Online-Nachricht - Donnerstag, 23.01.2020

Umsatzsteuer | Vorsteuerabzug aus Rechtsanwaltskosten zur Prüfung von Haftungsansprüchen in der Insolvenz (BFH)

Im Rahmen der Abwicklung des insolventen Unternehmens anfallende Kosten zur Prüfung der Frage, ob ein Anspruch nach § 172 Abs. 4 Satz 1 HGB besteht, gehören grundsätzlich zu den Allgemeinkosten der früheren unternehmerischen Tätigkeit. Das Recht auf Vorsteuerabzug steht der Insolvenzmasse (nur) dann zu, wenn der Insolvenzverwalter die Masse wirksam verpflichtet hat (; veröffentlicht am ).

Sachverhalt: Über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin wurde das Insolvenzverfahren eröffnet. Gegenstand ihres Unternehmens war die Errichtung und der Betrieb eines Einkaufszentrums.

Im Insolvenzverfahren ließ der Insolvenzverwalter (A) durch von ihm beauftragte Rechtsanwälte prüfen, ob Zahlungen an die Kommanditisten der Insolvenzschuldnerin zurückzufordern seien, soweit hierdurch nicht nur Gewinne, sondern auch bereits geleistete Einlagen ausgeschüttet wurden, was zu negativen Einlagekonten geführt hätte. Die hieraus resultierende persönliche Haftung der Kommanditisten für die Verbindlichkeiten der Insolvenzschuldnerin machte A nach § 171 Abs. 2 HGB i.V.m. § 93 InsO gerichtlich gegen die Kommanditisten geltend. Für die Umsatzsteuer aus den Anwaltsrechnungen begehrte A im Jahr 2012 Vorsteuerabzug.

Das FA war der Auffassung, dass der Vorsteuerabzug aus den Rechtsanwaltskosten zu versagen sei, da diese durch das Verhalten der Insolvenzschuldnerin gegenüber den Kommanditisten ausgelöst worden seien, den persönlichen Interessen der Gesellschafter und nicht der Kapitalbeschaffung für eine weitere unternehmerische Tätigkeit dienten und damit ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang mit einzelnen steuerpflichtigen Leistungen der Insolvenzschuldnerin fehle.

Einspruch und Klage blieben erfolglos ().

Der BFH hat die Entscheidung des FG aufgehoben und die Sache zurückverwiesen:

  • Soweit A Leistungsempfänger der Beratungsleistungen war, ist die Vorsteuer aus den Rechtsanwaltskosten im Zusammenhang mit der Einforderung von Haftungsansprüchen gegen die Kommanditisten der Insolvenzschuldnerin abzugsfähig. Dazu, ob A als Partei kraft Amtes für die Masse oder ob er persönlich Empfänger der Beratungsleistungen war, hat das FG keine Feststellungen getroffen.

  • Grundsätzlich ist der Vorsteuerabzug nur möglich, wenn ein Zusammenhang zwischen dem Eingangsumsatz (Ausgabe) und dem (grds. steuerpflichtigen) Ausgangsumsatz besteht.

  • Aufgrund des Neutralitätsprinzips der Umsatzsteuer darf jedoch nicht willkürlich zwischen Ausgaben für die Zwecke eines Unternehmens vor der tatsächlichen Aufnahme seiner Tätigkeit sowie während dieser Tätigkeit und Ausgaben zum Zweck der Beendigung dieser Tätigkeit unterschieden werden.

  • Somit sind auch nach Beendigung der unternehmerischen Tätigkeit als solcher Vorsteuerbeträge abziehbar, sofern Leistungen bezogen werden, die zwar in einem unmittelbaren Kosten- und Veranlassungszusammenhang mit einem nicht steuerbaren Vorgang stehen, jedoch gleichzeitig allgemeine Aufwendungen der gesamten (abgewickelten) geschäftlichen Tätigkeit darstellen (vgl. z.B. , Rz 35; , Rz 39; , Rz 29).

  • Die Leistungen der Rechtsanwälte müssen folglich für das Unternehmen bezogen worden sein, um den Vorsteuerabzug zu ermöglichen.

  • Die Leistungen der Rechtsanwälte sind dann "für das Unternehmen" bezogen, wenn sie durch die unternehmerische Tätigkeit entweder durch ganz bestimmte Ausgangsumsätze oder als allgemeine Kosten der wirtschaftlichen Gesamttätigkeit veranlasst sind.

  • Prozess- bzw. Rechtsanwaltskosten teilen grundsätzlich das Schicksal der Aufwendungen, die Gegenstand des Prozesses waren, so dass es darauf ankommt, ob diese in den betrieblichen Bereich fallen oder nicht.

  • Vorliegend gehören die streitgegenständlichen Ausgaben für die Beauftragung der Rechtsanwälte im Rahmen der Abwicklung des Unternehmens der Insolvenzschuldnerin zu den Allgemeinkosten der früheren unternehmerischen Tätigkeit.

  • Denn sie dienen ausschließlich der Befriedigung von im unternehmerischen Bereich entstandenen Forderungen. Insbesondere wurden die von A beauftragten Rechtsanwälte nicht im Interesse der Gesellschafter, z.B. zur Herstellung eines "Innenausgleichs" zwischen den Kommanditisten, tätig.

  • Allerdings hat das FG keine Feststellungen dazu getroffen, ob Empfänger der Rechtsanwaltsleistungen A als Partei kraft Amtes war, oder ob A diese Leistungen selbst bezogen hat. Dies ist aber für die Frage nach dem Leistungsempfänger entscheidend, so dass die Sache an das FG zurückverwiesen wird.

Anmerkung von Prof. Dr. Alois Nacke, Richter am BFH:

Die Entscheidung des BFH ist für alle Insolvenzverwalter von Interesse. Danach sind auch Umsatzsteuerbeträge bzgl. Eingangsleistungen, die der Beendigung eines Unternehmens dienen, als Vorsteuern bei der Masse abzugsfähig. Voraussetzung ist nach der Entscheidung des XI. Senats, dass die Leistungen "für ein Unternehmen" bezogen wurden. Dies ist der Fall, wenn sie durch die unternehmerische Tätigkeit entweder durch ganz bestimmte Ausgangsumsätze oder als allgemeine Kosten der wirtschaftlichen Gesamttätigkeit veranlasst sind.

Die im Streitfall aufgewendeten Prozesskosten für Ansprüche gegen die Kommanditisten der Insolvenzschuldnerin sind für Kosten des unternehmerischen Bereichs aufgewandt, denn sie gehören als Kosten aufgrund gesellschaftsrechtlicher Auseinandersetzung regelmäßig dazu. Nur wenn die Aufwendungen die persönlichen Verhältnisse des Gesellschafters betreffen, dienen sie nicht dem Unternehmen. Im Besprechungsfall dienten sie aber der Vermehrung der Insolvenzmasse und somit dem Unternehmen.

Damit sind Aufwendungen, die der Insolvenzverwalter tätigt (z.B. Beraterkosten, Gutachterkosten) immer auch dann für das Unternehmen erbracht, wenn sie dazu bestimmt sind, die Insolvenzmasse zu erhöhen. Dies gilt auch dann, wenn indirekt auch andere Kommanditisten davon profitieren.

Quelle: ; NWB Datenbank (ImA)

Fundstelle(n):
NWB FAAAH-40568