Online-Nachricht - Dienstag, 02.06.2020

Arbeitsrecht | Zurück zur Zeiterfassung seitens des Arbeitgebers (AG)

Das Arbeitsgericht Emden verlangt eine Zeiterfassung des Arbeitgebers für die Darlegungs- und Beweislast. Ein Mitarbeiter der Baubranche führte Bautagebuch, welches dem Gericht als Aufzeichnung des Arbeitnehmers ausreichte ().

Hintergrund: Der EuGH hat sich mit der Frage beschäftigt, inwieweit Arbeitgeber zur Erfassung der Arbeitszeiten ihrer Mitarbeiter verpflichtet sind. Die Kernaussage vor einem Jahr: Arbeitgeber in der EU müssen ein System bereitstellen, um die Arbeitszeiten aller Mitarbeiter erfassen zu können. Insofern werden die Mitgliedsstaaten dafür entsprechende gesetzliche Grundlagen schaffen müssen, um Verstöße gegen die EU-Arbeitszeitrichtlinie zu verhindern ().

Umfangreiche und branchenspezifische Dokumentationspflichten bestehen bereits nach dem Mindestlohngesetz (MiLoG), nach dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz (AentG), nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG), nach dem Arbeitszeitgesetz (ArbZG) und nach den Richtlinien für die versicherungsrechtliche Beurteilung von geringfügigen Beschäftigungen (Geringfügigkeits-Richtlinien).

Das AG Emden entschied nun im Fall einer Zeiterfassung, die seitens des Arbeitnehmers geführt wurde.

Sachverhalt: Der Arbeitnehmer führte Aufzeichnungen im Rahmen eines Bautagebuches, welche mehr Arbeitsstunden aufwiesen als der Arbeitgeber ihm vergütete. Der Arbeitnehmer verlangte die Vergütung aller Stunden und verwies auf seine handschriftlichen Aufzeichnungen.

Das AG entschied zugunsten des Klägers:

  • Der Arbeitgeber ist seiner Aufzeichnungspflicht der Zeiterfassung nicht nachgekommen. Diese Pflicht leitete das Gericht unmittelbar aus Art. 31 Abs. 2 EU-Grundrechte-Charta ab.

  • Bei der Verpflichtung des Arbeitgebers, ein objektives, verlässliches und zugängliches System zur Arbeitszeiterfassung einzuführen, handelt es sich auch um eine vertragliche Nebenpflicht gemäß § 241 Abs. 2 BGB. Verletzt der Arbeitgeber diese vertragliche Nebenpflicht, gilt der unter Vorlage von Eigenaufzeichnungen geleistete Vortrag des Arbeitnehmers, an welchen Tagen er von wann bis wann Arbeit geleistet oder sich auf Weisung des Arbeitgebers zur Arbeit bereitgehalten hat, regelmäßig gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden.

  • Die im Rahmen eines sogenannten „Bautagebuches“ in Anwendung der Regelungen der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) vom Arbeitgeber vorgenommenen Aufzeichnungen genügen den Anforderungen eines objektiven, verlässlichen und zugänglichen Systems zur Arbeitszeiterfassung regelmäßig nicht.

  • Im Vergütungsprozess besteht eine abgestufte Darlegungs- und Beweislast. Der Arbeitnehmer muss demnach zunächst vortragen und darlegen, „an welchen Tagen er von wann bis wann Arbeit geleistet oder sich auf Weisung des Arbeitgebers zur Arbeit bereitgehalten hat“. Danach obliegt es dem Arbeitgeber, sich seinerseits substantiiert zum Vortrag des Arbeitnehmers zu erklären und darzulegen, welche Arbeiten er dem Arbeitnehmer zugewiesen hat und an welchen Tagen der Arbeitnehmer von wann bis wann diesen Weisungen – ggf. nicht – nachgekommen ist. Lässt sich der Arbeitgeber nicht substantiiert ein, so gilt der Sachvortrag des Arbeitnehmers.

Quelle: (JT)

Fundstelle(n):
NWB CAAAH-49765