BFH Urteil v. - XI R 23/18

Umsatzsteuerbesteuerung beim Betreiben von Geldspielautomaten mit Gewinnmöglichkeit ist mit Unionsrecht vereinbar

Leitsatz

1. NV: Umsätze aus dem Betrieb von Geldspielautomaten mit Gewinnmöglichkeit (Glücksspiel mit Geldeinsatz) sind umsatzsteuerbar.

2. NV: Ein Aufsteller von Geldspielautomaten kann sich für Umsätze ab dem nicht mehr auf die Steuerbefreiung des Art. 13 Teil B Buchst. f der Richtlinie 77/388/EWG oder des Art. 135 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL berufen (Bestätigung des Senatsurteils vom - XI R 79/07, BFHE 231, 373, BStBl II 2011, 311).

3. NV: § 6 SpielbkV ist in Bezug auf die Umsatzsteuer zum außer Kraft getreten.

4. NV: Bei Geldspielautomaten mit Gewinnmöglichkeit, die aufgrund zwingender gesetzlicher Vorschriften so eingestellt sind, dass ein bestimmter Prozentsatz der Spieleinsätze als Gewinn an die Spieler ausgezahlt wird, besteht die vom Betreiber für die Bereitstellung der Automaten tatsächlich erhaltene Gegenleistung nur in dem Teil der Einsätze, über den er effektiv selbst verfügen kann (Bestätigung des EuGH-Urteils Glawe vom  - C-38/93, EU:C:1994:188, BStBl II 1994, 548).

5. NV: Die Umsatzsteuer und eine innerstaatliche Sonderabgabe auf Glücksspiele dürfen kumulativ erhoben werden, sofern die Sonderabgabe nicht den Charakter einer Umsatzsteuer hat (Anschluss an das EuGH-Urteil Metropol Spielstätten vom  - C-440/12, EU:C:2013:687, HFR 2013, 1166).

6. NV: Ob es gegen das unionsrechtliche Beihilfeverbot verstößt, dass bei öffentlichen Spielbanken die Umsatzsteuer auf die Spielbankabgabe angerechnet wird, ist im Klageverfahren wegen Umsatzsteuer nicht entscheidungserheblich. Einer Aussetzung des Revisionsverfahrens bis zum Abschluss des Beihilfeverfahrens SA.44944 bedarf es daher nicht.

Gesetze: UStG § 1 Abs. 1 Nr. 1; UStG § 4 Nr. 9 Buchst. b; UStG § 10 Abs. 1; UStG § 16; Richtlinie 77/388/EWG Art. 2; Richtlinie 77/388/EWG Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. a; Richtlinie 77/388/EWG Art. 13 Teil B Buchst. f; MwStSystRL Art. 1 Abs. 2; MwStSystRL Art. 2 Abs. 1 Buchst. c; MwStSystRL Art. 73; MwStSystRL Art. 135 Abs. 1 Buchst. i; MwStSystRL Art. 137; AEUV Art. 107; AEUV Art. 267 Abs. 3

Instanzenzug: ,

Tatbestand

I.

1 Die Beteiligten streiten darüber, ob Umsätze aus dem Betrieb von Geldspielautomaten steuerbar und steuerpflichtig sind und ob eine Besteuerung der Umsätze gegen Unionsrecht verstößt.

2 Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH, ist Automatenaufstellerin. Sie erzielte im Jahr 2012 (Streitjahr) Umsätze aus dem Betrieb von Geldspielautomaten mit Gewinnmöglichkeit (in Höhe von 437.123 €). Ob ein Spieler, der an den Geldspielautomaten der Klägerin spielt, gewinnt oder verliert, ist vom Zufall abhängig.

3 In ihrer Umsatzsteuer-Jahreserklärung für das Streitjahr machte die Klägerin geltend, diese Umsätze seien umsatzsteuerfrei. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) unterwarf die Umsätze im Umsatzsteuerbescheid für das Streitjahr vom der Umsatzsteuer zum Regelsteuersatz (Bemessungsgrundlage 367.330 €, Umsatzsteuer 69.792,70 €). Gleichzeitig ließ das FA Vorsteuer in Höhe von 25.154,15 € zum Abzug zu. Der Einspruch blieb erfolglos (Einspruchsentscheidung vom ).

4 Das Finanzgericht (FG) Münster wies die Klage mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2018, 872 veröffentlichten Urteil vom  - 5 K 419/15 U ab. Durch den Betrieb von „Geldspielgeräten mit Gewinnmöglichkeit“ habe die Klägerin umsatzsteuerbare Leistungen gegenüber den Spielern erbracht, die nicht von der Umsatzsteuer befreit und damit umsatzsteuerpflichtig seien. Die Umsatzsteuerpflicht dieser Umsätze stehe auch im Einklang mit Unions- und Verfassungsrecht.

5 Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts. Sie bringt u.a. vor, ihre Umsätze seien bereits nicht steuerbar, jedenfalls aber steuerfrei. Außerdem sei es unzulässig, dass die Umsatzsteuer bei den öffentlichen Spielbanken auf die Spielbankabgabe angerechnet werde.

6 Die Klägerin beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Umsatzsteuerfestsetzung für das Jahr 2012 des FA vom in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom insoweit aufzuheben und abzuändern, als hierin bislang zu Unrecht nicht steuerbare bzw. steuerbefreite Umsätze der Klägerin in Höhe von 367.330 € aus der Aufstellung von Geldspielautomaten (auch: Geldspielgeräte mit Gewinnfunktion genannt) erfasst worden sind, mithin die Umsatzsteuer für das Streitjahr auf 0 € festzusetzen.

7 Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Gründe

II.

8 Die Revision ist unbegründet; sie ist daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der FinanzgerichtsordnungFGO—).

9 1. Das FG hat ohne Rechtsfehler dahin erkannt, dass die Umsätze der Klägerin aus dem Betrieb von Geldspielautomaten steuerbar und steuerpflichtig sind. Der Senat verweist insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen auf das zur amtlichen Veröffentlichung bestimmte Senatsurteil vom gleichen Tag XI R 13/18.

10 2. Ob es eine unionsrechtlich unzulässige Beihilfe darstellt, dass bei öffentlichen Spielbanken die Umsatzsteuer auf die Spielbankabgabe angerechnet wird, ist vorliegend nicht zu entscheiden (vgl. auch , BFH/NV 2017, 1336, Rz 13). Hier ist nur über die Rechtmäßigkeit des gegenüber der Klägerin ergangenen Umsatzsteuerbescheids zu befinden. Die etwaige Rechtswidrigkeit anderer Abgaben ist für die Rechtmäßigkeit der Erhebung der Umsatzsteuer rechtlich unerheblich (vgl. , BFHE 229, 429, BStBl II 2010, 883, Rz 17; Senatsbeschluss vom  - XI B 60/09, BFH/NV 2010, 58, Rz 21 und 22).

11 3. Eine erneute Vorlage von Rechtsfragen zur Umsatzbesteuerung von Glücksspielen an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH), die die Klägerin angeregt hat, ist nicht erforderlich. Denn durch die Rechtsprechung des EuGH ist bereits geklärt, dass die betreffenden Umsätze steuerbar sind. Ebenso ist geklärt, dass § 4 Nr. 9 Buchst. b des Umsatzsteuergesetzes i.d.F. seit dem mit Unionsrecht vereinbar ist, obwohl der Mitgliedstaat Bundesrepublik Deutschland die Umsatzsteuer auf die Spielbankabgabe der öffentlichen Spielbanken anrechnet. Die Bemessungsgrundlage der Umsätze ist durch die Rechtsprechung des EuGH ebenso geklärt. Der Senat verweist zur Vermeidung von Wiederholungen insoweit ebenfalls auf das zur amtlichen Veröffentlichung bestimmte Senatsurteil vom gleichen Tag XI R 13/18.

12 4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BFH:2019:U.111219.XIR23.18.0

Fundstelle(n):
BFH/NV 2020 S. 615 Nr. 7
NAAAH-46267