BGH Beschluss v. - III ZR 222/18

Streitwertbemessung: Berufung des Beklagten auf ein Dauerwohnrecht bei Klage des Grundstückseigentümers auf Räumung und Herausgabe einer mit einem Bungalow bebauten Gartenparzelle

Leitsatz

Die Bemessung des Streitwerts richtet sich nach §§ 8, 9 ZPO (Rechtsmittelbeschwer) beziehungsweise § 41 Abs. 1 GKG (Gebührenstreitwert), wenn sich der auf Räumung und Herausgabe verklagte Besitzer gegenüber dem klageführenden Eigentümer darauf beruft, dass ihm aus einem zwischen dem Kläger und einem Dritten geschlossenen Pachtvertrag ein Recht auf Übertragung eines darin vereinbarten - objektbezogenen - Dauerwohnrechts und somit ein Besitzrecht zustehe.

Gesetze: § 8 ZPO, § 9 ZPO, § 41 Abs 1 GKG, § 985 BGB, § 986 BGB

Instanzenzug: Az: 29 S 5/17vorgehend AG Pankow-Weißensee Az: 101 C 275/16

Gründe

I.

1Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Herausgabe und Räumung einer Gartenparzelle, die mit einem als Dauerwohnung genutzten Bungalow bebaut ist. Die Klägerin hatte mit der 2015 verstorbenen Großmutter der Beklagten am eine Nutzungsvereinbarung geschlossen (Anlage B 4), wonach jede Weitergabe des Dauerwohnrechts "als Einzelfallprüfung durch den Gemeindekirchenrat [der Klägerin] entschieden [wird]" (§ 2 Abs. 3 Buchst. c). Die Klägerin stützt ihren Anspruch auf § 985 BGB. Die Beklagte hat demgegenüber eingewandt, die Klägerin sei aus dem Vertrag vom dazu verpflichtet, der Übertragung des - objektbezogenen - Dauerwohnrechts an sie, die Beklagte, zuzustimmen. Das Amtsgericht hat die Beklagte antragsgemäß zur Räumung und Herausgabe verurteilt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landgericht das Ersturteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Die Revision hat es nicht zugelassen. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde.

II.

21. Der Wert der mit der beabsichtigten Revision geltend zu machenden Beschwer der Klägerin (§ 26 Nr. 8 Satz 1 EGZPO) beträgt 2.063,46 €.

3a) Maßgeblich für die Wertbemessung (§ 2 ZPO) ist insoweit entgegen der Auffassung des ) nicht § 6 ZPO, sondern die Regelung in den §§ 8, 9 ZPO.

4aa) Die Parteien streiten über das Bestehen eines Pachtverhältnisses mit der Folge der Anwendbarkeit von § 8 ZPO. Die Beklagte stützt sich für ihr vermeintliches Besitzrecht nämlich auf den Nutzungsvertrag vom . Ob dieser als gewöhnlicher Pachtvertrag oder als Kleingartenpachtvertrag einzuordnen ist, kann offen bleiben, weil die Vorschriften der §§ 8, 9 ZPO auch auf Kleingartenpachtverträge anwendbar sind (s. z.B. Senatsbeschlüsse vom - III ZR 66/09, BeckRS 2010, 1705 Rn. 9; vom - III ZB 84/15, NJW-RR 2016, 506 Rn. 6 und vom - III ZR 525/16, NZM 2017, 525, 526 Rn. 7, jeweils mwN). Zwar ist die Beklagte nicht Partei des Nutzungsvertrags vom gewesen und findet § 8 ZPO grundsätzlich keine Anwendung, wenn der Rechtsstreit gegen einen außerhalb des Miet- oder Pachtverhältnisses stehenden Dritten geführt wird (s. Zöller/Herget, ZPO, 32. Aufl., § 8 Rn. 4; MüKoZPO/Wöstmann, 5. Aufl., § 8 Rn. 8; BeckOK/Wendtland, ZPO, § 8 Rn. 3 [Stand: ]). Die Beklagte beruft sich jedoch darauf, dass ihr aus dem Nutzungsvertrag vom ein Recht auf Übertragung des - objektbezogenen - Dauerwohnrechts und somit ein Besitzrecht zustehe. Es geht dementsprechend darum, ob die Beklagte aus dem (Kleingarten-)Pachtvertrag vom als nunmehr (bzw. künftig) Nutzungsberechtigte ein Besitzrecht für sich in Anspruch nehmen kann oder nicht. Dies reicht für die Anwendung von § 8 ZPO aus. Der vom Kammergericht zitierte Beschluss des V. Zivilsenats des , BeckRS 2016, 16090) betrifft den Fall der Herausgabe eines vom Kläger an den Beklagten verkauften Grundstücks und ist für die vorliegende Sache nicht einschlägig.

5bb) Ist das Ende des streitigen Miet- oder Pachtverhältnisses - wie hier - weder bestimmt noch sonst näher bestimmbar, so ist im Rahmen der Wertbemessung gemäß § 8 ZPO die in § 9 ZPO festgelegte Höchstgrenze des dreieinhalbfachen Jahresbetrages entsprechend anzuwenden (s. etwa Senatsbeschlüsse vom aaO; vom aaO und vom aaO, jeweils mwN).

6b) Demzufolge richtet sich der Wert der Beschwer der Klägerin nach dem dreieinhalbfachen Jahresbetrag des für streitige Gartenparzelle zu entrichtenden Pachtzinses. Dieser beläuft sich auf monatlich 49,13 €, so dass sich ein Beschwerdewert von 2.063,46 € ergibt.

72. Der Gebührenstreitwert des Beschwerdeverfahrens richtet sich gemäß § 41 Abs. 1 GKG nach dem einfachen Betrag des Jahrespachtzinses für die von der Beklagten genutzte Gartenparzelle (= 589,56 €). Wie oben (zu 1 a aa) ausgeführt, ist die Beklagte nicht als außerhalb des Nutzungsverhältnisses stehende Dritte anzusehen. Beruft sich die auf Räumung und Herausgabe verklagte Partei - wie hier die Beklagte - auf ein Besitzrecht aus einem (Kleingarten-)Pachtvertrag, so genügt dies gerade auch im Hinblick auf den sozialen Schutzzweck dieser Streitwertregelung für die Anwendung von § 41 GKG.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2018:291118BIIIZR222.18.0

Fundstelle(n):
NJW 2019 S. 9 Nr. 3
WAAAH-02212