Online-Nachricht - Donnerstag, 09.04.2020

Einkommensteuer | Rückgängigmachung eines IAB trotz durchgeführter Investition wegen unterbliebener Hinzurechnung im Investitionsjahr (BFH)

Ein Investitionsabzugsbetrag (IAB) kann gemäß § 7g Abs. 3 Satz 1 EStG nachträglich im Jahr seines Abzugs rückgängig gemacht werden, wenn der Steuerpflichtige im späteren Jahr der Investition zwar den (innerbilanziellen) Abzug von 40 % der Anschaffungskosten vornimmt, es aber unterlassen hat, den in einem Vorjahr abgezogenen IAB außerbilanziell hinzuzurechnen, und das FA auf dieser Grundlage den - nicht mehr änderbaren - Steuerbescheid für das Jahr der Investition erlassen hat (; veröffentlicht am ).

Sachverhalt: Der Kläger erzielt als Heizungs- und Sanitärinstallateur Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Er ermittelt seinen Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich. In seiner Gewinnermittlung für das Streitjahr 2008 machte der Kläger einen außerbilanziellen IAB von 12.491 € geltend. Er benannte in den beim FA eingereichten Unterlagen weder die anzuschaffenden oder herzustellenden Wirtschaftsgüter noch gab er die Höhe der voraussichtlichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten an. Das FA veranlagte erklärungsgemäß und ohne den Bescheid unter einen Vorbehalt der Nachprüfung (VdN) zu stellen.

Im Jahr 2009 erwarb der Kläger u.a. einen PKW, ein Aquarium und einen Drucker. Er minderte die Anschaffungskosten dieser Wirtschaftsgüter innerbilanziell um jeweils 40 % (§ 7g Abs. 2 Satz 2 EStG 2008), was in der Summe dem im Jahr 2008 geltend gemachten IAB von 12.491 € entsprach. Die in § 7g Abs. 2 Satz 1 EStG 2008 vorgesehene außerbilanzielle Hinzurechnung des IAB unterblieb hingegen. Sowohl die innerbilanzielle Minderung als auch das Unterbleiben der außerbilanziellen Hinzurechnung war aus den beim FA eingereichten Unterlagen erkennbar. Das FA veranlagte den Kläger auch für 2009 erklärungsgemäß und ohne VdN.

Nachdem das FA den Fehler bemerkt hatte, erließ es am geänderte Bescheide über Einkommensteuer und den Gewerbesteuermessbetrag 2008, in denen es den Gewinn jeweils um 12.491 € erhöhte. Verfahrensrechtlich waren die Änderungsbescheide auf § 7g Abs. 3 Satz 2 EStG 2008 bzw. § 35b Abs. 1 GewStG gestützt. Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg ().

Der BFH wies die Revision des Klägers als unbegründet zurück:

  • Das FA durfte die Änderung des Einkommensteuerbescheids 2008 auf § 7g Abs. 3 Sätze 1 und 2 EStG 2008 stützen, weil der Wortlaut dieser Regelungen erfüllt ist.

    • Der Kläger hat für 2008 einen Abzug nach § 7g Abs. 1 EStG 2008 vorgenommen, den er aber nicht bis zum Ende des Jahres 2011 - dem dritten auf das Jahr des Abzugs folgenden Wirtschaftsjahr – gem. § 7g Abs. 2 EStG 2008 hinzugerechnet hat. Es ist auch ausgeschlossen, dass diese Hinzurechnung künftig noch vorgenommen werden wird, da die Einkommensteuerveranlagung für das Jahr der Investition (2009 nicht mehr geändert werden kann.

    • Weitere Voraussetzungen für eine Änderung der Veranlagung des Abzugsjahres sieht der Wortlaut der insoweit maßgebenden Vorschriften nicht vor.

  • Es sind keine Gesichtspunkte erkennbar, die im Streitfall für eine einschränkende Auslegung von § 7g Abs. 3 Sätze 1 und 2 EStG 2008 sprechen könnten.

    • Dies gilt zum einen unter dem Gesichtspunkt, dass der Investitionsabzug im Jahr 2008 möglicherweise schon von vornherein nicht hätte vorgenommen werden dürfen, weil der Kläger die begünstigten in den beim FA einzureichenden Unterlagen entgegen § 7g Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 EStG 2008 nicht ihrer Funktion nach benannt hatte. Der Senat hat bereits entschieden, dass die für das Jahr des Abzugs geltende spezielle Korrekturvorschrift des § 7g Abs. 3 Satz 2 EStG 2008 auch dann anwendbar ist, wenn bereits die Voraussetzungen für die Vornahme des Investitionsabzugs nicht vorgelegen hatten (, BFH/NV 2018, 527).

    • Darüber hinaus ist auch in der im Streitfall gegebenen Konstellation, dass zwar tatsächlich eine Investition vorgenommen worden ist, aber sowohl der Steuerpflichtige die in § 7g Abs. 2 Satz 1 EStG 2008 angeordnete Hinzurechnung unterlassen hat als auch das FA diesen Fehler im Rahmen der Veranlagungsarbeiten nicht bemerkt hat, eine einschränkende Auslegung gegen den Gesetzeswortlaut nicht vorzunehmen.

  • Die Festsetzungsfrist ist gewahrt.

    • In den Fällen des § 7g Abs. 3 EStG 2008 endet die Festsetzungsfrist für das Jahr der Vornahme des Investitionsabzugs nicht, bevor die Festsetzungsfrist für den Veranlagungszeitraum abgelaufen ist, in dem das dritte auf das Wirtschaftsjahr des Abzugs folgende Wirtschaftsjahr endet (§ 7g Abs. 3 Satz 3 Halbsatz 2 EStG 2008).

    • Zwar hat das FG keine Feststellungen dazu getroffen, wann der Kläger die Einkommensteuererklärung für den Veranlagungszeitraum 2011 (das dritte Jahr nach dem Abzugsjahr) eingereicht hat. Selbst wenn der Kläger diese Steuererklärung aber bereits zum frühestmöglichen Zeitpunkt - d.h. im Folgejahr 2012 - eingereicht haben sollte, hätte die vierjährige Festsetzungsfrist für die Einkommensteuer 2011 erst mit Ablauf des Jahres 2016 geendet. Der angefochtene geänderte Einkommensteuerbescheid 2008 vom ist daher noch innerhalb der - hier durch die Ablaufhemmung des § 7g Abs. 3 Satz 3 Halb-satz 2 EStG 2008 verlängerten - Festsetzungsfrist ergangen.

  • Die Änderung des Gewerbesteuermessbescheids konnte auf § 35b Abs. 1 GewStG gestützt werden.

    • Danach ist u.a. ein Gewerbesteuermessbescheid von Amts wegen zu ändern, wenn der Einkommensteuerbescheid geändert wird und die Änderung den Gewinn aus Gewerbebetrieb berührt. Dies ist hier angesichts der Änderung des Einkommensteuerbescheids 2008 der Fall.

    • Auch in Bezug auf den geänderten Gewerbesteuermessbescheid 2008 vom ist die Festsetzungsfrist gewahrt. § 35b Abs. 1 Satz 3 GewStG ordnet insoweit die sinngemäße Anwendung der Ablaufhemmung des § 171 Abs. 10 AO an. Die damit geltende Zwei-Jahres-Frist hat mit dem Erlass des geänderten Einkommensteuerbescheids 2008 am zu laufen begonnen und ist vom FA mit dem gleichzeitigen Erlass des geänderten Gewerbesteuermessbescheids offensichtlich gewahrt worden.

Anmerkung von Honorarprofessor Dr. Gregor Nöcker, Richter im X. Senat des BFH:

Ein eindeutiger Fall bei § 7g EStG 2008 (a.F. bis ) musste endlich einmal vom BFH entschieden werden:

Da nach § 7g Abs. 2 Satz 1 EStG 2008 im Jahr der Anschaffung oder Herstellung eine Hinzurechnung außerbilanziell in Höhe des Investitionsabzugsbetrags vorzunehmen war (Wahlrecht erst ab ), kann der IAB ansonsten im Jahr seiner Bildung rückgängig gemacht werden (§ 7g Abs. 3 Satz 1 EStG 2008). Dies ist einhellige Meinung der FG und der Literatur – jetzt vom BFH „gesiegelt“. Eine Einschränkung ist auch nicht im Fall einer tatsächlich durchgeführten Alternativ-Investition vorgesehen gewesen. Auf die fehlende Benennung der Funktion nach § 7g Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 EStG 2008 kam es nicht mehr an.

Diese nachträgliche Korrektur unterliegt einer eigenständigen Festsetzungsfrist nach § 7g Abs. 3 Satz 3 Halbsatz 2 EStG 2008 und führt auch zur Änderung des Gewerbesteuerbescheides nach § 35b Abs. 1 Satz 1 GewStG. Die Festsetzungsfrist unterliegt insoweit der Ablaufhemmung des § 171 Abs. 10 AO sinngemäß.

Quelle: ; NWB Datenbank (ImA)

Fundstelle(n):
NWB YAAAH-46298