § 66 Abs 8 GKG.

145. Gegen diese Entscheidung ist kein weiteres Rechtsmittel statthaft (§ 66 Abs 3 Satz 2 und 3 GKG).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2020:290620BB5SF920S0

Fundstelle(n):
YAAAH-54012