BGH Beschluss v. - 4 StR 282/18

Strafbefreiender Rücktritt vom versuchten Mord: Anforderungen an die Erörterung des Rücktrittshorizonts des Täters in den Urteilsfeststellungen

Gesetze: § 23 StGB, § 24 StGB, § 211 StGB, § 267 StPO

Instanzenzug: Az: 2 Ks 15/17

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und vorsätzlichem gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr (zur Herbeiführung eines Unglücksfalls) zu der Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt; ferner hat es Maßnahmen nach den §§ 69, 69a StGB angeordnet. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge Erfolg.

21. Die Verurteilung des Angeklagten wegen versuchten Mordes hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand. Das Landgericht hat mit rechtsfehlerhafter Begründung einen Rücktritt vom Versuch gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 StGB abgelehnt. Es hat gemeint, die Voraussetzungen eines strafbefreienden Rücktritts vom versuchten Mord lägen nicht vor, weil es sich um einen beendeten Versuch handele.

3Diese knappen Ausführungen des Landgerichts zum Rücktritt vom versuchten Mord leiden an einem durchgreifenden Erörterungsmangel. Denn das Schwurgericht setzt sich nicht mit dem Vorstellungsbild des Angeklagten nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung – dem sogenannten Rücktrittshorizont – auseinander. Soweit sich den Urteilsfeststellungen das entsprechende Vorstellungsbild des Angeklagten, das zur revisionsrechtlichen Prüfung des Vorliegens eines freiwilligen Rücktritts vom Versuch unerlässlich ist, nicht hinreichend entnehmen lässt, kann das Urteil einer sachlich-rechtlichen Überprüfung nicht standhalten (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 1 StR 83/18, NStZ-RR 2018, 169; vom – 5 StR 303/17, NStZ-RR 2018, 10; vom – 4 StR 471/16, JuS 2017, 550; vom – 1 StR 735/13, NStZ 2014, 396; vom – 3 StR 298/11, NStZ 2012, 263 und vom – 4 StR 8/03, StraFo 2003, 206; Urteil vom – 1 StR 647/12, NStZ-RR 2013, 273).

4Im vorliegenden Fall hat das Landgericht nicht erörtert, ob der den Tatort verlassende Angeklagte nach seinem Vorstellungsbild noch weitere Ausführungshandlungen ohne Unterbrechung des unmittelbaren Handlungsfortgangs hätte vornehmen können. Das Urteil teilt lediglich mit, dass der Angeklagte schnell davonfuhr, nachdem er den mit dem Fahrrad in die Kreuzung P.   straße/K.  straße in A.    eingefahrenen neuen Freund seiner ehemaligen Partnerin absichtlich angefahren, auf die Motorhaube aufgeladen und nach einem Aufprall gegen die Windschutzscheibe auf den Boden geschleudert hatte. Damit bleibt nach den Urteilsfeststellungen unklar, ob der Angeklagte von einem erfolgreichen oder nicht erfolgreichen vorangegangenen Tun ausging, mithin, ob es sich aus seiner Sicht um einen fehlgeschlagenen, beendeten oder unbeendeten Versuch handelte. Mangels dahingehender Ausführungen im Urteil ist es nicht ausgeschlossen, dass der Angeklagte nach seinem Vorstellungsbild im unmittelbaren Anschluss an die Kollision noch weitere Ausführungshandlungen hätte vornehmen können, anstatt sogleich den Tatort zu verlassen (vgl. dazu auch aaO). Das Fehlen entsprechender Feststellungen und Erörterungen steht einer abschließenden Prüfung durch das Revisionsgericht entgegen.

52. Der dargelegte Rechtsfehler nötigt zur Aufhebung des Urteils mit den Feststellungen. Die Aufhebung umfasst auch die Verurteilung wegen der hiermit in Tateinheit stehenden weiteren Gesetzesverletzungen (vgl. Gericke in KK-StPO, 7. Aufl., § 353 Rn. 12).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2018:310718B4STR282.18.0

Fundstelle(n):
ZAAAG-97637