Online-Nachricht - Donnerstag, 28.05.2020

Umsatzsteuer | Anspruch auf Erteilung einer Bescheinigung nach § 4 Nr. 11b Satz 2 UStG (BFH)

Wer Post-Universaldienstleistungen nach Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 97/67/EG, § 4 Nr. 11b UStG erbringt, hat Anspruch auf Erteilung der Bescheinigung nach § 4 Nr. 11b Satz 2 UStG. (; veröffentlicht am ).

Hintergrund: § 4 Nr. 11b Satz 1 UStG befreit Universaldienstleistungen nach Art. 3 Abs. 4 der Richtiline 97/67/EG. Gem. § 4 Nr. 11b Satz 2 UStG setzt die Steuerbefreiung voraus, dass der Unternehmer sich entsprechend einer Bescheinigung des BZSt gegenüber dieser Behörde verpflichtet hat, flächendeckend im gesamten Gebiet der Bundesrepublik Deutschland die Gesamtheit der Universaldienstleistungen oder einen Teilbereich dieser Leistungen nach Satz 1 anzubieten.

Sachverhalt: Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der A GmbH (nachfolgend: A). A betrieb bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens - neben weiteren mit ihr über die gemeinsame Muttergesellschaft verbundenen Unternehmen der B-Gruppe - ein Unternehmen, das insbesondere Postzustellungsaufträge im Inland ausführte.

A beantragte beim Beklagten (BZSt), ihr eine Bescheinigung über die "Umsatzsteuerbefreiung in Bezug auf das Produkt Postzustellungsaufträge (PZA) gem. §§ 176 ff. ZPO " nach § 4 Nr. 11b UStG in der ab dem geltenden Fassung zu erteilen. Zur Begründung führte A aus, dass das Produkt "Postzustellungsauftrag" dem Post-Universaldienst zuzuordnen ist.

A hatte sich gem. § 4 Nr. 11b UStG über ihre Muttergesellschaft gegenüber dem BZSt verpflichtet, bundesweit flächendeckende förmliche Zustellungen von Schriftstücken auf der Grundlage der Prozessordnungen und der Gesetze, die die Verwaltungszustellung regeln, entsprechend der seitens der Bundesnetzagentur zu diesem Zweck erteilten Lizenzen im gesamten Bundesgebiet anzubieten.

Das BZSt lehnte den Antrag mit der Begründung ab, dass das Produkt "Postzustellungsauftrag" keine Post-Universaldienstleistung ist. Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab ().

Per Vorabentscheidungsersuchen hat der BFH dem EuGH die Fragen vorgelegt, ob es sich bei der förmlichen Zustellung von Schriftstücken nach den Vorschriften der Prozessordnungen und der Gesetze über die Verwaltungszustellung nach § 33 Abs. 1 des Postgesetzes um eine Post-Universaldienstleistung handelt und ob diese Leistung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. a MwStSystRL steuerfrei ist (; s. hierzu auch unsere Online-Nachricht v. 3.1.2018).

Der EuGH kam zu dem Ergebnis, dass Anbieter von Briefzustelldienstleistungen, die aufgrund ihrer nationalen Lizenz verpflichtet sind, förmliche Zustellungen von Schriftstücken von Gerichten oder Verwaltungsbehörden nach Vorschriften des nationalen Rechts durchzuführen, als "Universaldiensteanbieter" anzusehen sind, so dass solche förmlichen Zustellungen als von "öffentlichen Posteinrichtungen" erbrachte Dienstleistungen nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. a MwStSystRL von der Umsatzsteuer zu befreien sind (; s. hierzu auch unsere Online Nachricht v. 21.10.2019).

Der BFH hat das FG-Urteil aufgehoben:

  • Der Kläger hat Anspruch auf Erteilung der Bescheinigung nach § 4 Nr. 11b Satz 2 UStG. Bei den von A ausgeführten Postzustellungsaufträgen handelt es sich um Universaldienstleistungen.

  • Nach dem EuGH-Urteil, dem sich der BFH anschließt (s. ), hat sich A verpflichtet, mit der Ausführung von Postzustellungen derartige Universaldienstleistungen zu erbringen. Denn wie in der Vorentscheidung festgestellt, hat A sich gem. § 4 Nr. 11b Satz 2 UStG über ihre Muttergesellschaft gegenüber dem BZSt verpflichtet, flächendeckende förmliche Zustellungen von Schriftstücken auf der Grundlage der Prozessordnungen und der Gesetze, die die Verwaltungszustellung regeln, entsprechend der seitens der Bundesnetzagentur zu diesem Zweck erteilten Lizenzen im gesamten Bundesgebiet anzubieten.

  • Da die Vorentscheidung diesen Maßstäben nicht entspricht, ist sie aufzuheben.

  • Es besteht ein Anspruch auf Erteilung der Bescheinigung, denn weitere Voraussetzungen stellt § 4 Nr. 11b Satz 2 UStG nicht auf. Im Übrigen wäre die Versagung der Steuerbefreiung für Universaldienstleistungen aufgrund von Besonderheiten des nationalen Rechts ein Verstoß gegen das Unionsrecht (). Die Bescheinigung ist bei Vorliegen von Universaldienstleistungen daher zwingend zu erteilen.

Anmerkung von Dr. Hans-Hermann Heidner, Richter im V. Senat des BFH:

Das Urteil ist eines der beiden Folgeurteile des EuGH-Urteils Winterhoff u.a. vom - C 4/18 und C 5/18. Der BFH hatte im Parallelverfahren V R 36/19 (V R 30/15) in Folge des EuGH-Urteils Winterhoff u.a. entschieden, dass Anbieter förmlicher Zustellungen von Schriftstücken von Gerichten oder Verwaltungsbehörden nach Vorschriften des jeweiligen nationalen Rechts als 'Universaldiensteanbieter' i. S. von Art. 2 Nr. 13 und Art. 3 der Richtlinie 97/67/EG anzusehen sind, mit der Folge, dass solche förmlichen Zustellungen als von 'öffentlichen Posteinrichtungen' erbrachte Dienstleistungen nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. a MwStSystRL von der Umsatzsteuer zu befreien sind.

Im Verfahren V R 37/19 (V R 8/16) ging es nicht unmittelbar um die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 11b UStG in der ab geltenden Fassung bzw. nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. a MwStSystRL, sondern um die dem vorgelagerte Frage, ob der Kläger einen Anspruch auf Erteilung einer Bescheinigung nach § 4 Nr. 11b UStG hat. Der BFH hat entschieden, dass ein Anspruch auf Erteilung der Bescheinigung besteht, weil § 4 Nr. 11b Satz 2 UStG keine weiteren Voraussetzungen aufstellt. Im Übrigen wäre die Versagung der Steuerbefreiung für Universaldienstleistungen aufgrund von Besonderheiten des nationalen Rechts ein Verstoß gegen das Unionsrecht (). Die Bescheinigung nach § 4 Nr. 11b UStG ist bei Vorliegen von Universaldienstleistungen daher zwingend zu erteilen.

Quelle: ; NWB Datenbank (RD)

Fundstelle(n):
NWB NAAAH-49611