BGH Beschluss v. - VII ZR 204/17

Gehörsverletzung bei Ablehnung der von einer Partei beantragten mündlichen Anhörung eines Sachverständigen

Gesetze: Art 103 GG, § 397 ZPO, § 402 ZPO, § 411 Abs 3 ZPO

Instanzenzug: OLG Celle Az: 6 U 54/16 Urteilvorgehend Az: 9 O 38/15 Urteil

Gründe

I.

1Die Klägerin verlangt restlichen Werklohn für Bauarbeiten.

2Am schlossen die Parteien einen Bauvertrag betreffend die Rohbauarbeiten am Bauvorhaben Nahversorgungszentrum T.           4A in H.      .

3Laut Protokoll vom lehnte der Beklagte die Abnahme des Werks wegen gravierender Mängel ab.

4Mit Schlussrechnung vom berechnete die Klägerin 743.673,46 € netto und verlangte unter Berücksichtigung der Abschlagszahlungen und der Schlusszahlung noch 364.454,63 €.

5Die Klägerin hat diesen Betrag nebst Zinsen geltend gemacht. Sie hat gemeint, der Beklagte habe ihr Werk abgenommen, indem er inzwischen das fertiggestellte Objekt in Betrieb genommen habe.

6Der Beklagte hat Abweisung der Klage erstrebt. Er hat unter anderem verschiedene Mängel vorgetragen und gemeint, das Werk der Klägerin sei weder abgenommen noch abnahmereif.

7Das Landgericht hat die Klage nach Beweisaufnahme als derzeit unbegründet abgewiesen.

8Gegen dieses Urteil hat sich die Klägerin mit der Berufung gewandt, mit welcher sie hauptsächlich begehrt hat, den Klaganspruch dem Grunde nach für begründet zu erklären, und hilfsweise Abschlagszahlung verlangt hat.

9Bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz hat die Klägerin an offenen Stoßfugen der fehlenden Verankerung der Verblendmauerschale und an Rissen im Mauerwerk weitergearbeitet und behauptet, sie habe insoweit vollständig nacherfüllt.

10Das Berufungsgericht hat beschlossen, Beweis zu erheben, ob die Verankerung des Verblendmauerwerks sowie die Stürze und Wände wegen Rissen aus technischer Sicht so wesentlich mangelhaft sind, dass das Werk der Klägerin noch immer nicht als abnahmereif anzusehen ist. Architekt Dipl.-Ing. G.     hat als vom Berufungsgericht hinzugezogener Sachverständiger am einen Ortstermin durchgeführt. Das Berufungsgericht hat durch Beschluss vom seinen Beweisbeschluss geändert und dem Sachverständigen die Frage gestellt, ob das Werk der Klägerin nach den von ihm insbesondere in dem Ortstermin gewonnenen Erkenntnissen aus technischer Sicht abnahmereif sei oder nicht. Der Sachverständige hat daraufhin sein Gutachten vom erstattet. Auf Antrag der Klägerin hat das Berufungsgericht die Ladung des Sachverständigen zum Verhandlungstermin am angeordnet. Mit Verfügung des Vorsitzenden vom hat es sodann den Sachverständigen wieder abgeladen mit dem terminsvorbereitenden Hinweis, dass es auf die von den Parteien angekündigten Fragen oder Vorhalte aus Sicht des Berufungsgerichts für die Entscheidung des Rechtsstreits nicht ankomme.

11Das Berufungsgericht hat mit dem angefochtenen Urteil vom - 6 U 54/16, veröffentlicht in BauR 2018, 267, die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.

12Die Revision hat das Berufungsgericht nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Klägerin, die nach Zulassung der Revision ihre vorinstanzlichen Anträge weiterverfolgen möchte.

II.

13Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision führt gemäß § 544 Abs. 7 ZPO zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

14Das Berufungsgericht hat, wie die Beschwerde zu Recht rügt, den Anspruch der Klägerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs aus Art. 103 Abs. 1 GG in entscheidungserheblicher Weise verletzt, indem es dem in der Berufungsinstanz gestellten Antrag der Klägerin auf mündliche Anhörung des Sachverständigen Dipl.-Ing. G.     zur Erläuterung seines Gutachtens vom nicht entsprochen hat.

151. Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Die Vorschrift verlangt auch die Berücksichtigung erheblicher Beweisanträge. Dazu gehört der Antrag einer Partei auf mündliche Anhörung des gerichtlichen Sachverständigen. Denn dieses Recht ist den Parteien nicht nur einfach-rechtlich nach §§ 397, 402 ZPO gewährt, sondern Teil ihres Grundrechts auf Gewährung rechtlichen Gehörs. Die Nichtberücksichtigung eines solchen Beweisangebots verstößt gegen Art. 103 Abs. 1 GG, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze findet (st. Rspr.; vgl. nur Rn. 5 m.w.N., DWW 2017, 230 sowie Beschluss vom - VII ZR 303/16 Rn. 7, BauR 2019, 1011).

162. So liegt es hier. Das Berufungsgericht hat den Sachverständigen Dipl.-Ing. G.     nicht zur Erläuterung des im Auftrag des Berufungsgerichts erstellten Gutachtens vom mündlich angehört, obwohl die Klägerin das beantragt hatte.

17Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kommt es für die Frage, ob die Ladung eines Sachverständigen zur mündlichen Erläuterung des von ihm erstatteten Gutachtens geboten ist, nicht darauf an, ob das Gericht noch Erläuterungsbedarf sieht oder ob zu erwarten ist, dass der Gutachter seine Auffassung ändert. Weiter ist unerheblich, ob das schriftliche Gutachten Mängel aufweist. Die Parteien haben zur Gewährleistung des rechtlichen Gehörs nach §§ 397, 402 ZPO einen Anspruch darauf, dass sie dem Sachverständigen die Fragen, die sie zur Aufklärung der Sache für wesentlich erachten, in einer mündlichen Anhörung stellen können. Dieses Antragsrecht der Parteien besteht unabhängig von § 411 Abs. 3 ZPO (vgl. Rn. 8 m.w.N., NJW-RR 2015, 510; Beschluss vom - VII ZR 303/16 Rn. 9, BauR 2019, 1011). Beschränkungen des Antragsrechts können sich allenfalls aus den Gesichtspunkten des Rechtsmissbrauchs oder der Prozessverschleppung ergeben (vgl. Rn. 9 m.w.N., ZfBR 2011, 247). Es ist nichts dafür ersichtlich, dass ein derartiger Ausnahmefall hier in Betracht käme.

183. Auf diesem Verfahrensverstoß beruht das angefochtene Urteil des Berufungsgerichts auch. Das Berufungsgericht stützt die Zurückweisung der Berufung der Klägerin auch auf das schriftliche Sachverständigengutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. G.     vom . Es ist nicht auszuschließen, dass es nach einer Anhörung des Sachverständigen zu einem für die Klägerin günstigeren Ergebnis gekommen wäre.

III.

19Die Zurückverweisung gibt dem Berufungsgericht die Gelegenheit, sich gegebenenfalls auch mit den weiteren Einwänden der Beschwerde gegen die Behandlung des Hilfsantrags auseinanderzusetzen. Der Senat weist vorsorglich darauf hin, dass die hilfsweise Geltendmachung eines Abschlagszahlungsantrags auch dann in Betracht kommt, wenn das Entstehen der Abschlagszahlungsansprüche nicht außer Streit ist. Gegenteiliges kann dem , BauR 2000, 1482 = NZBau 2000, 507 entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht entnommen werden. Vielmehr hat der Bundesgerichtshof in dem genannten Urteil ausgeführt, lägen keine Teilabnahmen vor, werde die dortige Klägerin ihr Hilfsbegehren auf Abschlagszahlung näher darzulegen haben (, BauR 2000, 1482 = NZBau 2000, 507, juris Rn. 20).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2019:201119BVIIZR204.17.0

Fundstelle(n):
NJW 2020 S. 1141 Nr. 16
XAAAH-41158