BGH Beschluss v. - 3 StR 615/17

Handeltreiben mit Betäubungsmitteln: Konkurrenzverhältnis bei gleichzeitigem Vorhalten mehrerer für den Verkauf bestimmter Vorräte

Gesetze: § 29 Abs 1 S 1 Nr 1 BtMG, § 29a Abs 1 Nr 2 BtMG, § 52 Abs 1 StGB

Instanzenzug: LG Mainz Az: 3331 Js 22426/15 - 3 KLs

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten U.     wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen sowie wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Den Angeklagten A.   hat es des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz zweier halbautomatischer Kurzwaffen zum Verschießen von Patronenmunition nach Anlage 1 Abschnitt 1 Unterabschnitt 3 zum WaffG schuldig gesprochen und gegen ihn eine Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verhängt. Zudem hat es die Einziehung in Höhe von 14.300 € gegen den Angeklagten U.     und in Höhe von 3.000 € gegen den Angeklagten A.   angeordnet.

2Die jeweils auf die Sachrüge gestützten Revisionen der Angeklagten haben den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

31. Das Landgericht hat - soweit hier von Bedeutung - festgestellt:

4a) Die Angeklagten errichteten im November 2014 gemeinsam im Keller des Wohnhauses des Angeklagten A.   eine Cannabisplantage mit dem Ziel, die Ernte gewinnbringend zu verkaufen und den Erlös zu gleichen Teilen aufzuteilen. Die erste Ernte im Januar 2015 ergab ca. 4 kg Marihuanablüten (mit einem Wirkstoffgehalt von 4 bis 5,6 % THC) sowie ca. 2.894 g Blatt- und Blütengemisch (mit einem Wirkstoffgehalt von 108 g THC), 447 g Blatt- und Blütengemisch (mit einem Wirkstoffgehalt von 20,16 g THC) und 137,8 g Marihuanagemisch (Wirkstoffgehalt nicht festgestellt). Aus dem Verkauf von Marihuanablüten erzielte der Angeklagte U.     insgesamt 14.000 €, von denen er 3.000 € an A.   als dessen Anteil am Erlös übergab. Von den noch nicht verkauften Restmengen brachte der Angeklagte U.     220 g Marihuanablüten sowie ca. 2.849 g und 447 g Blatt- und Blütengemisch in seine Wohnung, weitere ca. 137,8 g in eine Gartenlaube. Der Angeklagte A.   behielt in seinem Haus eine Restmenge von 49,07 g Marihuanablüten (Fall II.1. der Urteilsgründe).

5b) lm Juni 2015 verkaufte der Angeklagte U.     dem gesondert verfolgten E.    77,87 g Amphetamin (mit einem Wirkstoffgehalt von 3,303 g Amphetaminbase) für 300 € (Fall II.2. der Urteilsgründe).

6c) lm Mai 2015 starteten die Angeklagten eine zweite Aufzucht von Cannabispflanzen mit verbesserter technischer Ausstattung der Plantage und deren Erweiterung in zwei Räumen des Obergeschosses; die Ernteerwartung betrug 7 kg Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von 840 g THC. lm September 2015 waren die Pflanzen so weit angewachsen, dass sie eine Gesamtmenge von 1.828 g Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von 29 g THC ergaben. Unter dem Bett im Schlafzimmer, das wenige Schritte vom Treppenauf- und -abgang zum Obergeschoss und zum Keller gelegen war, bewahrte der Angeklagte A.   in einer offenen Sporttasche eine halbautomatische Selbstladepistole Crevena Zastava Modell 70, Kaliber 7,62 mm nebst zwei Magazinen mit jeweils fünf Schuss Munition sowie ein halbautomatisches Gewehr Marlin Kaliber 45 ACP mit abgesägtem Lauf und abgesägter Schulterstütze mit eingeführtem Magazin, in dem sich eine funktionsunfähige Patrone befand, dergestalt auf, dass ein Zugriff jederzeit gewährleistet war. lm selben Raum bewahrte er eine Restmenge von 49,07 g Marihuanablüten aus der ersten Aufzucht auf (Fall II.3. der Urteilsgründe).

7d) Im September 2015 hielt der Angeklagte U.     "im Zuge seines bereits im Fall 2 dargestellten Tatentschlusses“ im Kühlschrank in seiner Wohnung 50,84 g Amphetamin (mit einem Wirkstoffgehalt von 3,51 g Amphetaminbase) sowie 6,5 Ecstasy-Tabletten mit dem Wirkstoff MDMA zum Verkauf bereit; zugleich lagerte er die oben genannten Restmengen Marihuana aus der ersten Aufzucht der Plantage "in dem von ihm bewohnten Anwesen" (Fall II.5. der Urteilsgründe).

82. Das Landgericht hat die den Angeklagten U.     betreffenden Fälle als jeweils rechtlich selbständige Taten gemäß § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG, § 25 Abs. 2 StGB (Fälle II.1. und II.3. der Urteilsgründe) bzw. § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 3 BtMG (Fälle ll.2. und II.5. der Urteilsgründe) gewertet. Die Taten des Angeklagten A.   hat es als tatmehrheitlich begangene Delikte nach § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG, § 25 Abs. 2 StGB (Fall lI.1. der Urteilsgründe) und § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG, § 52 Abs. 1 Nr. 2 b) WaffG in Verbindung mit Anlage 2 Abschnitt 2 Unterabschnitt 1 Satz 1 WaffG gewertet (Fall II.3. der Urteilsgründe). Die Annahme von Tatmehrheit in diesen Fällen begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

9a) Zwar geht das Landgericht hinsichtlich der Cannabisplantage der Angeklagten im Ansatz zutreffend davon aus, dass gesonderte Anbauvorgänge, die auf gewinnbringende Veräußerung der dadurch erzeugten Betäubungsmittel abzielen, grundsätzlich als für sich selbständige, zueinander in Tatmehrheit stehende Taten des Handeltreibens zu bewerten sind. Es hat auch erkannt, dass eine Bewertungseinheit allein durch den Besitz verschiedener zum Handeltreiben bestimmter Rauschgiftmengen aus verschiedenen Liefer- oder Anbauvorgängen nicht begründet werden kann, soweit die Betäubungsmittel nicht zu einem einheitlichen Verkaufsvorrat vereint wurden (vgl. BGH, Beschlüsse vom - 3 StR 106/05, NStZ 2005, 650; vom - 3 StR 485/10, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Konkurrenzen 11; vom - 3 StR 487/16, NStZ 2017, 711, 712; Weber, BtMG, 3. Aufl., Vor §§ 29 ff. Rn. 620 ff.).

10Jedoch hat das Landgericht nicht bedacht, dass mehrere Taten des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln - unabhängig vom Vorliegen einer Bewertungseinheit - zueinander dann in Tateinheit im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB stehen, wenn ihre tatbestandlichen Ausführungshandlungen sich (teilweise) überschneiden (BGH, Beschlüsse vom - 3 StR 487/16, NStZ 2017, 711, 712; vom - 3 StR 88/18, juris Rn. 7). Da das Vorhalten einer Handelsmenge zum Vertrieb als Teilakt des Handeltreibens anzusehen ist, vermag der gleichzeitige Besitz zweier für den Verkauf bestimmter Vorräte jedenfalls dann Tateinheit in diesem Sinne zu begründen, wenn die Art und Weise der Besitzausübung über eine bloße Gleichzeitigkeit hinausgeht und die Wertung rechtfertigt, dass - etwa wegen eines räumlichen und zeitlichen Zusammenhangs (vgl. , juris Rn. 8; Beschluss vom - GSSt 4/17, NJW 2018, 2905, 2907) - die tatsächliche Ausübung des Besitzes über die eine Menge zugleich die Ausübung der tatsächlichen Verfügungsgewalt über die andere darstellt (, juris Rn. 7 mwN; LK/Rissing-van Saan, StGB, 12. Aufl., Vor §§ 52 Rn. 43; Weber, BtMG, 5. Aufl., Vor §§ 29 ff. Rn. 628 ff.; vgl. auch , NStZ-RR 1999, 119, 120).

11b) Nach diesen Maßgaben gilt für den Angeklagten A.   Folgendes:

12Schon angesichts des engen räumlichen und zeitlichen Zusammenhanges stellte der Besitz der zum Verkauf vorgesehenen Marihuanablüten aus der ersten Aufzucht zugleich die Ausübung der tatsächlichen Gewalt über die Pflanzen der zweiten Aufzucht dar; beide Taten stehen daher in Tateinheit (§ 52 Abs. 1 StGB). Überdies sind die Taten dadurch verknüpft, dass der Angeklagte in unmittelbarer Nähe zu beiden Verkaufsmengen dieselbe funktionsfähige scharfe Pistole griffbereit aufbewahrte (vgl. , juris Rn. 2 mwN).

13Auch im Fall II.1. der Urteilsgründe hat sich der Angeklagte A.   des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG) strafbar gemacht. Denn es reicht aus, wenn der Täter die Waffe bei einem Einzelakt des Handeltreibens - hier dem Vorrätighalten von 49,07 g Marihuanablüten als Teil einer größeren zum Verkauf bestimmten einheitlichen Menge - führt (vgl. BGH, Beschlüsse vom - 3 StR 78/17, NStZ-RR 2018, 251 f.; vom - 3 StR 503/14, StV 2015, 641; vom - 2 StR 589/12, NStZ 2013, 663; jeweils mwN).

14Tateinheitlich hat sich der Angeklagte A.   des unerlaubten Besitzes zweier halbautomatischer Kurzwaffen nach § 52 Abs. 1 Nr. 2 b) WaffG und des tateinheitlichen unerlaubten Besitzes von Munition gemäß § 52 Abs. 3 Nr. 2 b) WaffG (zum Konkurrenzverhältnis vgl. , juris Rn. 38 mwN) schuldig gemacht.

15Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend ab; § 265 Abs. 1 StPO steht dem nicht entgegen, da sich der Angeklagte A.   bei zutreffender rechtlicher Bewertung der Tat nicht anders als geschehen hätte verteidigen können.

16Der aufgezeigte Rechtsfehler führt zur Aufhebung des Ausspruchs über die Einzelstrafen und den Gesamtstrafenausspruch. Der Senat hebt die zugehörigen Feststellungen insgesamt auf, um dem neuen Tatgericht eine in sich stimmige Zumessung zu ermöglichen.

17Der von dem Rechtsfehler nicht betroffene Ausspruch über die Einziehung von Wertersatz (§ 73c Satz 1 StGB) war dahin zu ergänzen, dass der Angeklagte hinsichtlich eines Teilbetrages in Höhe von 3.000 € als Gesamtschuldner mit dem Mitangeklagten U.     haftet (§§ 421 ff. BGB).

18c) Hinsichtlich des Angeklagten U.     gilt:

19Die Bewertung des konkurrenzrechtlichen Verhältnisses der Betäubungsmitteltaten in den Fällen II.1., II.2. und II.5. zueinander hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.

20Das Landgericht hat dazu keine hinreichenden Feststellungen getroffen. Die Urteilsgründe verhalten sich nicht dazu, ob der Angeklagte U.     die Rauschgiftrestmengen aus der Tat zu Fall II.1. der Urteilsgründe (220 g Marihuanablüten, 2.849 g und 447 g Blatt- und Blütengemisch) gegebenenfalls ganz oder teilweise in einem engen und unmittelbaren räumlichen Zusammenhang mit dem Amphetamin und den Ecstasytabletten in den Fällen II.2. und II.5. der Urteilsgründe aufbewahrte, so dass er die Betäubungsmittel nicht lediglich unabhängig voneinander gleichzeitig besessen, sondern gemeinsam darüber die Verfügungsgewalt ausgeübt hätte. Zudem besteht nach den getroffenen Feststellungen die Möglichkeit, dass die Amphetaminmengen in den Fällen II.2. und II.5. der Urteilsgründe einen einheitlichen Verkaufsvorrat bildeten oder einem solchen entstammten und insoweit eine Bewertungseinheit in Betracht kommt. Der Senat kann deshalb nicht überprüfen, ob das Landgericht das Konkurrenzverhältnis zwischen diesen drei Taten rechtsfehlerfrei als tatmehrheitlich bewertet hat.

21Die für sich rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zum objektiven und subjektiven Tatgeschehen können bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO). Das neu zur Entscheidung berufene Gericht wird lediglich ergänzende Feststellungen, die für die Bewertung des Konkurrenzverhältnisses von Bedeutung sind, zu treffen haben, die allerdings zu den aufrechterhaltenen Feststellungen nicht in Widerspruch stehen dürfen.

22Die Aufhebung in den Fällen ll.1., II.2. und II.5. der Urteilsgründe zieht die Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs nach sich; der Senat hebt die zugehörigen Feststellungen auf.

23Der Ausspruch über die Einziehung von Wertersatz ist von dem Rechtsfehler nicht betroffen; er war indes dahin zu ergänzen, dass der Angeklagte hinsichtlich eines Teilbetrages in Höhe von 3.000 € als Gesamtschuldner mit dem Mitangeklagten A.   haftet.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2018:210818B3STR615.17.0

Fundstelle(n):
EAAAH-13967