Online-Nachricht - Donnerstag, 05.03.2020

Verfahrensrecht | Zur Nichtigkeit von Umsatzsteuerbescheiden (BFH)

Ein Umsatzsteuerbescheid ist nichtig, wenn aus ihm nicht klar ersichtlich wird, ob der Inhaltsadressat (Steuerschuldner) eine GmbH oder deren Geschäftsführer bzw. Liquidator ist. Der Inhaltsadressat (Steuerschuldner) muss nicht ausdrücklich als solcher bezeichnet werden; ausreichend ist vielmehr, dass er sich nach dem objektiven Erklärungsgehalt des Bescheids aus Sicht des Empfängers im Wege der Auslegung zweifelsfrei bestimmen lässt (; veröffentlicht am ).

Sachverhalt: Klägerin ist eine Kapitalgesellschaft in der Rechtsform einer GmbH. Alleiniger Geschäftsführer war M. Seit 2013 befindet sich die Klägerin in Liquidation (i.L.). Zum Liquidator wurde der frühere Geschäftsführer M bestellt. Mit Genehmigung des FA versteuert die Klägerin ihre Umsätze nach vereinnahmten Entgelten (Istbesteuerung).

Nach einer Außenprüfung ging das FA zunächst von einer Sollbesteuerung aus. Auf zwei Einsprüche der Klägerin wurden die entsprechenden Bescheide jedoch wieder geändert:

Die vor der Liquidation ergangenen Änderungsbescheide vom (2006 bis 2009) und vom (2010) waren jeweils gerichtet an: "Herrn M in Firma C-GmbH…". Unterhalb des Adressfeldes enthielten die Bescheide jeweils folgenden Zusatz: "als gesetzlicher Vertreter von Firma C-GmbH…".

Die während der Liquidation der Klägerin ergangenen Bescheide vom (2006 bis 2009) und vom (2010) sind gerichtet an: "Herrn M in Fa. C-GmbH i.L. …" Unterhalb des Adressfeldes enthielten die Bescheide jeweils folgenden Zusatz: "Als Liquidator für Fa. C-GmbH i.L. …"

Die Klägerin legte auch gegen die geänderten Umsatzsteuerbescheide Einsprüche ein, die das FA als unbegründet zurückwies. Hierauf erhob die Klägerin beim FG Klage. Das FG entschied, dass die angegriffenen Bescheide nichtig seien, weil sie nicht eindeutig erkennen ließen, wer der Inhaltsadressat und damit der Steuerschuldner sei ().

Der BFH hob die Entscheidung des FG auf und verwies die Sache zurück:

  • Ein Verwaltungsakt ist nach § 125 Abs. 1 AO nichtig, wenn er an einem besonders schweren Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig ist. Diese Voraussetzungen sind erfüllt, wenn der Verwaltungsakt inhaltlich nicht so bestimmt ist (§ 119 Abs. 1 AO), dass ihm hinreichend sicher entnommen werden kann, was von wem verlangt wird (, unter II.1.).

  • Nach ständiger Rechtsprechung muss der Steuerschuldner in dem Bescheid nicht ausdrücklich als solcher bezeichnet werden. Ausreichend ist vielmehr, wenn er sich nach dem objektiven Erklärungsgehalt des Bescheids aus der Sicht des Empfängers im Wege der Auslegung zweifelsfrei bestimmen lässt (, unter II.1.b bb (1)).

  • Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze war für Herrn M ohne weiteres erkennbar, dass er die streitgegenständlichen Umsatzsteuerbescheide zunächst in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer und später als Liquidator der Klägerin erhalten hat und sie ihn nicht als Steuerschuldner betreffen. Dies ergibt sich eindeutig aus den angefochtenen Steuerbescheiden selbst sowie den konkreten Gegebenheiten bei ihrem Erlass:

    • Die streitgegenständlichen Umsatzsteuerbescheide bezeichnen im Adressfeld zwar Herrn M als natürliche Person. Dass er nicht selbst der Steuerschuldner ist, ergibt sich aber bereits aus dem Zusatz "in Fa. C-GmbH" bzw. "in Fa. C-GmbH i.L.". Denn hieraus folgt, dass ihm die Bescheide lediglich in der (Umsatzsteuer )Sache der Firma C-GmbH bekannt gegeben werden. Bestätigt wird dies durch den unterhalb des Adressfeldes ersichtlichen Zusatz "als gesetzlicher Vertreter" bzw. "als Liquidator". Dieser Zusatz bezeichnet die Vertretungsfunktion des Herrn M als Geschäftsführer bzw. später als Liquidator der Klägerin (C-GmbH).

    • Hinzu kommt, dass die bei der Auslegung zu berücksichtigenden Erläuterungen in den Steuerbescheiden die Klägerin als betroffene Steuerschuldnerin anführen.

Anmerkung von Dr. Hans-Hermann Heidner, Richter im V. Senat des BFH:

Das Besprechungsurteil betrifft eigentlich einen Wald- und Wiesenfall. Der V. Senat gibt die ständige Rechtsprechung wieder, wonach ein Steuerbescheid nichtig ist, wenn aus ihm der Inhaltsadressat (Steuerschuldner) nicht klar erkennbar ist. Nach ständiger Rechtsprechung muss der Steuerschuldner in dem Bescheid aber nicht ausdrücklich als solcher bezeichnet werden. Ausreichend ist vielmehr, wenn er sich nach dem objektiven Erklärungsgehalt des Bescheids aus der Sicht des Empfängers im Wege der Auslegung zweifelsfrei bestimmen lässt, wobei neben den dem Bescheid beigefügten Erklärungen auch die dem Betroffenen bekannten Umstände sowie zeitlich vorhergehende Bescheide heranzuziehen sind.

Nun war vorliegend nicht nur nach den Begleitumständen, sondern aus den Bescheiden selbst völlig eindeutig, dass M die streitgegenständlichen Umsatzsteuerbescheide zunächst in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer und später als Liquidator der Klägerin erhalten hatte. Wie das FG angesichts dieser Sachlage zur Nichtigkeit der Bescheide kommen konnte, ist nicht nachzuvollziehen.

Quelle: ; NWB Datenbank (ImA)

Fundstelle(n):
NWB YAAAH-43787