BVerfG Urteil v. - 1 BvR 1005/20

Ablehnung eines Eilantrags im Verfassungsbeschwerdeverfahren: Verbot einer Versammlung in Braunschweig – mangelnde Darlegungen zur Ausschöpfung fachgerichtlichen Eilrechtsschutzes

Gesetze: § 32 Abs 1 BVerfGG, § 90 Abs 2 S 1 BVerfGG, § 90 Abs 2 S 2 BVerfGG

Gründe

I.

1Der Antragsteller begehrt im Rahmen einer Verfassungsbeschwerde einstweiligen Rechtsschutz gegen das Verbot einer Versammlung, die heute, am von 13 Uhr bis 14:30 Uhr, stattfinden soll. Das Thema der Versammlung lautet: "Der 1. Mai bleibt unser Tag!". Der ursprünglich in Folge des Kooperationsgesprächs vorgesehene Versammlungsort befindet sich auf dem A… südlich des Brunnens in B… .

2Mit Verfügung vom bestätigte die Stadt B… den Eingang der Anzeige der Versammlung und ordnete entsprechend einem geführten Kooperationsgespräch insbesondere infektionsschutzrechtliche Auflagen an. Mit Bescheid vom , dem Beschwerdeführer am selben Tag um 23:53 Uhr per E-Mail übermittelt, untersagte die Stadt B… die Versammlung und hob gleichzeitig den Auflagenbescheid vom auf. Die sofortige Vollziehung wurde angeordnet. Hiergegen erhob der Beschwerdeführer in der Nacht zum Verfassungsbeschwerde und stellte Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 32 BVerfGG. Er führte u.a. aus, dass in der Nacht beim zuständigen Verwaltungsgericht niemand erreichbar gewesen sei und nicht erkennbar sei, dass dort ein Eildienst existiere. Deshalb sei es angezeigt, sich direkt an das Bundesverfassungsgericht zu wenden. Weiterer Vortrag des Beschwerdeführers erfolgte im Laufe des Vormittags des nicht.

II.

3Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat keinen Erfolg.

41. Nach § 32 Abs. 1 BVerfGG kann das Bundesverfassungsgericht im Streitfall einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist. Eine einstweilige Anordnung darf nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts allerdings dann nicht ergehen, wenn eine Verfassungsbeschwerde von vornherein unzulässig oder unbegründet wäre (BVerfGE 103, 41 <42>; 111, 147 <152 f.>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom - 1 BvQ 44/13). Dabei gilt auch in dem Verfassungsbeschwerdeverfahren vorgelagerten verfassungsgerichtlichen Eilrechtsschutzverfahren der Grundsatz der Subsidiarität (vgl. § 90 Abs. 2 BVerfGG). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung kommt daher nur in Betracht, wenn der Antragsteller bestehende Möglichkeiten, fachgerichtlichen Eilrechtsschutz zu erlangen, ausgeschöpft hat (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom - 1 BvR 943/17 -, Rn. 6; Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom - 1 BvQ 13/17 -, Rn. 2; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom - 1 BvQ 9/14 -, Rn. 2; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom - 2 BvQ 18/09 -, Rn. 2). Ein Antrag nach § 32 Abs. 1 BVerfGG ist zudem nur zulässig, wenn das Vorliegen der sich hieraus ergebenden Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung substantiiert dargelegt ist (BVerfG, Beschlüsse der 1. Kammer des Ersten Senats vom - 1 BvQ 30/06 - und vom - 1 BvQ 33/06; Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom - 1 BvQ 44/13). Maßgebend für die Beurteilung ist dabei der Verfahrensstand zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag auf einstweilige Anordnung (BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom - 1 BvQ 35/01; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom - 1 BvQ 4/10). Wegen der meist weittragenden Folgen, die eine einstweilige Anordnung in einem verfassungsgerichtlichen Verfahren auslöst, ist bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 32 Abs. 1 BVerfGG ein strenger Maßstab anzulegen (vgl. BVerfGE 131, 47 <55>; 132, 195 <232>; stRspr).

52. Ausgehend davon kommt der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht in Betracht.

6Der Beschwerdeführer hat nicht ausreichend dargelegt, dass er bestehende Möglichkeiten, fachgerichtlichen Eilrechtsschutz zu erlangen, ausgeschöpft hat. Dies ist auch angesichts der zur Verfügung stehenden Zeit zwischen Bekanntgabe des Verbotsbescheids und der geplanten Versammlung nicht untunlich. So fehlt es hier an der Darlegung, welche Bemühungen der Beschwerdeführer im Laufe des heutigen Vormittags unternommen hat, um beim Verwaltungsgericht Braunschweig Rechtsschutz im Eilverfahren zu erhalten. Der Beschwerdeführer trägt in seiner Verfassungsbeschwerde nur vor, in der Nacht vor Einlegung der Verfassungsbeschwerde (zwischen 23:53 Uhr und 3:24 Uhr) telefonisch niemanden erreicht zu haben und verweist auf das Internetangebot des Verwaltungsgerichts, das nicht explizit auf einen Eildienst hinweise. Er trägt jedoch nicht vor, ob und ggf. mit welchem Erfolg er dennoch im Laufe des einen Eilantrag zum Verwaltungsgericht gestellt hat. Zudem geht er nicht darauf ein, dass auch das Internetangebot des Verwaltungsgerichts eine Faxnummer für Rechtssachen (Klage- und Eilverfahren) enthält.

7Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerfG:2020:rk20200501.1bvr100520

Fundstelle(n):
QAAAH-47922