BGH Beschluss v. - V ZB 71/18

Ablehnung eines Rechtspflegers: Heilung eines Verstoßes gegen die Wartepflicht bei nicht erledigtem Befangenheitsgesuch

Gesetze: § 47 ZPO, § 10 S 1 RPflG

Instanzenzug: LG Gießen Az: 7 T 128/17vorgehend AG Alsfeld Az: 33 K 37/13nachgehend Az: V ZB 71/18 Beschlussnachgehend Az: V ZB 71/18 Beschluss

Gründe

I.

1Die Beteiligten zu 1 bis 3 bilden eine Erbengemeinschaft. In den Nachlass fallen die im Eingang dieses Beschlusses näher bezeichneten Grundstücke. Auf Antrag der Beteiligten zu 2 und 3 ordnete das Vollstreckungsgericht die Teilungsversteigerung der Grundstücke an und setzte den Verkehrswert auf insgesamt 86.000 € fest. Nachdem in dem ersten Versteigerungstermin am das abgegebene Meistgebot die Hälfte des festgesetzten Grundstückswertes nicht erreicht hatte, versagte das Vollstreckungsgericht den Zuschlag und bestimmte neuen Versteigerungstermin, der am stattfand. Durch einen an diesem Tag bei Gericht eingegangenen Schriftsatz lehnte die Beteiligte zu 1 den Rechtspfleger wegen der Besorgnis der Befangenheit ab. Hierauf wies der Rechtspfleger in dem Versteigerungstermin hin. Das Meistgebot für die Grundstücke betrug insgesamt 15.000 €. Termin zur Verkündung einer Entscheidung über den Zuschlag bestimmte der Rechtspfleger auf den . Am verwarf ein Richter des Amtsgerichts das Ablehnungsgesuch gegen den Rechtspfleger wegen Rechtsmissbrauchs als unzulässig. In dem auf den verlegten Verkündungstermin hat das Vollstreckungsgericht dem Meistbietenden den Zuschlag erteilt. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde hat das zurückgewiesen. Bereits zuvor hatte das die sofortige Beschwerde gegen die Verwerfung des Ablehnungsgesuchs durch das Amtsgericht zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde wendet sich die Beteiligte zu 1 gegen die Zurückweisung ihrer Zuschlagsbeschwerde. Die Beteiligten zu 2 und 3 beantragen, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

II.

2Das Beschwerdegericht hält die Beschwerde für unbegründet, weil ein Zuschlagsversagungsgrund insbesondere nach § 83 Nr. 6 und 7 ZVG nicht gegeben sei. Der Befangenheitsantrag der Beteiligten zu 1 habe nicht zu einem Tätigkeitsverbot des Rechtspflegers gemäß § 47 ZPO geführt. Bei der Durchführung des Versteigerungstermins am habe es sich um eine unaufschiebbare Amtshandlung im Sinne von § 47 ZPO gehandelt. Der Rechtmäßigkeit des Zuschlags stehe auch nicht entgegen, dass zum Zeitpunkt der Zuschlagsentscheidung lediglich das Amtsgericht das Ablehnungsgesuch als unzulässig verworfen habe, ohne dass über die hiergegen seitens der Beteiligten zu 1 eingereichten sofortigen Beschwerde bereits entschieden worden sei. Spätestens mit Zurückweisung dieser Beschwerde mit Beschluss vom sei ein etwaiger Verstoß gegen die in § 47 ZPO normierte Wartepflicht als geheilt anzusehen. Diese Heilungswirkung entfiele nur dann, wenn die die Ablehnungsgesuche zurückweisenden Beschlüsse von Amts- und Landgericht auf willkürlichen Erwägungen beruhten. Hierfür seien keine Anhaltspunkte ersichtlich. Der Beteiligten zu 1 komme es mit ihrer Vielzahl von Befangenheitsanträgen gegen Richter, Rechtspfleger und Urkundsbeamten, ihren Strafanzeigen und Dienstaufsichtsbeschwerden sowie ihren zahlreichen Anträgen auf Aussetzung bzw. Einstellung der Zwangsversteigerung, die sämtlich als unzulässig bzw. unbegründet zurückgewiesen worden seien, allein darauf an, das Zwangsversteigerungsverfahren zu blockieren. Ein solches auf verfahrensfremde Zwecke gerichtetes Verhalten stelle sich als rechtsmissbräuchlich dar.

III.

3Die Rechtsbeschwerde ist nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig (§ 575 ZPO). Auch wenn nicht ersichtlich ist, warum die Sache grundsätzliche Bedeutung haben soll, ist der Senat an die hierauf - ohne nähere Begründung - gestützte Zulassung durch das Beschwerdegericht gebunden. Das Rechtsmittel ist aber nicht begründet. Die Ausführungen des Beschwerdegerichts halten rechtlicher Nachprüfung stand.

41. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde liegt ein nach § 100 Abs. 3 ZVG in Verbindung mit § 83 Nr. 6 ZVG zu berücksichtigender Zuschlagsversagungsgrund nicht vor.

5a) Richtig ist allerdings, hiervon geht auch das Beschwerdegericht zutreffend aus, dass der Zuschlag nach § 83 Nr. 6 ZVG (vorläufig) grundsätzlich nicht erteilt werden darf, wenn der Rechtspfleger zuvor wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt worden ist. Zwar kann ein Termin bei drohender Vertagung unter Mitwirkung des abgelehnten Rechtspflegers fortgesetzt werden (§ 10 Satz 1 RPflG i.V.m. § 47 Abs. 2 ZPO). Das ändert jedoch nichts daran, dass jedenfalls eine Endentscheidung grundsätzlich erst nach (abschließender) Bescheidung des Ablehnungsgesuchs ergehen darf (vgl. Senat, Beschluss vom - V ZB 3/07, NJW-RR 2008, 216 Rn. 6).

6b) Im Zeitpunkt der Zuschlagsentscheidung am war das Ablehnungsgesuch der Beteiligten zu 1 auch noch nicht „erledigt“ im Sinne des § 47 Abs. 1 ZPO. Hierfür genügte die Entscheidung des nicht. Erledigung tritt erst dann ein, wenn die Behandlung des Ablehnungsgesuchs endgültig abgeschlossen ist. In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist deshalb geklärt, dass ein Richter - für einen Rechtspfleger gilt dies gemäß § 10 Satz 1 RPflG entsprechend - grundsätzlich nicht vor rechtskräftiger Zurückweisung eines Ablehnungsgesuchs tätig werden darf (vgl. nur , NJW-RR 2011, 427 Rn. 17 mwN). Hier hatte die Beteiligte zu 1 gegen die Entscheidung des Amtsgerichts Beschwerde eingelegt, über die am noch nicht entschieden worden war.

7c) Dies verhilft der Rechtsbeschwerde aber nicht zum Erfolg. Hierfür kann dahinstehen, ob das Ablehnungsgesuch der Beteiligten zu 1 rechtsmissbräuchlich war und bereits deshalb der Zuschlag trotz des noch nicht erledigten Befangenheitsgesuchs erteilt werden durfte (vgl. dazu Senat, Beschluss vom - V ZB 3/07, NJW-RR 2008, 216 Rn. 7; siehe auch bereits Senat, Beschluss vom - V ZB 7/05, NJW-RR 2005, 1226, 1227). Ein etwaiger Verstoß gegen die Wartepflicht des § 47 ZPO i.V.m. § 10 Satz 1 RPflG ist jedenfalls dadurch geheilt worden, dass die Beschwerde gegen die Verwerfung des Befangenheitsgesuchs durch Beschluss vom rechtskräftig zurückgewiesen wurde und deshalb die Unbegründetheit der Ablehnung feststeht. Dass eine solche Heilung möglich ist, ist in Rechtsprechung und Literatur anerkannt (vgl. Senat, Beschluss vom - V ZA 26/08, juris Rn. 1; BVerfG, ZIP 1988, 174, 175; , ZIP 2005, 45 f.; BAG DB 2000, 884; BSG NVwZ 2001, 472; vgl. aus der Literatur MüKoZPO/Stackmann, 5. Aufl., § 47 Rn. 8; BeckOK ZPO/Vossler, Stand: , § 47 Rn. 6; Musielak/Voit/Heinrich, 15. Aufl., § 47 Rn. 5; aA nur Zöller/Vollkommer, ZPO, 32. Aufl., § 47 Rn. 5).

8d) Ob die Heilung eines etwaigen Verstoßes gegen § 47 Abs. 1 ZPO ausscheidet, wenn die das Ablehnungsgesuch zurückweisenden Beschlüsse auf willkürlichen Erwägungen beruhen, wie das Beschwerdegericht meint, bedarf keiner Entscheidung, da die Beschlüsse keine sachfremden Erwägungen enthalten. Entgegen dem Vorbringen in der Rechtsbeschwerde ist die Beschwerdeentscheidung vom nicht nur damit begründet worden, dass die Beteiligte zu 1 bereits „zuvor einige Befangenheitsanträge gestellt“ hatte. Vielmehr verweist das Beschwerdegericht darauf, dass das Ablehnungsgesuch nicht den Anforderungen des § 44 ZPO genüge, weil ein konkreter Ablehnungsgrund hieraus nicht erkennbar sei. Insbesondere bleibe unklar, inwiefern der Rechtspfleger die Beteiligte zu 1 „bewusst getäuscht“ haben solle. Ebensowenig sei aus ihren Ausführungen in Verbindung mit dem Terminsprotokoll ersichtlich, dass das Vorgehen des Rechtspflegers einer ausreichenden Gesetzesgrundlage entbehre. Wenn das Beschwerdegericht in diesem Zusammenhang auf eine Vielzahl weiterer (erfolgloser) Befangenheitsanträge verweist und schlussfolgert, das Befangenheitsgesuch sei nur zur Verfahrensverschleppung gestellt worden und damit rechtsmissbräuchlich, ist dies ohne weiteres nachvollziehbar, keinesfalls willkürlich. Für eine beabsichtigte Verfahrensverschleppung spricht im Übrigen auch der Umstand, dass die Beteiligte zu 1 das Befangenheitsgesuch auf ein Verhalten des Rechtspflegers in dem ersten Versteigerungstermin am stützte, die Ablehnung aber nicht zeitnah nach diesem Termin erfolgte, sondern erst unmittelbar vor Durchführung des neuen Versteigerungstermins am .

92. Weitere Zuschlagsversagungsgründe liegen nicht vor und werden von der Rechtsbeschwerde auch nicht geltend gemacht. Von einer Begründung wird gemäß § 577 Abs. 6 Satz 3 ZPO abgesehen.

IV.

101. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Vorschrift findet zwar im Zwangsversteigerungsverfahren im Grundsatz keine Anwendung, da sich die Beteiligten in der Regel nicht als Parteien im Sinne der §§ 91 ff. ZPO gegenüberstehen. Anders liegt es, wenn sich - wie im vorliegenden Fall - in einem Teilungsversteigerungsverfahren nur Miteigentümer mit entgegengesetzten Interessen und Anträgen streiten (vgl. hierzu auch Senat, Beschluss vom - V ZB 6/18, NJW 2018, 3388 Rn. 18).

112. Der Gegenstandswert für die Gerichtskosten entspricht nach § 47 Abs. 1, § 54 Abs. 2 GKG dem Meistgebot und für die anwaltliche Vertretung der Beteiligten gemäß § 26 Nr. 2 Halbs. 2 RVG ihrem jeweiligen wirtschaftlichen Anteil am Wert der versteigerten Grundstücke.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2018:151118BVZB71.18.0

Fundstelle(n):
IAAAH-13020