Online-Nachricht - Montag, 27.01.2020

Verfahrensrecht | Offenbare Unrichtigkeit bei falschen Eintragungen in der Steuererklärung (FG)

Hat der Steuerpflichtige im amtlichen Einkommensteuervordruck der Anlage N 2012 und der Anlage N 2013 die Verpflegungsmehraufwendungen falsch eingetragen, wodurch die Minderung der Werbungskosten um die ebenfalls falsch eingetragenen steuerfreien Arbeitgeberleistungen unterblieb, so spricht der Umstand, dass der Fehler vom Finanzamt trotz Prüfhinweis zunächst unbemerkt blieb und auch nicht sofort und eindeutig lokalisiert werden konnte, nicht gegen das Vorliegen einer offenbaren Unrichtigkeit (, rkr.).

Hintergrund: Die Finanzbehörde kann Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsakts unterlaufen sind, jederzeit berichtigen, § 129 Satz 1 AO.

Sachverhalt: Der Kläger hatte in den Streitjahren 2012 und 2013 unter anderem nichtselbständige Einkünfte als Busfahrer. Hierfür machte er durch Auswärtstätigkeiten entstandene Verpflegungsmehraufwendungen als Werbungskosten geltend. Vom Arbeitgeber hatte er steuerfreie Verpflegungszuschüsse erhalten, die dem beklagten Finanzamt (FA) vom Arbeitgeber in elektronischer Form mitgeteilt worden waren.

Der Bevollmächtigte des Klägers übermittelte die Erklärungen zur Einkommensteuer in elektronischer und ausgedruckter Form. Die Verpflegungsmehraufwendungen erklärte er aber nicht in den dafür vorgesehenen Zeilen 52 bis 55 der Anlagen N, sondern fügte seinen Erklärungen gesondert erstellte Übersichten bei. Die darin errechneten Gesamtsummen der Verpflegungsmehraufwendungen trug er ebenfalls nicht in die dafür vorgesehene Zeile 55 (Kennziffer 480), sondern in die für "Fahrt und Übernachtungskosten, Reisenebenkosten …" vorgesehene Zeile 50 (Kennziffer 410) ein. Die vom Arbeitgeber steuerfrei ersetzten Beträge trug er nicht in die Zeile 51 (Kennziffer 420), sondern in Zeile 56 (Kennziffer 490) ein. Die nicht verwendeten Zeilen 51 bis 55 samt Kennziffern 420 und 480 wurden vom damaligen Programm unterdrückt.

Der Sachbearbeiter des FA hakte in beiden Streitjahren die in den Kennziffern 490 eingetragenen steuerfreien Verpflegungszuschüsse ab. Die Verwendung der falschen Kennziffer für die geltend gemachten Werbungskosten bemerkte der Sachbearbeiter trotz eines programmtechnischen Prüfhinweises nicht. In den ESt-Bescheiden 2012 und 2013 wurden deshalb die Verpflegungsmehraufwendungen zunächst in voller Höhe - ohne Minderung um die steuerfrei ersetzten Beträge - als Werbungskosten berücksichtigt.

Aufgrund von Mitteilungen über gesondert festgestellte Einkünfte des Klägers änderte das FA die Einkommensteuer 2012 und 2013 zulasten des Klägers ab.

Die Klage gegen die nach § 129 AO geänderten Bescheide wies das FG ab:

  • Nach ständiger Rechtsprechung könnten insbesondere Fehler bei Eintragungen in Eingabewertbögen für die automatische Datenverarbeitung oder bei unmittelbaren Eingaben in Computerprogramme offenbare Unrichtigkeiten sein, etwa bei Irrtümern über den Ablauf des maschinellen Verfahrens, bei Verwendung falscher Schlüsselzahlen oder beim Übersehen notwendiger Eintragungen.

  • Das ist hier der Fall. Der Kläger hat die Verpflegungsmehraufwendungen statt in die im amtlichen Formular dafür vorgesehene Kennziffer 480 falsch in die Kennziffer 410 eingetragen.

  • Der Fehler ist offenbar, weil die Werbungskosten einerseits auf dem jeweiligen Beiblatt ausdrücklich als Verpflegungsmehraufwendungen bezeichnet waren und andererseits angesichts der Überschrift vor Zeile 52 "Pauschbeträge für Mehraufwendungen für Verpflegung" kein Zweifel daran bestehen kann, dass sie deshalb in den nachfolgenden Zeilen einzutragen waren.

  • Die Zeile 50 samt Kennziffer 410 ist ausdrücklich nur für "Fahrt- und Übernachtungskosten" sowie "Reisenebenkosten" vorgesehen gewesen. Was auch immer den steuerlich beratenen Kläger dazu bewogen hat, die Verpflegungsmehraufwendungen nicht in dem Feld für Verpflegungsmehraufwendungen einzutragen, ist unklar.

  • Rechtliche oder sachverhaltsbezogene Überlegungen sind es jedenfalls nicht gewesen. Nur solche rechtlichen oder tatsächlichen Überlegungen können einer Berichtigung nach § 129 Satz 1 AO entgegenstehen. Im Übrigen hat der Kläger eingeräumt, dass "der Aufwand … nicht richtig erfasst" worden ist.

  • Selbst wenn kein mechanischer Fehler des Klägers vorliegen sollte, liegt jedenfalls ein mechanisches Versehen des FA vor. Die Finanzbehörde hat die fehlerhaften Eintragungen als eigene übernommen.

  • Der Umstand, dass der Fehler vom FA zunächst unbemerkt blieb und nach Erhebung des Einspruchs auch nicht sofort und eindeutig lokalisiert werden konnte, spricht nicht gegen das Vorliegen einer offenbaren Unrichtigkeit.

  • Entscheidend ist, dass nach Aktenlage für jeden unvoreingenommen Dritten klar gewesen ist, dass der Sachbearbeiter die Arbeitgeberzuschüsse berücksichtigen wollte, dies in den Bescheiden aber nicht umgesetzt wurde.

  • Etwas anderes ergibt sich auch nicht aufgrund der ergangenen Prüfhinweise. Das Übersehen eines Prüfhinweises oder eine besonders oberflächliche Behandlung des Steuerfalls durch die Behörde schließt unabhängig von Verschuldenserwägungen eine Berichtigung des Steuerbescheids nicht aus, solange die diesbezügliche Überprüfung nicht zu einer neuen Willensbildung des zuständigen Veranlagungsbeamten im Tatsachen- oder Rechtsbereich geführt hat.

  • Bleibt ein Prüfhinweis unbeachtet, perpetuiere sich lediglich der Eingabefehler des Sachbearbeiters. Eine neue Willensbildung des Sachbearbeiters im Tatsachen- oder Rechtsbereich ist vorliegend nicht ersichtlich.

Quelle: FG Baden-Württemberg, Newsletter 1/2020 (il)

Fundstelle(n):
NWB GAAAH-40692