BGH Beschluss v. - I ZR 205/18

Beschwer im Rechtsmittelverfahren: Bemessung des Rechtsmittelstreitswerts bei Verurteilung des Beklagten nach dem Klageantrag und Abweisung der Hilfswiderklage

Gesetze: § 45 Abs 1 S 2 GKG, § 45 Abs 1 S 3 GKG, § 47 Abs 1 S 1 GKG, § 47 Abs 1 S 2 GKG, § 47 Abs 3 GKG, § 544 ZPO, § 565 ZPO, § 516 Abs 3 ZPO

Instanzenzug: Az: 7 U 3010/17vorgehend LG München I Az: 16 HKO 8575/15

Gründe

1I. Die Rücknahme der Nichtzulassungsbeschwerde hat in entsprechender Anwendung von §§ 565, 516 Abs. 3 ZPO den Verlust des Rechtsmittels und die Verpflichtung zur Folge, die dadurch entstandenen Kosten zu tragen.

2II. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 45, 47 GKG.

31. Gemäß § 47 Abs. 1 Satz 1 GKG bestimmt sich der Streitwert in Rechtsmittelverfahren nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren - wie hier durch Rücknahme der Nichtzulassungsbeschwerde -, ohne dass Anträge eingereicht worden sind, regelt § 47 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 GKG, dass die Beschwer des Rechtsmittelführers durch das Berufungsurteil maßgebend ist (vgl. auch , NJW 1979, 1208 [juris Rn. 4]; Beschluss vom - IV ZR 221/10, AGS 2011, 139 Rn. 1).

42. Im Streitfall ist die Beklagte sowohl durch die Verurteilung auf die Klage als auch durch die Abweisung der (Hilfs-)Widerklage beschwert.

5Die Regelung des § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG, nach der ein hilfsweise geltend gemachter Anspruch nur dann mit dem Hauptanspruch zusammengerechnet wird, wenn eine der Rechtskraft fähige Entscheidung über ihn ergeht, hindert die Berücksichtigung des Betrags der hilfsweise erhobenen Widerklage nicht. Zwar sind die Gegenstände von Klage und Widerklage im Falle einer Sachentscheidung nur zusammenzurechnen, wenn der Eventualfall eintritt (vgl. , NJW 1973, 98 [juris Rn. 5]; Beschluss vom - GSZ 1/78, BGHZ 72, 339, 341 [juris Rn. 8]). Die Bestimmungen in § 45 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 GKG sind für die Rechtsmittelinstanz aber im Zusammenhang mit § 47 Abs. 1 GKG zu sehen. Entscheidend ist, ob das Berufungsurteil den Beklagten durch eine der Rechtskraft fähige Entscheidung über die Widerklageforderung beschwert (zur Hilfsaufrechnung vgl. BGH, NJW 1979, 1208 [juris Rn. 5]). Dies ist der Fall, da das Berufungsgericht die Widerklage abgewiesen hat.

63. Allerdings betreffen Klage und Widerklage teilweise denselben Gegenstand im Sinne von § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG, so dass insoweit nur der höhere Betrag maßgebend ist. Sowohl ein Teil der Klage als auch die Widerklage hatten Ansprüche aus einem von der jeweiligen Partei behaupteten - ihr jeweils günstigen - Palettensaldo zum Stichtag zum Gegenstand.

7a) Bei dem Begriff des "Gegenstands" in § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG handelt es sich um einen selbständigen kostenrechtlichen Begriff, der eine wirtschaftliche Betrachtung erfordert (vgl. , NJW-RR 2005, 506 [juris Rn. 8]; Beschluss vom - I ZR 61/11, juris Rn. 6). Eine Zusammenrechnung hat nicht zu erfolgen, wenn ein wirtschaftlich identisches Interesse betroffen ist (vgl. , juris Rn. 4; Beschluss vom - I ZR 61/11, juris Rn. 6). Wirtschaftliche Identität in diesem Sinne liegt vor, wenn die in ein Eventualverhältnis gestellten Ansprüche nicht in der Weise nebeneinander bestehen können, dass - die vom (Wider-)Kläger gesetzte Bedingung fortgedacht - allen stattgegeben werden könnte, sondern die Verurteilung gemäß dem einen Antrag notwendigerweise die Abweisung des anderen Antrags nach sich zöge (vgl. , NJW-RR 2003, 713 [juris Rn. 3]; Beschluss vom - II ZR 34/07, juris Rn. 4; Beschluss vom - I ZR 190/11, juris Rn. 11; Beschluss vom - I ZR 61/11, juris Rn. 6).

8b) Nach diesen Maßstäben ist allein der höhere Betrag der Widerklage (57.733,60 €) in Ansatz zu bringen, da die auf einen Palettensaldo zu ihren Gunsten gestützte Klage in Höhe von 17.405,40 € sowie die Widerklage über 57.733,50 € ein wirtschaftlich identisches Interesse betreffen. Beide Parteien haben behauptet, aus dem jahrelang praktizierten Palettenaustausch ergebe sich zum Stichtag ein Saldo zu ihren Gunsten. Es handelt sich um einen einheitlichen Lebenssachverhalt, aus dem die Parteien jeweils Ansprüche herleiten. Der auf den Palettensaldo gestützte Teil der Klage und die Widerklage können nicht beide in vollem Umfang Erfolg haben, sondern schließen einander aus. Soweit ein positiver Palettensaldo zu Gunsten der Klägerin besteht, kann er nicht zu Gunsten der Beklagten angenommen werden.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2019:110419BIZR205.18.0

Fundstelle(n):
NJW 2019 S. 2175 Nr. 30
RAAAH-23178