BFH Urteil v. - I R 44/01

VGA bei Zusage einer nicht finanzierbaren Alters- und/oder Invaliditätsversorgung

Gesetze: KStG § 8 Abs. 3 Satz 2

Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),

Gründe

I. Gesellschafter und jeweils einzelvertretungsberechtigte Geschäftsführer der Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), einer am mit einem Stammkapital von 50 000 DM gegründeten GmbH, sind A, geboren am…1939, und sein Bruder B, geboren am…1945. Beide sind Ingenieure. Die Klägerin führte den zuvor von den Gesellschaftern in Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) geführten Geschäftsbetrieb fort. Das Anlagevermögen wurde von der GbR gepachtet. Gegenstand des Unternehmens ist vor allem die Planung, Beratung, Begutachtung und Bauleitung von Gebäuden und Freianlagen.

Die Ertragssituation des Unternehmens stellte sich wie folgt dar:


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Jahr
Jahresüberschuss   (TDM)
Eigenkapital zum 31. Dezember (TDM)
GbR
1988
134
 
 
1989
131
 
 
1990
524
 
 
1991
328
 
GmbH
1991
./. 85   
./. 35   
 
1992
 92
 56
 
1993
176
233
 
1994
160
277

Mit Verträgen vom erteilte die Klägerin beiden Gesellschafter-Geschäftsführern eine Pensionszusage, bestehend aus der Zusage eines Altersruhegeldes bei Ausscheiden aus Altersgründen, spätestens mit Vollendung des 67. Lebensjahres, oder bei Ausscheiden aus gesundheitlichen Gründen vor Vollendung des 65. Lebensjahres, jeweils in Höhe von 70 v.H. des durchschnittlichen Monatsgehaltes der letzten drei Jahre vor dem Ausscheiden, sowie der Zusage einer Witwenrente in Höhe von 60 v.H. der Pension des Geschäftsführers. Rückdeckungsversicherungen wurden nicht abgeschlossen. In ihren Bilanzen wies die Klägerin folgende Pensionsrückstellungen aus:


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A
B
Gesamt
39 185 DM
22 487 DM
61 672 DM
79 583 DM
46 024 DM
125 607 DM
121 228 DM
70 671 DM
191 899 DM
199 153 DM
117 100 DM
316 253 DM

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt —FA—) erkannte die Pensionsrückstellungen wegen mangelnder Ernsthaftigkeit und Finanzierbarkeit der Zusagen steuerlich nicht an und behandelte die Rückstellungszuführungen in den Streitjahren 1992 bis 1994 als verdeckte Gewinnausschüttungen (vGA).

Die Klage gegen die hiernach ergangenen Steuerbescheide hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) gab ihr mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2001, 776 wiedergegebenen Gründen statt.

Seine Revision stützt das FA auf Verletzung materiellen Rechts.

Es beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG. Die bisherigen tatrichterlichen Feststellungen lassen eine abschließende Entscheidung des Senats über das Vorliegen von vGA aufgrund der den beiden Gesellschafter-Geschäftsführern erteilten Versorgungszusagen nicht zu.

1. Unter einer vGA i.S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) ist bei einer Kapitalgesellschaft eine Vermögensminderung (verhinderte Vermögensmehrung) zu verstehen, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist, sich auf die Höhe des Unterschiedsbetrages gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG auswirkt und in keinem Zusammenhang zu einer offenen Ausschüttung steht. Für den größten Teil der entschiedenen Fälle hat der Senat die Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis angenommen, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte (ständige Rechtsprechung des Senats).

2. Nach der Rechtsprechung des Senats können Zuführungen zu einer Pensionsrückstellung, die eine GmbH gemäß § 6a EStG i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG wegen einer ihrem Geschäftsführer erteilten Pensionszusage bilden muss, zu einer vGA führen, wenn die Zusage durch das Gesellschaftsverhältnis (mit)veranlasst ist.

a) Das FA beurteilt die Vermögensminderungen aufgrund der Zuführungen zu der Pensionsrückstellung in den Streitjahren als vGA, da es annimmt, die Zusage sei für die Klägerin von Anfang an nicht finanzierbar gewesen. Dabei geht es entsprechend Abschn. 32 Abs. 1 Satz 9 der Körperschaftsteuer-Richtlinien (KStR) davon aus, dass eine einem beherrschenden Gesellschafter erteilte Pensionszusage immer dann für die Gesellschaft nicht finanzierbar sei, wenn bei einem unmittelbar nach dem Bilanzstichtag eintretenden Versorgungsfall die Passivierung des Barwerts der künftigen Pensionsleistungen abzüglich der Leistungen aus einer etwaigen Rückdeckungsversicherung zu einer bilanziellen Überschuldung der Gesellschaft führen würde. Schließt die Zusage —wie im Streitfall— eine Invalidenversorgung ein, ist nach bisheriger Auffassung der Finanzverwaltung bei Prüfung der Finanzierbarkeit die im Invaliditätsfall eintretende Passivierungspflicht zu berücksichtigen (vgl. , BStBl I 1999, 512 Tz. 2.2). Eine Aufteilung der Zusage in einen finanzierbaren und einen nicht finanzierbaren Teil kommt danach nicht in Betracht (BMF-Schreiben in BStBl I 1999, 512 Tz. 2.3).

Dieser Verwaltungsauffassung ist nicht zu folgen. Wie der erkennende Senat zwischenzeitlich wiederholt entschieden hat, ist bei der Beurteilung der Finanzierbarkeit einer Versorgungsanwartschaft das sog. Bilanzsprungrisiko nicht zu berücksichtigen. Im Einzelnen nimmt der Senat auf seine Urteile vom I R 15/00 (BFHE 194, 191, BFH/NV 2001, 980), vom I R 14/00 (BFH/NV 2001, 1147), vom I R 79/00 (BFHE 197, 164, BFH/NV 2002, 287) und vom I R 86/00 (BFH/NV 2002, 675) Bezug.

b) Die Finanzierbarkeit der erteilten Pensionszusage hängt nach dieser Rechtsprechung davon ab, ob die Passivierung des Anwartschaftsbarwerts der Pensionsverpflichtung (§ 6a Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 EStG) im Zusagezeitpunkt zur Überschuldung der Gesellschaft im insolvenzrechtlichen Sinne führen würde. Nach dem Senatsurteil vom I R 7/01 (BFH/NV 2003, 426), auf das verwiesen wird, kann anstelle des grundsätzlich anzusetzenden Anwartschaftsbarwertes gemäß § 6a Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 EStG ausnahmsweise auch der handelsrechtliche Teilwert der Pensionsverpflichtung treten, sofern die GmbH nachweist, dass dieser niedriger ist als der Anwartschaftsbarwert.

Der Anwartschaftsbarwert oder ggf. der Teilwert sowie die übrigen in einer (fiktiven) Überschuldungsbilanz als Passivposten anzusetzenden Beträge sind den aktiven Wirtschaftsgütern mit ihren für eine Überschuldungsbilanz maßgeblichen Werten gegenüberzustellen. Dabei sind allerdings nur die Wirtschaftsgüter des betreffenden Steuerpflichtigen einzubeziehen, nicht jene einer anderen Person, auch dann nicht, wenn diese mit dem Steuerpflichtigen im Rahmen einer Betriebsaufspaltung als Besitzgesellschaft verbunden ist. Zwar ist denkbar, dass das ”handelsbilanzielle Grundgerüst” aufgrund des ”speziellen Bilanzierungsanlasses” erweitert wird (so Drukarczyk/Schüler in Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, § 19 InsO Rz. 97); mögliche Ergänzungen ergeben sich u.U. auch bei Zugehörigkeit des Steuerpflichtigen zu einem Konzernverbund (Drukarczyk/ Schüler, a.a.O.). Aktivvermögen des Gesellschafters gehört dazu jedoch nicht. Es muss sich um vermögenswerte Ansprüche handeln, die dem Steuerpflichtigen einen unmittelbaren Zugriff erlauben. Demgegenüber sind immaterielle Vermögensgegenstände und damit auch der (originäre) Geschäftswert des Unternehmens zu erfassen, allerdings nur dann, wenn das Unternehmen fortgeführt werden soll oder wenn konkrete Aussichten dafür bestehen, dass das Unternehmen als Ganzes veräußert werden kann (vgl. Kuhn/ Uhlenbruck, Konkursordnung, 11. Aufl., § 102 Rz. 6 k; Drukarczyk/Schüler, a.a.O., § 19 InsO Rz. 93; K. Schmidt in Scholz, Kommentar zum GmbH-Gesetz, 8. Aufl., § 63 Rz. 18). Ergibt sich hiernach eine Überschuldung, liegt eine vGA vor, andernfalls nicht.

c) Die Entscheidung des Streitfalles hängt also zunächst davon ab, welche Barwerte, ggf. auch welche Teilwerte die Versorgungsanwartschaften von A und B im Zeitpunkt der Zusagenerteilung hatten, und im Übrigen davon, welche Aktivwerte diesen Positionen gegenüberzustellen sind. Dazu ist ein fiktiver insolvenzrechtlicher Überschuldungsstatus aufzustellen, an welchem es bislang fehlt. Dies wird vom FG im 2. Rechtsgang nachzuholen sein.

Die Zurückverweisung der Sache an das FG erübrigt sich nicht angesichts der vom FG getroffenen Feststellungen zur Ertragslage der Klägerin. Zwar kann sich die Ertragslage der Gesellschaft aus konkursrechtlicher (insolvenzrechtlicher) Sicht auch auf die Finanzierbarkeit einer Pensionszusage auswirken, dies allerdings lediglich im Hinblick darauf, ob sie mittelfristig voraussichtlich eine Fortführung des Unternehmens ermöglicht. Insoweit ist auf das Senatsurteil in BFH/NV 2003, 426 zu verweisen.

3. Sofern sich im 2. Rechtsgang herausstellen sollte, dass die Pensionsverpflichtungen zugunsten der A und B nicht in ihrer Gesamtheit, sondern nur teilweise finanzierbar waren, kommt ggf. eine teilweise Anerkennung der Zusagen in Betracht. Hierzu wird ebenfalls auf die vorstehende Senatsrechtsprechung verwiesen.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
BFH/NV 2003 S. 945
BFH/NV 2003 S. 945 Nr. 7
DStRE 2003 S. 669 Nr. 11
BAAAA-70044