NWB Nr. 47 vom Seite 3425

§ 8c KStG wird zurechtgestutzt

Dr. Ingmar Dörr | RA/StB/Partner Hogan Lovells International LLP, München

Was § 8c KStG mit Würsten gemein hat

Otto von Bismarck soll gesagt haben: „Je weniger die Leute wissen, wie Würste und Gesetze gemacht werden, desto besser schlafen sie.“ Dies trifft ganz besonders auf die schon mehrfach geänderte Verlustvernichtungsregelung des § 8c KStG zu, die den Steuerpflichtigen und Steuerberatern nicht nur Schlaf, sondern auch Nerven raubt. Nach der Vorschrift gehen steuerliche Verluste und Verlustvorträge einer Körperschaft verloren, wenn innerhalb von fünf Jahren mittelbar oder unmittelbar mehr als 25 % der Anteile an einer Körperschaft an einen Erwerber oder Erwerbergruppe übertragen wurden. Bei Übertragungen von mehr als 50 % der Anteile kommt es zum totalen, bei Übertragungen von mehr als 25 % bis zu 50 % zu einem partiellen Verlustwegfall.
Mit seinem Beschluss vom erklärte das BVerfG den pro-rata-Verlustwegfall nach § 8c Abs. 1 Satz 1 KStG bei schädlichen Beteiligungserwerben über 25 % und bis zu 50 % für die Zeiträume bis 2015 für unvereinbar mit Art. 3 Abs. 1 GG und erteilte dem Gesetzgeber einen Änderungsauftrag bis . Dieser ließ sich lange Zeit, bevor man sich zu der jetzt vorgesehenen kompletten Streichung des Satzes 1 der Vorschrift durchrang. Die Gesetzesänderung rutschte dann auch recht spät in die Beschlussempfehlung des Finanzausschusses für den „Entwurf eines Gesetzes zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen beim Handel mit Waren im Internet und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften“ (BT-Drucks. 19/5595 v. ). Diese wurde am vom Bundestag verabschiedet und bedarf noch der Zustimmung des Bundesrats.
Leider wurde die bisherige Praxis der unklaren Gesetzgebung in der Anwendungsregelung des § 34 Abs. 6 KStG-E perpetuiert: Ursprünglich sollte geregelt werden, dass der bisherige § 8c Satz 1 bzw. Abs. 1 Satz 1 KStG auf schädliche Beteiligungserwerbe nach dem und vor dem nicht anzuwenden sind. Die jetzt verabschiedete Anwendungsregelung erwähnt die frühere Regelung des § 8c Satz 1 bzw. Abs. 1 Satz 1 KStG gar nicht mehr. Vielmehr steht dort nur, dass die fortbestehenden und zum Totalverlustwegfall führenden Regelungen erstmals für den Veranlagungszeitraum 2008 Anwendung finden. In der Folge bliebe die frühestens für den Veranlagungszeitraum 2018 entfallende pro-rata-Verlustwegfallregelung damit für sämtliche Zeiträume bis einschließlich Veranlagungszeitraum 2017 grds. in Kraft (!) und stünde in Anwendungskonkurrenz zur Neuregelung. Auch wenn es in der Gesetzesbegründung heißt, dass der quotale Verlustuntergang „für die Zeit ab 2007 auch für schädliche Beteiligungserwerbe nach dem aufgehoben wird“, spiegelt sich diese Absicht im Gesetzeswortlaut nicht eindeutig wider. Die Konsequenz der wenig nachvollziehbaren rückwirkenden „Gesetzesüberschreibungstechnik“ ist nach derzeitigem Stand des Gesetzgebungsverfahrens, dass dem Regelungsauftrag des BVerfG nicht wirklich nachgekommen sein dürfte. Weitere Folge wäre, dass § 8c Abs. 1 Satz 1 KStG a. F. nach dem 3. Leitsatz des BVerfG-Beschlusses für die Jahre ab seinem Inkrafttreten bis zum aufgrund richterlich angeordneter Nichtigkeit nicht anzuwenden ist.
Ein klassisches Beispiel dafür, dass sich jedenfalls in der Herstellung von Gesetzen seit Bismarck nicht viel geändert zu haben scheint ...

Ingmar Dörr

Fundstelle(n):
NWB 2017 Seite 3425
NWB RAAAG-99319