Online-Nachricht - Donnerstag, 22.08.2019

Einkommensteuer | Qualifizierung der Tätigkeit eines Prüfingenieurs (BFH)

Prüfingenieure, die Hauptuntersuchungen und Sicherheitsprüfungen durchführen, üben eine freiberufliche Tätigkeit i.S. des § 18 EStG aus. Der Freiberuflichkeit der Tätigkeit eines Prüfingenieurs steht die Mithilfe fachlich vorgebildeter Arbeitskräfte nicht entgegen, wenn er weiterhin leitend und eigenverantwortlich i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG tätig ist. An einer eigenverantwortlichen Tätigkeit fehlt es jedoch, wenn angestellte Prüfingenieure eigenständig Hauptuntersuchungen durchführen und dabei lediglich stichprobenartig überwacht werden (; veröffentlicht am ).

Sachverhalt: Die Klägerin, eine GbR, führte u.a. Haupt- und Abgasuntersuchungen durch. Ihre Gesellschafter waren selbst Prüfingenieure. Den überwiegenden Teil der im Streitjahr 2009 durchgeführten Haupt- und Abgasuntersuchungen hatten allerdings die drei bei der Klägerin angestellten Prüfingenieure übernommen. Das FA war der Meinung, die Klägerin erziele gewerbliche Einkünfte und setzte dementsprechend Gewerbesteuer fest. Die hiergegen gerichtete Klage hatte in allen Instanzen keinen Erfolg.

Hierzu führten die Richter des BFH weiter aus:

  • Zwar sind die Gesellschafter der Klägerin freiberuflich tätig geworden, soweit sie selbst Hauptuntersuchungen durchgeführt haben.

  • Soweit die Klägerin den überwiegenden Teil der Prüftätigkeiten durch angestellte Prüfingenieure hat durchführen lassen, fehlt es jedoch an einer eigenverantwortlichen Tätigkeit der Gesellschafter.

  • Die angestellten Prüfingenieure haben die Hauptuntersuchungen eigenständig durchgeführt und sind dabei lediglich stichprobenartig von den Gesellschaftern der Klägerin überwacht worden.

  • Eine gem. § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG unschädliche Mithilfe fachlich vorgebildeter Arbeitskräfte setzt auch für technische Berufe wie den des Ingenieurs voraus, dass die Leistung als solche des Berufsträgers erkennbar und ihm damit persönlich zurechenbar ist.

  • § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG ermächtigt weder dazu, Routineaufgaben vollständig auf einen angestellten Berufsträger zu delegieren, noch dem Berufsträger eine Tätigkeit als eigene zuzurechnen, die tatsächlich ein anderer, angestellter Berufsträger eigenständig ausführt und zu verantworten hat.

  • Dies gilt auch für Prüfingenieure, obwohl deren Tätigkeit weitgehend gesetzlich geregelt ist und daher umfassende Kontrollmaßnahmen ebenso ausgeschlossen sind wie die Festlegung von Untersuchungsmethoden oder -inhalten.

  • Die Klägerin erzielt daher insgesamt gewerbliche Einkünfte (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG).

Anmerkung von Steuerberater Klaus Korn, Mitherausgeber der NWB und of counsel der c•k•s•s Carlé • Korn • Stahl • Strahl Partnerschaftsgesellschaft mbB, Köln:

Die Tätigkeit eines Diplom-Ingenieurs als Prüfingenieur gehört zwar zu den freien Berufen i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Die Klägerin, eine aus zwei Ingenieuren bestehende GbR, erzielte dennoch (und zwar wegen der Abfärbewirkung gewerblicher Tätigkeiten bei Mitunternehmerschaften insgesamt) gewerbliche Einkünfte, weil sie drei Ingenieure angestellt hatte, die - ohne Mitwirkung der beiden Gesellschafter - von 6.722 Hauptuntersuchungen im Streitfall 5.569 und sämtliche Abgasuntersuchungen durchführten. Damit fehlte es an der insgesamt eigenverantwortlichen Tätigkeit.

Das Erfordernis der Eigenverantwortlichkeit der Tätigkeit ist im Fall der Beschäftigung qualifizierter Mitarbeiter stets ein erhebliches Hindernis für die Anerkennung freiberuflicher Einkünfte, wenn Gegenstand der (grundsätzlich freiberuflichen) Betätigung eine Vielzahl von Einzeltätigkeiten in geringem Umfang ist, die weitgehend ohne konkrete Mitwirkung des Berufsträgers an der jeweiligen Einzelleistung erbracht werden (z.B. auch bei Laborärzten und Pflegeberufen). Es wird oftmals nicht gelingen, die erforderliche Einschaltung der Berufsträger in die Einzelleistungen glaubhaft zu machten.

Die "Flucht" in die gewerbliche GmbH mit gewerbesteuermindernder Ausschöpfung der Angemessenenheitsgrenzen für Geschäftsführervergütungen ist wegen der Rechtsformkosten und oft anderweitigen Steuerproblemen i.d.R. keine adäquate Ausweichlösung. Für Mitunternehmerschaften, bei denen die Gesellschafter auch selbst eigenverantwortlich tätig sind, stellt sich stets die Frage, ob die Aufspaltung in Parallelgesellschaften möglich und lohnend ist, um die Infektionswirkung der nicht eigenverantwortlich erbrachten Leistungen zu vermeiden.

Quelle: BFH, Pressemitteilung zum Urteil v. - VIII R 35/16 sowie NWB Datenbank (il)

Fundstelle(n):
NWB VAAAH-28628