Online-Nachricht - Donnerstag, 04.06.2020

Umsatzsteuer | Zum Vorsteuerabzug einer Holding bei angeblicher Dienstleistungskommission (BFH)

Eine Dienstleistungskommission i.S. des § 3 Abs. 11 UStG im Verhältnis zu Tochtergesellschaften liegt nicht vor, wenn jenen eine wirtschaftlich nicht teilbare Gesamtleistung anteilig zugeordnet wird. Die FG sind an eine ausdrückliche Billigkeitsentscheidung des FA, dass eine Gesellschaft nicht als Organgesellschaft zu behandeln ist, gebunden. Um die Unternehmenseigenschaft einer Holdinggesellschaft zu begründen, müssen ihre steuerbaren Ausgangsleistungen an ihre Tochtergesellschaften grundsätzlich keine besondere "Eingriffsqualität" aufweisen. Es reicht außerdem aus, wenn solche Leistungen in Zukunft beabsichtigt sind (; veröffentlicht am ).

Sachverhalt: Die italienischen Tochtergesellschaften der Klägerin (eine GmbH & Co. KG) schlossen jeweils mit dem Generalunternehmer Verträge über die schlüsselfertige Errichtung und Lieferung von bestimmten Anlagen und Verträge über deren Instandhaltung und Betriebsführung. Im Jahr 2012 schlossen die italienischen Tochtergesellschaften ferner Kreditverträge über die Finanzierung der Anlagen. Auch die Klägerin war als weitere Kreditnehmerin an den Kreditverträgen beteiligt. Die Klägerin erklärte für die Jahre 2011 bis 2014 (Streitjahre) u.a. Ausgangsumsätze nach § 13b UStG an die Alleingesellschafterin der Komplementär-GmbH (D GmbH & Co. KG mit Sitz in Deutschland), die Tochtergesellschaften und dem Generalunternehmer.

Im Rahmen einer Prüfung kam das FA zu der Einschätzung, die Klägerin habe mit ihrer Tätigkeit keine Ausgangsleistungen im umsatzsteuerrechtlichen Sinne erbracht, so dass kein Vorsteuerabzugsrecht aus den Rechnungen über die von ihr bezogenen Eingangsleistungen (u.a. Beratungsleistungen) bestehe. Nach den Unterlagen betreibe die Klägerin nicht selbst die Anlagen und erbringe keine Leistungen an die Tochtergesellschaften, sondern habe nur die Aufgabe, die Anteile an den Tochtergesellschaften zu halten.

Die Klägerin hatte beim FA eine Billigkeitsregelung mit dem Inhalt beantragt, dass sie nach Rz. 5 des wegen ihrer Rechtsform als Personengesellschaft nicht als Organgesellschaft behandelt wird. Die entsprechende Billigkeitsregelung wurde vom FA erlassen.

Das FG () ließ den geltend gemachten Vorsteuerabzug zu. Die Klage hatte nur insofern keinen Erfolg, als die von der Klägerin angestrebte Festsetzung der Umsatzsteuer kompensatorisch um Umsatzsteuer zu erhöhen war, für die die Klägerin irrtümlich von einer Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers (der D GmbH & Co. KG) ausgegangen war.

Der BFH sah die Revision des FA als begründet an und verwies die Sache an das FG zurück:

  • Ob die Klägerin als Holdinggesellschaft den Vorsteuerabzug im geltend gemachten Umfang vornehmen kann, hängt davon ab, ob sie steuerbare Umsätze an ihre Tochtergesellschaften oder die D GmbH & Co. KG erbracht hat. Im Verhältnis zu den Tochtergesellschaften ist das FG im angefochtenen Urteil zu Unrecht von Dienstleistungskommissionen der Klägerin ausgegangen.

  • Auch wenn im Streitfall möglicherweise die Voraussetzungen einer Organschaft vorliegen und demnach die Klägerin als Organgesellschaft i.S. des § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG nicht selbständig tätig war, ist das FG zu Recht davon ausgegangen, dass dies aufgrund der insoweit bindenden Billigkeitsentscheidung des FA, die Klägerin nicht als Organgesellschaft zu behandeln, nicht der Überprüfung im Revisionsverfahren unterliegt.

  • Der bloße Erwerb und das bloße Halten von Aktien stellen für sich genommen keine wirtschaftliche Tätigkeit i.S. der MwStSystRL dar, die den Erwerber zum Steuerpflichtigen machen würde, da diese Vorgänge nicht die Nutzung eines Gegenstands zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen beinhalten, weil das einzige Entgelt aus ihnen in einem etwaigen Gewinn beim Verkauf dieser Aktien liegt ().

  • Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn die finanzielle Beteiligung an einem anderen Unternehmen unbeschadet der Rechte, die dem Anteilseigner in seiner Eigenschaft als Aktionär oder Gesellschafter zustehen, mit unmittelbaren oder mittelbaren Eingriffen in die Verwaltung der Gesellschaft einhergeht, an der die Beteiligung begründet worden ist, soweit ein solcher Eingriff die Vornahme von Umsätzen einschließt, die gem. Art. 2 MwStSystRL der Mehrwertsteuer unterliegen, wie die Erbringung von administrativen, buchführerischen, finanziellen, kaufmännischen, der Informatik zuzuordnenden und technischen Dienstleistungen.

  • Der Begriff "Eingriff einer Holding in die Verwaltung ihrer Tochtergesellschaft" ist dahin zu verstehen, dass er alle Umsätze umfasst, die eine wirtschaftliche Tätigkeit i.S. der MwStSystRL darstellen und von der Holding für ihre Tochtergesellschaft erbracht werden ( „Marle Participations“).

  • Außerdem sind, da die wirtschaftlichen Tätigkeiten i.S. der MwStSystRL mehrere aufeinanderfolgende Handlungen umfassen können, die vorbereitenden Tätigkeiten bereits der wirtschaftlichen Tätigkeit zuzurechnen. Somit muss jeder, der die durch objektive Anhaltspunkte belegte Absicht hat, eine wirtschaftliche Tätigkeit selbständig auszuüben, und erste Investitionsausgaben für diese Zwecke tätigt, als Steuerpflichtiger gelten ( „Ryanair“).

  • Das FG hat bei der Qualifizierung als Dienstleistungskommission nicht berücksichtigt, dass es sich bei der aus seiner Sicht besorgten Leistung um ein "Gesamtpaket" gehandelt hat, das nicht nur die Erarbeitung von Verträgen, die von den Tochtergesellschaften abgeschlossen wurden, enthielt, sondern neben der Konzeption des Gesamtprojekts auch die Anteilskäufe durch die Klägerin beinhaltete.

Anmerkung von Prof. Dr. Alois Nacke, Richter im XI. Senat des BFH:

Zunächst stellt der BFH klar, dass es sich bei der Billigkeitsentscheidung des FA, die Klägerin nicht als Organgesellschaft zu behandeln, um einen Grundlagenbescheid handelt, der Bindungswirkung entfaltet.

Der Besprechungsfall zeichnet sich u.a. dadurch aus, dass die einzelnen „Leistungsbeziehungen“ in ein Gesamtprojekt eingebettet sind, das neben der Konzeptionierung, der Prospektgestaltung, der Schaffung von Tochter- und Enkelgesellschaften, der Beschaffung von Genehmigungen etc. auch spezielle Beratungsleistungen beinhaltet. Dabei sind die Beratungsleistungen schon in Auftrag gegeben worden, als die Tochter- und Enkelgesellschaften noch nicht existierten. Dies war insoweit problematisch, als die Beratungsleistungen letztlich bei den Enkelgesellschaften in Italien in Rechnung gestellt wurden. Die von der Vorinstanz insoweit angenommene Dienstleistungskommission nach § 3 Nr. 11 UStG wurde vom BFH nicht bestätigt. Der XI. Senat lehnt insoweit eine Dienstleistungskommission ab. Dabei geht er davon aus, dass bei einer solchen Gesamtleistung ein Kommissionsgeschäft nicht angenommen werden kann. Hier könnte m.E. aber auch in Frage gestellt werden, ob der zeitliche Ablauf der Beratungsleistungen (zunächst Beauftragung durch die Holdinggesellschaft und die erst wesentlich später gegründeten Tochtergesellschaften in Italien) gegen ein Kommissionsgeschäft spricht, da im Zeitpunkt der Beauftragung noch kein Kommittent existierte.

Das FG hat nun aufgrund der Zurückverweisung u.a. zu klären, ob es sich bei den Beratungsleistungen um eine sonstige Leistung an die Tochtergesellschaften handelt, oder ob sie nicht als Teil des Gesellschafterbeitrags anzusehen ist. Hierzu fehlen – so der BFH – Angaben zu den Gesellschaftsverträgen und den mündlichen Vereinbarungen mit den italienischen Tochtergesellschaften.

Quelle: , NWB Datenbank (JT)

Fundstelle(n):
NWB MAAAH-50118