BAG Urteil v. - 9 AZR 578/17

Rundung von bruchteiligen Urlaubstagen

Gesetze: § 1 TVG, BUrlG

Instanzenzug: Az: 15 Ca 569/16 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Köln Az: 3 Sa 826/16 Urteil

Tatbestand

1Im Revisionsverfahren verlangt die Klägerin von der Beklagten, ihr Schadensersatz in Form von Ersatzurlaub für 0,15 Arbeitstage Urlaub aus dem Jahr 2016 zu leisten.

2Die Beklagte beschäftigt die Klägerin seit dem als Fluggastkontrolleurin im Schichtdienst am Flughafen K. Auf das Arbeitsverhältnis findet der Manteltarifvertrag für Sicherheitskräfte an Verkehrsflughäfen vom (MTV) Anwendung. Der MTV enthält ua. folgende Regelungen:

3Die Beklagte gewährte der Klägerin für das Jahr 2016, in dem die Klägerin an 244 Arbeitstagen tätig war, an insgesamt 28 Arbeitstagen Urlaub.

4Die Klägerin hat die Rechtsauffassung vertreten, sie habe für das Jahr 2016 einen Anspruch auf 28,15 Arbeitstage Urlaub gehabt. Dieser sei im Umfang von 0,15 Arbeitstagen verfallen, da die Beklagte sich geweigert habe, ihr mehr als 28 Arbeitstage Urlaub zu gewähren.

5Die Klägerin hat - soweit für die Revision von Bedeutung - zuletzt beantragt,

6Die Beklagte hat die Abweisung der Klage ua. mit der Begründung beantragt, Urlaubsansprüche, die sich auf einen Bruchteil von weniger als 0,5 beliefen, seien auf volle Arbeitstage abzurunden.

7Das Arbeitsgericht hat die Klage - soweit für die Revision von Bedeutung - abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landesarbeitsgericht das Urteil des Arbeitsgerichts teilweise abgeändert und der Klage ua. hinsichtlich des von der Klägerin geltend gemachten Ersatzurlaubsanspruchs für das Jahr 2016 stattgegeben. Mit der vom Senat auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten zugelassenen Revision begehrt die Beklagte diesbezüglich die Wiederherstellung des Urteils des Arbeitsgerichts.

Gründe

8Die zulässige Revision der Beklagten ist nicht begründet. Hinsichtlich des Ersatzurlaubsanspruchs für das Jahr 2016 im Umfang von 0,15 Arbeitstagen hat das Landesarbeitsgericht das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts auf die Berufung der Klägerin zu Recht abgeändert und der Klage insoweit stattgegeben.

9I. Die Klage ist in diesem Umfang zulässig und begründet. Der Klägerin steht gegen die Beklagte der geltend gemachte Anspruch auf Ersatzurlaub zu (§ 275 Abs. 1 und Abs. 4, § 280 Abs. 1 und Abs. 3, § 283 Satz 1, § 286 Abs. 1 Satz 1, § 287 Satz 2, § 249 Abs. 1 BGB). Der Urlaubsanspruch der Klägerin für das Jahr 2016 betrug jedenfalls 28,15 Arbeitstage. Eine Abrundung des Anspruchs auf 28 Arbeitstage kommt nicht in Betracht. Die Beklagte hat den Anspruch durch die Gewährung von Urlaub an 28 Arbeitstagen teilweise erfüllt (§ 362 Abs. 1 BGB). Der Resturlaubsanspruch im Umfang von jedenfalls 0,15 Arbeitstagen ging spätestens mit Ablauf des unter (§ 7 Abs. 3 Satz 1 bis Satz 3 BUrlG). Da sich die Beklagte zu diesem Zeitpunkt mit der Urlaubsgewährung im Verzug befand (§ 286 Abs. 1 Satz 1 BGB), hat sie der Klägerin Schadensersatz in Form von Ersatzurlaub zu leisten.

101. Der Umfang des der Klägerin zustehenden Urlaubs richtet sich nach § 17 Abs. 2 MTV. Gemäß § 17 Abs. 2 Unterabs. 4 MTV ist der in § 17 Abs. 2 Unterabs. 1 MTV für in der Fünftagewoche beschäftigte Arbeitnehmer tarifierte Urlaub - hier 30 Arbeitstage - für Arbeitnehmer, die wie die Klägerin Schichtarbeit leisten, nach der Formel

umzurechnen. Auf der Grundlage von 244 Arbeitstagen ergibt sich danach für das Jahr 2016 ein Urlaubsanspruch im Umfang von jedenfalls 28,15 Arbeitstagen.

112. Zutreffend ist das Landesarbeitsgericht davon ausgegangen, dass der Urlaubsanspruch der Klägerin nicht auf 28 Arbeitstage abzurunden ist. Nach der Rechtsprechung des Senats kommt ohne eine gesonderte Rundungsvorschrift eine Rundung von Bruchteilen von Urlaubstagen nicht in Betracht (vgl. zuletzt  - Rn. 30 ff.).

12a) Weder das BUrlG noch der MTV enthalten eine solche Rundungsregelung. Soweit die Beklagte für die Auslegung des MTV in erster Linie auf Praktikabilitätserwägungen abstellt, sind diese nicht maßgebend, da sie im Wortlaut der Tarifvorschrift keinen Niederschlag gefunden haben (vgl. zu den für die Auslegung eines Tarifvertrags geltenden Grundsätzen  - Rn. 16).

13b) Eine ergänzende Tarifauslegung, wie sie die Beklagte hilfsweise für angezeigt erachtet, scheidet mangels Tariflücke aus (vgl. zu den Voraussetzungen einer ergänzenden Tarifauslegung  - Rn. 44). § 17 Abs. 1 MTV verweist für sämtliche Regelungsbereiche, für die die Tarifvertragsparteien in § 17 Abs. 2 bis Abs. 4 MTV keine eigenständige Tarifregelung geschaffen haben, auf die Vorschriften des BUrlG. Dieses enthält abgesehen von der vorliegend nicht einschlägigen Vorschrift des § 5 Abs. 2 BUrlG keine Rundungsvorschriften. Soweit die Beklagte auf eine Kommentierung des MTV durch die Tarifvertragsparteien verweist, verkennt sie, dass die Kommentierung eines Tarifvertrags nicht Bestandteil der kommentierten Tarifregelung ist.

14II. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2018:080518.U.9AZR578.17.0

Fundstelle(n):
DB 2018 S. 2060 Nr. 34
DStR 2018 S. 10 Nr. 35
NJW 2018 S. 10 Nr. 30
NJW 2018 S. 2818 Nr. 38
CAAAG-87981