BGH Beschluss v. - 5 StR 394/19

Untreue in Tateinheit mit Beihilfe zum Betrug durch einen Rechtsanwalt

Gesetze: § 27 Abs 1 StGB, § 263 StGB, § 266 Abs 1 StGB

Instanzenzug: Az: 6 KLs 1/18nachgehend Az: 5 StR 508/20 Beschluss

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Untreue in Tateinheit mit Beihilfe zum Betrug zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt, die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung ausgesetzt, einen Vollstreckungsabschlag wegen rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung von zwei Monaten gewährt und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Die Revision des Angeklagten führt mit der Sachrüge zur Aufhebung des Urteils.

I.

21. Nach den Feststellungen des Landgerichts wurde der zunächst gutgläubige Angeklagte als Rechtsanwalt in ein Betrugsgeschehen eingebunden, das der Nichtrevident R.    wesentlich ins Werk gesetzt hatte. Dies geschah wie folgt:

3Der Reeder J.     suchte im Jahr 2013 nach einer Möglichkeit, für die neu gegründete und von ihm als Geschäftsführer geleitete M.     S.     GmbH den Erwerb von Schiffen zu finanzieren. Nachdem er dies nicht über Banken oder andere Geldgeber realisieren konnte, wandte er sich auf eine entsprechende Zeitungsanzeige hin an die im Juni 2012 gegründete C.               (nachfolgend C.      ) in         . Mit deren Mitarbeitern korrespondierte er ausschließlich per E-Mail, überwiegend mit dem Mitangeklagten R.   , der unter dem Namen „  St.   “ auftrat. Bewusst wahrheitswidrig wurde J.      dabei vorgespiegelt, dass die C.      gegen Zahlung von 5 % der Darlehenssumme ein Darlehen in Höhe von 200 Millionen Euro vermitteln könne. Als Treuhänder für das Vermittlungshonorar sollte der Angeklagte fungieren und hierfür 10 % des von ihm verwalteten Betrages erhalten.

4Unter dem kam es zur Unterzeichnung eines Vertrages zwischen der C.      und der M.       S.       GmbH. Hauptpflicht der C.      sollte die „Vermittlungstätigkeit der Gesellschaft hinsichtlich der Ausstellung eines Bankavis durch das ausstellende Institut“ sein, das ausstellende Institut sollte lediglich die Ausstellung des Bankavis und die Übermittlung an das Empfängerinstitut schulden. Entgegen der vorherigen E-Mail-Korrespondenz war die tatsächliche Auskehrung des Darlehens nach dem Wortlaut des Vertrages nicht geschuldet. Das Bankavis sollte von einer von fünf namentlich benannten Banken (darunter auch die M.   C.    B.   L.    ) ausgestellt werden und per SWIFT-Nachricht an die Postbank gesendet werden, bei der der Angeklagte ein Konto führte.

5Der Angeklagte unterzeichnete den mit dem vorgenannten Vertrag verbundenen Treuhandvertrag. Danach war er verpflichtet, das von ihm treuhänderisch gehaltene Vermittlungshonorar an die C.    auszukehren, wenn er eine vom ausstellenden Institut bestätigte Kopie des Bankavis und eine Erklärung des ausstellenden Instituts (oder eines avisierenden Instituts) erhalten hatte, dass das Bankavis per SWIFT übermittelt worden war. Zudem musste er sich selbst davon überzeugen können, dass das Bankavis gemäß der im Hauptvertrag dargelegten Form ausgestellt worden war. Falls diese Bedingungen nicht innerhalb von 15 Banktagen nach Eingang der Vermittlungsprovision erfüllt waren, sollte der Angeklagte die Provision zurückzahlen.

6Der Zeuge J.      ging täuschungsbedingt irrtümlich davon aus, dass die C.     tatsächlich wie versprochen einen Kredit über 200 Millionen Euro vermitteln würde und zahlte vom bis zum im Vertrauen darauf insgesamt über 10 Millionen Dollar auf das Konto des zu diesem Zeitpunkt gutgläubigen Angeklagten ein, die mit 7.633.599,64 Euro gutgeschrieben wurden. Weitere Einzahlungen konnte er nicht leisten, so dass die Darlehenssumme mit 152 Millionen Euro entsprechend angepasst wurde. Der Angeklagte leitete die Zahlungen bis zum auf sein verzinstes Anderkonto bei der       weiter, auf dem sich zuvor kein Guthaben befunden hatte.

7Obwohl tatsächlich kein Darlehen vergeben worden war oder vergeben werden sollte, übersandte die C.      dem Angeklagten am die Kopie einer auf den selben Tag datierten SWIFT-Mitteilung der M.    C.    B.  L.    mit dem vertraglich vereinbarten Inhalt. Übermittelt wurde die SWIFT-Mitteilung von einer Bank mit Sitz in     . Zugleich forderte die C.     den Angeklagten auf, die Vermittlungsprovision an verschiedene Empfänger auszukehren, insbesondere auf ein Nummernkonto in          , einen Schweizer Rechtsanwalt sowie an Unternehmen in       , den    ,         und         . Insgesamt sollten 6.870.000 Euro ausgekehrt werden, der Restbetrag in Höhe von 763.630 Euro beim Angeklagten als Treuhandhonorar verbleiben. Am nächsten Tag fragte der Angeklagte bei der       nach, ob die SWIFT-Nachricht dort eingegangen sei. Die Bank bestätigte dies nicht, obwohl die Nachricht dort schon eingegangen war.

8Spätestens jetzt erkannte der Angeklagte das Risiko als sehr hoch, dass kein Darlehen vermittelt werden sollte, setzte sich über seine Bedenken aber im Hinblick auf die in Aussicht gestellte Vergütung hinweg. Ohne eine Bestätigung der       abzuwarten, übermittelte er die Auszahlungsaufträge der C.      an die       mit der Bitte, die entsprechenden Überweisungen auszuführen. Wegen des Verdachts, es könne sich um Geldwäsche handeln, führte die        die Überweisungen nicht aus.

9Im Verlauf des weiteren Verfahrens wurde das auf dem Anderkonto befindliche Guthaben durch die Staatsanwaltschaft beschlagnahmt. Der Angeklagte zahlte alle eingegangenen Beträge in US-Dollar zurück. Aufgrund des veränderten Wechselkurses verblieb auf dem Konto ein Guthaben in Höhe von 218.215,74 Euro nebst Zinsen in Höhe von 3.966,77 Euro (Einziehungsgegenstände).

102. Das Landgericht ist von einer vollendeten Untreue des Angeklagten in Höhe von 7.633.599,64 Euro ausgegangen. Zwar sei kein Vermögensnachteil eingetreten, solange der Angeklagte ein neutraler Treuhänder gewesen sei. Durch Erteilung der Überweisungsaufträge und konkludente Vereinnahmung des Treuhandhonorars sei der M.       S.       GmbH als Einzahlerin aber keine Sicherung des Vermittlungshonorars verblieben, während sie lediglich eine wertlose Darlehenszusage erhalten habe. Durch dieselbe Handlung sei auch der Betrug des Mitangeklagten R.     vollendet worden, zu dem der Angeklagte bewusst Beihilfe geleistet habe.

II.

111. Zwar beruhen die Feststellungen auf einer tragfähigen Beweiswürdigung. Insbesondere ist die Annahme eines bedingten Vorsatzes des Angeklagten vor dem Hintergrund, dass er eine Liste mit dubiosen Überweisungsempfängern von der C.     genannt bekommen hatte, rechtsfehlerfrei.

122. Allerdings tragen die Feststellungen den Schuldspruch wegen vollendeter Untreue nicht, denn der Eintritt eines Vermögensnachteils ist nicht belegt.

13Nach § 266 Abs. 1 StGB macht sich strafbar, wer gegen eine ihm obliegende Vermögensbetreuungspflicht verstößt und hierdurch dem Vermögen des Treugebers einen Nachteil zufügt.

14a) Aufgrund des Treuhandvertrages war der Angeklagte der Treugeberin M.     S.       GmbH gegenüber zum vertragsgemäßen Umgang mit den ihm überlassenen Geldern verpflichtet. Diese Pflicht beinhaltete - wie das Landgericht rechtsfehlerfrei durch Auslegung des Vertrages ermittelt hat - auch, die Gelder der Treugeberin nur nach Bestätigung der SWIFT-Nachricht und dann nicht auszukehren, wenn kein werthaltiges Bankavis vorgelegt wurde. Mit der Erteilung der Überweisungsaufträge an die         hat der Angeklagte mit bedingtem Vorsatz diese Treupflicht verletzt.

15b) Nach den Feststellungen des Landgerichts ist der Treugeberin hierdurch aber kein Vermögensschaden entstanden, denn die          hat sich geweigert, die Überweisungen auszuführen.

16aa) Der Taterfolg der Untreue ist durch einen Vergleich des gesamten betreuten Vermögens vor und nach der pflichtwidrigen Handlung unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu prüfen (st. Rspr., vgl. nur mwN). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist dabei Folgendes zu beachten (BVerfGE 126, 170 = NJW 2010, 3209): Das Nachteilserfordernis beschränkt die Strafbarkeit wegen Untreue auf Fälle, in denen ein bestimmter Handlungserfolg in Form einer messbaren Vermögenseinbuße vorliegt (aaO Rn. 104). Bei der Auslegung muss der gesetzgeberische Wille berücksichtigt werden, dieses Merkmal als selbständiges neben dem der Pflichtverletzung zu statuieren; sie darf daher dieses Tatbestandsmerkmal nicht mit dem Pflichtwidrigkeitsmerkmal verschleifen, das heißt, es in diesem Merkmal aufgehen lassen. Deswegen und um das Vollendungserfordernis zu wahren, sind eigenständige Feststellungen zum Vorliegen eines Nachteils geboten. Von einfach gelagerten und eindeutigen Fällen abgesehen, müssen die Strafgerichte den von ihnen angenommenen Nachteil der Höhe nach beziffern und dessen Ermittlung in wirtschaftlich nachvollziehbarer Weise in den Urteilsgründen darlegen (aaO Rn. 113). Die Entscheidung des Gesetzgebers gegen eine Versuchsstrafbarkeit darf nicht durch eine ausufernde Auslegung der Tatbestandsmerkmale unterlaufen werden (aaO Rn. 150).

17bb) Nach diesen Maßstäben ist durch das Handeln des Angeklagten kein Vermögensnachteil entstanden.

18Die Treugeberin M.     S.      GmbH hatte vor der treuwidrigen Handlung (Erteilung von Überweisungsaufträgen) in gleicher Höhe wie danach einen Rückzahlungsanspruch gegen den Angeklagten. Dieser war nach wie vor werthaltig, weil sich auch nach der Treupflichtverletzung ein entsprechendes Guthaben auf dem Treuhandkonto des Angeklagten befand. Das Vorhaben des Angeklagten, dieses Guthaben durch Überweisungen zu Gunsten der von der C.      genannten Empfänger zu schmälern, war - anders als in den vom Landgericht in Bezug genommenen Entscheidungen (vgl. , NStZ 2010, 329; Urteil vom - 5 StR 96/08) - am Widerstand der kontoführenden         gescheitert. Allein die Änderung des Vorstellungsbildes des Angeklagten führte vorliegend nicht zu einem Nachteil in Höhe des gesamten Guthabens auf dem Anderkonto. Eine solche Betrachtung würde das Tatbestandsmerkmal des Vermögensnachteils mit demjenigen der Treupflichtverletzung letztlich verschleifen und die Straflosigkeit des Versuchs umgehen.

192. Die Feststellungen belegen auch nicht die Annahme einer Beihilfe zum Betrug.

20a) Zwar war der Betrug durch den nichtrevidierenden Mitangeklagten R.     angesichts des zur Ausführung gekommenen Tatplans schon in dem Moment vollendet, in dem die M.       S.       GmbH irrtumsbedingt über 10 Millionen Dollar auf das Treuhandkonto des Angeklagten überweisen ließ. Aufgrund der fehlenden Erfüllungsbereitschaft der C.      war der vom Geschädigten erworbene Anspruch wertlos. Angesichts der Gutgläubigkeit des bis dahin ebenfalls getäuschten Angeklagten, der Täuschung des Geschädigten über die Vermittlung des erhofften Darlehens und der Vertragsabsprache, wonach eine SWIFT-Nachricht über ein Bankavis zur Auszahlung der Provision durch den Treuhänder ausreichen sollte, war der als Sicherheit dienende Rückzahlungsanspruch der M.      S.       GmbH bereits zu diesem Zeitpunkt erheblich gefährdet und damit weit weniger wert als die erfolgten Zahlungen.

21b) Allerdings belegen die Feststellungen nicht, dass der Angeklagte diese Haupttat vorsätzlich gefördert hat. Im Zeitpunkt der Zurverfügungstellung seines Kontos war der Angeklagte gutgläubig und blieb dies zunächst. In dem Moment, als er bedingten Vorsatz hinsichtlich der möglichen Haupttat entwickelte, nahm er zwar den Versuch vor, das auf dem Treuhandkonto befindliche Guthaben an die von C.    benannten Zahlungsempfänger auszuzahlen. Dieser Versuch blieb aber erfolglos. Dass es durch dieses erfolglose Bemühen zu irgendeiner Förderung der Haupttat gekommen wäre, ergibt sich aus den Feststellungen nicht. Vielmehr führte diese Handlung des Angeklagten letztlich zur Aufdeckung der Haupttat und zur Rückführung der Gelder. Die versuchte Beihilfe ist aber nicht strafbar.

223. Da die Feststellungen in Hinblick auf den abweichenden rechtlichen Ansatz des Landgerichts getroffen sind, unterliegen sie der Aufhebung, um dem neuen Tatgericht widerspruchsfreie neue Feststellungen zu ermöglichen. Sollte die neu zur Entscheidung berufene Strafkammer nach dem oben Ausgeführten eine Strafbarkeit wegen Untreue und Beihilfe zum Betrug ablehnen, wird sie eine Strafbarkeit wegen Geldwäsche in den Blick zu nehmen haben.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2019:240919B5STR394.19.0

Fundstelle(n):
wistra 2019 S. 506 Nr. 12
XAAAH-39299