Online-Nachricht - Donnerstag, 20.02.2020

Verfahrensrecht | Aufrechnung des FA mit Erstattungsansprüchen bei nicht erkannter Organschaft im Insolvenzverfahren (BFH)

Der Rechtsgrund für eine Erstattung von Umsatzsteuer wird auch dann im insolvenzrechtlichen Sinne bereits mit der Leistung der entsprechenden Vorauszahlungen gelegt, wenn diese im Fall einer nicht erkannten Organschaft zunächst gegen die Organgesellschaft festgesetzt und von dieser auch entrichtet worden sind (; veröffentlicht am ).

Hintergrund: Aufrechnungsverbot nach § 96 InsO

Nach § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO ist die Aufrechnung unzulässig, wenn ein Insolvenzgläubiger erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens etwas zur Insolvenzmasse schuldig geworden ist.

Eine Aufrechnung ist nach § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO unzulässig, wenn ein Insolvenzgläubiger die Möglichkeit der Aufrechnung durch eine anfechtbare Rechtshandlung erlangt hat.

Sachverhalt: Über das Vermögen der AB-GmbH (GmbH) wurde das Insolvenzverfahren eröffnet. Zum Insolvenzverwalter der Kläger, bestellt.

Das FA meldete am Forderungen wegen Umsatzsteuer-Vorauszahlung 9/2011 und wegen Umsatzsteuer für 2011 zur Insolvenztabelle an. Der Kläger bestritt diese Forderungen, weil zwischen der GmbH und dem Einzelunternehmen A eine unerkannte Organschaft, mit der GmbH als Organgesellschaft bestand. Das FA erließ für die GmbH Feststellungsbescheide, wegen Umsatzsteuer-Vorauszahlung für 9/2011 und wegen Umsatzsteuer für 2011.

Das FA P bestätigte das Bestehen der umsatzsteuerlichen Organschaft und nahm zu Lasten der GmbH eine Haftungsberechnung für die vom Organträger geschuldeten Umsatzsteuern vor und meldete diesen Betrag zur Tabelle an. Das FA widerrief die Feststellungsbescheide und verrechnete durch Umbuchungsmitteilung die von der GmbH für 2011 bereits gezahlte Umsatzsteuer mit der vom FA P angemeldeten Haftungsschuld.

Der Kläger widersprach der Verrechnung und beantragte die Erteilung eines Abrechnungsbescheids. Mit Abrechnungsbescheid bestätigte das FA die vorgenommene Verrechnung. Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg ().

Der BFH wies die Revision als unbegründet zurück:

  • Der angefochtene Abrechnungsbescheid ist rechtmäßig.

  • Der von dem Kläger als Insolvenzverwalter über das Vermögen der GmbH geltend gemachte Erstattungsanspruch ist nach § 47 AO erloschen, da das FA gegen diesen Anspruch nach § 226 Abs. 1 AO i.V.m. §§ 387 ff. BGB wirksam aufgerechnet hat.

  • Die Aufrechnung war nicht nach § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO unzulässig. Entscheidend dafür war, dass der Tatbestand, der die betreffenden Ansprüche begründete, bereits vor Insolvenzeröffnung vollständig verwirklicht war. Der Erstattungsanspruch entstand bereits mit Zahlung der Vorauszahlungen (vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens), da diese von vornherein ohne materiellen Rechtsgrund geleistet wurden.

  • Die Aufrechnung ist auch nicht nach § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO unzulässig gewesen. Insbesondere hat der Kläger nicht nachgewiesen welche Zahlungen der GmbH wann geleistet wurden. Die Beweislast traf dabei den Kläger als Insolvenzverwalter.

Quelle: ; NWB Datenbank (ImA)

Fundstelle(n):
NWB DAAAH-42582