BFH Beschluss v. - I B 69/01

Gründe

I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) betreibt ein Unternehmen, das die wirtschaftliche und technische Beratung, Planung, Verwertung und Verwaltung von Grundbesitz und sonstigen Vermögenswerten zum Gegenstand hat. Gesellschafter der Klägerin war in den Streitjahren zu 100 % A, der auch ihr Geschäftsführer war. Als solcher erhielt er kein Festgehalt, sondern die Bezahlung erfolgte nach Zeitaufwand. Derzeit befindet sich die Klägerin in Liquidation.

Im Rahmen einer Steuerfahndungsprüfung wurde u.a. folgendes festgestellt:

1. Die Klägerin hatte der Ehefrau des A, der B, nach entsprechender Beauftragung drei Interessentengruppen für den Kauf eines Grundstücks benannt. Diese Interessenten waren der Klägerin wiederum von der Firma Y mit Sitz in USA benannt worden. Nachdem das Grundstück erfolgreich an eine der drei Interessentengruppen vermittelt wurde, stellte die Klägerin der B einen Provisionsbetrag (inklusive Umsatzsteuer) in Höhe von 444 684 DM in Rechnung, welchen diese auch zahlte. Parallel überwies sie auf eine Rechnung der Y hin einen Betrag (inklusive Umsatzsteuer) in Höhe von 250 000 DM auf ein Konto der Y ”Europa”.

Nach den Ermittlungen des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt —FA—) handelte es sich bei der Y um eine Briefkastenfirma. Nach einer Auskunft des Bundesamtes für Finanzen (BfF) sowie der Steuerfahndung der Vereinigten Staaten war die Y inaktiv und hatte ihren Sitz in einer Appartementanlage in Nevada. Die Löschung der Firma im Handelsregister erfolgte in 1994. Im Telefonbuch war die Y weder in den USA noch in Europa verzeichnet. Eine Gewerbeerlaubnis wurde in USA nicht beantragt und auch keine Steuernummer erteilt. Unter der angegebenen Telefonnummer meldete sich vielmehr ein Anrufbeantworter, der die Identität des Inhabers des Anschlusses nicht preisgab. Auf der Grundlage dieser Feststellungen erkannte das FA die als Betriebsausgaben geltend gemachte Zahlung in Höhe von 250 000 DM mangels hinreichender Empfängerbenennung nicht an.

2. Bei der Gewinn- und Verlustrechnung hatte die Klägerin weiterhin zwei Rechnungen der Firma A & Partner betreffend Planungsleistungen für das o.g. Grundstück über 96 900 DM und

34 200 DM (jeweils inklusive Umsatzsteuer) als Betriebsausgaben berücksichtigt. Das FA qualifizierte die Zahlung der ersten Rechnung als verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) gegenüber dem A und erkannte die in Rechnung gestellte Umsatzsteuer nicht als Vorsteuer an. Zur Begründung führte es aus, die Klägerin habe die an eine ”GmbH III” gerichtete Rechnung gezahlt. Diese Zahlung sei aus gesellschaftlichen Gründen erfolgt, denn sie beruhe allein auf der Stellung des A als Alleingesellschafter der Klägerin. Auch den Betriebsausgabenabzug hinsichtlich der zweiten Rechnung lehnte das FA ab.

Nach der Schlussbesprechung erließ es entsprechende Änderungsbescheide. Dagegen legte die Klägerin nach erfolglosem Einspruchsverfahren Klage beim Finanzgericht (FG) ein, das diese als unbegründet abwies und die Revision gegen sein Urteil nicht zuließ.

Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde, die sie mit der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache, einer Divergenz der Vorentscheidung zu einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) sowie mit revisiblen Verfahrensmängeln begründet.

Dem ist das FA entgegengetreten.

II. Die Beschwerde der Klägerin ist unbegründet und war daher zurückzuweisen. Nach § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.d.F. des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze (2.FGOÄndG) vom ist die Revision nur zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des BFH erfordert oder ein Verfahrensfehler geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

1. Die von der Klägerin aufgeworfenen Rechtsfragen haben keine grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.

a) Soweit die Klägerin meint, der Rechtssache komme grundsätzliche Bedeutung zu, weil im Allgemeininteresse klärungsbedürftig sei, was der BFH mit der Formulierung ”ein Benennungsverlangen ist grundsätzlich dann gerechtfertigt, wenn die Vermutung nahe liegt, der Zahlungsempfänger habe den Bezug zu Unrecht nicht versteuert” meint, ist dem nicht zu folgen. Es ist schon zweifelhaft, ob die Klägerin insoweit überhaupt eine Rechtsfrage i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO aufgeworfen hat, wenn sie einen einzelnen Passus aus einer BFH-Entscheidung zitiert und angibt, dieser sei aus sich heraus nicht verständlich. Selbst wenn man aber das Vorliegen einer Rechtsfrage annimmt, so ist diese jedenfalls nicht klärungsbedürftig, weil sie durch die einschlägige höchstrichterliche Rechtsprechung und unter Berücksichtigung des Kontextes der jeweiligen Entscheidung hinreichend geklärt ist. Es handelt sich nämlich bei dem vorgenannten Passus nicht um eine isolierte Aussage des BFH, sondern um einen Obersatz, unter den das Gericht dann jeweils den konkreten Sachverhalt subsumiert. Bereits in der von der Klägerin angegebenen Entscheidung des (BFH/NV 1996, 891) hat dieser ausgeführt, dass sich im konkreten Streitfall die Vermutung, der entsprechende Kläger habe den Bezug zu Unrecht nicht versteuert, daraus ergab, dass er Quittungen nicht vorlegen konnte, obwohl er Waren auch von Gewerbetreibenden bzw. aus dem Betriebsvermögen von Landwirten gekauft hatte. Der vorgenannte Passus wird auch keineswegs nur in jener Entscheidung gebraucht, sondern entstammt älteren Entscheidungen des BFH (vgl. Urteil vom I R 66/86, BFHE 158, 7, BStBl II 1989, 995 unter Verweis auf Kommentarstellen) und wird auch dort jeweils auf den konkreten Sachverhalt bezogen. Es ist offenkundig, dass das Gericht nicht in einer einzelnen Entscheidung alle denkbaren Fälle auflisten kann, in denen die Vermutung nahe liegt, dass Bezüge nicht ordnungsgemäß versteuert wurden. Vielmehr ist es Aufgabe der FG, jeweils im konkreten Entscheidungsfall zu prüfen, ob eine solche Vermutung nahe liegt.

b) Das FG hat vor diesem Hintergrund im Streitfall zu Recht die vorgenannte Vermutung greifen lassen. Demgemäß sind auch die Behauptungen der Klägerin zurückzuweisen, das FA habe ins Blaue hinein und ohne Beweise vorzulegen behauptet, deutsche Besteuerungsinteressen seien tangiert. Zwar entspricht es der Rechtsprechung, dass das Benennungsverlangen ermessensfehlerhaft ist, wenn der jeweilige Empfänger der deutschen Besteuerung überhaupt nicht unterliegt (vgl. nur , BFHE 145, 502, BStBl II 1986, 318). Gerade bei Domizilgesellschaften ist aber allgemein anerkannt, dass als Empfänger die hinter dieser Gesellschaft stehenden Personen zu werten sind (vgl. die Rechtsprechungsnachweise bei Tipke in Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 160 AO Tz. 15, und Klein/Rüsken, Abgabenordnung, § 160 Anm. 2). Lassen sich diese nicht feststellen, so kann keinesfalls ausgeschlossen werden, dass inländische Besteuerungsinteressen berührt werden. Demgemäß ist auch ein entsprechendes Benennungsverlangen nicht ermessensfehlerhaft. Der Senat sieht keine Veranlassung, die Wertung des FG anzuzweifeln, dass es sich bei der Y ”USA” und ”Europa” um derartige Domizilgesellschaften gehandelt hat.

2. Eine Divergenz i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zum (BFHE 188, 280, BStBl II 1999, 434) liegt nicht vor. Abgesehen davon, dass der dort beurteilte Fall im Inland spielt, geht der XI. Senat des BFH ersichtlich von den gleichen Grundsätzen wie auch das FG im Streitfall aus. Insbesondere führt er —in Übereinstimmung mit dem zuvor Gesagten— aus, dass ein Benennungsverlangen als erste Stufe der Ermessensausübung grundsätzlich rechtmäßig sei, wenn aufgrund der Lebenserfahrung die Vermutung nahe liege, dass der Empfänger einer Zahlung den Bezug zu Unrecht nicht versteuert habe. Dies sei regelmäßig der Fall, wenn feststehe, dass die Angaben über den Empfänger einer Zahlung (Name und Anschrift) in der Buchführung unzutreffend oder nicht vollständig seien. Es ist offensichtlich, dass der BFH —wiederum in Übereinstimmung mit dem zuvor Gesagten— den konkreten Einzelfall unter den auch vom FG verwendeten Obersatz subsumiert.

3. Die Klägerin hat auch keinen Verfahrensfehler i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO geltend gemacht, der vorliegt und auf dem das Urteil der Vorinstanz beruhen kann.

a) Soweit die Klägerin dem FG vorwirft, es habe nicht aufgeklärt, ob und wie die Ermittlungen hinsichtlich der Scheinfirmeneigenschaft der Y verlaufen seien, ist dem nicht zu folgen. Das FG ist vielmehr den Angaben des BfF, der US-amerikanischen Finanzverwaltung und auch den Angaben in den Unterlagen der Steuerfahndung gefolgt, die es zuvor angefordert und auch —ausweislich des Protokolls zur mündlichen Verhandlung und des Tatbestandes des Urteils— in den Prozess eingeführt hatte. Aus den vorgenannten Unterlagen ergibt sich der Verlauf der jeweiligen Ermittlungen. Die dortigen Angaben geben auch keinen Anlass zu Zweifeln hinsichtlich der Richtigkeit der dort enthaltenen Angaben. Sie sind jeweils logisch nachvollziehbar, in sich schlüssig und ausführlich begründet. Insbesondere geht auch ihr Inhalt hinsichtlich der Scheinfirmeneigenschaft der Y in dieselbe Richtung, obwohl unterschiedliche Behörden ermittelt haben. Es ist vor diesem Hintergrund nicht erkennbar, warum das FG den dort enthaltenen Angaben nicht hätte Glauben schenken sollen.

b) Es ist auch nicht zutreffend, dass die Vorentscheidung unzureichend begründet ist. Weder wird in der Vorentscheidung lediglich der Inhalt der vorgenannten Auskünfte wiedergegeben noch werden wesentliche Teile des Urteils eingescannt. Vielmehr führt das FG aus, dass es auf Grund insbesondere der Mitteilungen des BfF Zweifel an der Richtigkeit des angegebenen Empfängers habe, so dass das Benennungsverlangen geboten gewesen sei. Schon aus dieser Aussage ergibt sich, dass das FG den Auskunftsinhalt selbst gewürdigt hat. Soweit es zudem überhaupt Passagen aus BFH-Urteilen verwendet hat, hat es dies ersichtlich und unter Nennung der Quellen nur in dem Sinne getan, Obersätze zur Subsumtion des Streitfalls zu gewinnen. Dies entspricht nicht nur allgemeiner juristischer Arbeitsweise, sondern führt schon deshalb zu keinem Begründungsmangel, weil die jeweiligen Obersätze durch eigene und umfangreiche Subsumtionen des FG auf den Streitfall angewendet worden sind.

c) Es ist auch falsch, wenn die Klägerin meint, dass deshalb eine Überraschungsentscheidung des FG vorliege, weil dieses sich auf eine eidesstattliche Versicherung gestützt habe, ohne ihr zuvor Gelegenheit zur Stellung der betreffenden Person als Zeuge zu geben bzw. ihr hinsichtlich bestimmter Widersprüche Nachfragen gestellt zu haben. Ersichtlich hat das FG den Inhalt der eidesstattlichen Versicherung nur neben vielen anderen Umständen gewertet. Auch ist zu berücksichtigen, dass die Beibringung einer eidesstattlichen Versicherung regelmäßig eine Zeugeneinvernahme überflüssig machen soll. Nur wenn sich wiederum begründete Zweifel an der Richtigkeit des Inhalts der eidesstattlichen Versicherung aufdrängen, hat das Gericht von sich aus auf die Einvernahme der betreffenden Person als Zeuge zu dringen und entsprechende Hinweise zu geben. Derartige Zweifel sind im Streitfall nicht ersichtlich. Gleiches gilt im Übrigen für die von der Klägerin monierte fehlende Zeugeneinvernahme der Beamten des BfF und der US-amerikanischen Finanzverwaltung. Aus den gleichen Gründen ist auch ein Verstoß gegen das Gebot der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme nicht gegeben.

d) Die Klägerin dringt auch mit ihrem Argument nicht durch, dass ein i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO beachtlicher Verfahrensfehler schon darin liege, dass A statt als Partei als Zeuge vernommen worden sei. Es ist auch hier nicht erkennbar, dass A als Partei anders ausgesagt haben würde als als Zeuge. Dies gilt umso mehr, als der Beweiswert einer Zeugenaussage höher einzustufen ist als der einer Parteivernehmung. Vor diesem Hintergrund kann offen bleiben, ob das FG nicht trotz der anderslautenden Protokollierung von einer Parteivernehmung ausgegangen ist.

e) Eine Überraschungsentscheidung hinsichtlich der vom FG angenommenen vGA kann schließlich schon deshalb nicht vorliegen, weil das FA ausweislich der Akten die Klägerin noch vor der mündlichen Verhandlung schriftlich auf den Aspekt der Notwendigkeit einer von vornherein vorliegenden klaren und eindeutigen Vereinbarung hingewiesen hat.

Im Übrigen ergeht der Beschluss gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO ohne weitere Begründung.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2003 S. 324
BFH/NV 2003 S. 324 Nr. 3
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