BGH Beschluss v. - II ZR 239/16

Kommanditistenhaftung: Rückwirkung der Vorschrift zur Rückgewähr von Einlagen oder Ausschüttungen nach dem Kapitalanlagegesetzbuch

Gesetze: § 152 Abs 2 S 1 KAGB, § 353 KAGB, § 171 Abs 1 HGB, § 171 Abs 2 HGB, § 172 Abs 4 HGB, Art 28 Abs 2 AIFM-UmsG

Instanzenzug: LG Rottweil Az: 1 S 31/16 Urteilvorgehend AG Horb Az: 1 C 368/15

Gründe

1I. Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen einer Containerschiff-Fonds KG und fordert vom Beklagten die Rückzahlung von 3.600 € gemäß § 172 Abs. 4, § 171 Abs. 1, 2 HGB.

2Der Beklagte übernahm als Kommanditist der Insolvenzschuldnerin eine Einlageverpflichtung in Höhe von 20.000 €. Von ihrer Gründung im Jahr 2003 bis zur Insolvenzeröffnung Ende 2013 erwirtschaftete die Insolvenzschuldnerin fast jedes Jahr Verluste. Die Kapitalkonten der Kommanditisten waren bereits im Beitrittsjahr unter den Betrag der jeweiligen Hafteinlage herabgemindert. Von 2005 bis 2008 erhielt der Beklagte Ausschüttungen in Höhe von insgesamt 7.600 €. Im Rahmen eines gescheiterten Sanierungsversuchs der Insolvenzschuldnerin zahlte der Beklagte 4.000 € an diese zurück. Im Insolvenzverfahren reicht die freie Masse nicht aus, die angemeldeten Forderungen zu befriedigen.

3Der Kläger nimmt den Beklagten auf Zahlung der noch nicht zurückgezahlten Ausschüttungen in Höhe von 3.600 € in Anspruch. Der Beklagte hat einen "Widerruf der Entnahmen von Liquidität" erklärt und hilfsweise mit einer Forderung aus vorsätzlich sittenwidriger Schädigung in Höhe von 3.600 € die Aufrechnung erklärt.

4Das Amtsgericht hat den Beklagten zur Zahlung der Klageforderung verurteilt.

5Die hiergegen gerichtete Berufung des Beklagten ist erfolglos geblieben. Er verfolgt mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision seinen Klageabweisungsantrag weiter.

6II. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor und die Revision hat auch keine Aussicht auf Erfolg.

71. Das Berufungsgericht (LG Rottweil, Urteil vom - 1 S 31/16, juris) hat - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - ausgeführt: Die Haftung des Beklagten sei nicht durch § 152 Abs. 2 Satz 1 KAGB ausgeschlossen, da die Vorschrift erst am in Kraft getreten sei und die Übergangsvorschrift des § 353 Abs. 4 KAGB keine Rückwirkung vorsehe. Ohnehin trete die persönliche Haftung des Kommanditisten auch im Falle eines Verstoßes gegen § 152 Abs. 2 Satz 1 KAGB ein, weil dieser lediglich im Innenverhältnis zwischen Kommanditist und Gesellschaft zu einem Schadensersatzanspruch führe, nicht jedoch zu einem Ausschluss der Haftung im Außenverhältnis. Ein solcher Ausschluss ergebe sich auch nicht aus einer entsprechenden Anwendung des Verbraucherkreditrechts (§§ 491 ff. BGB). Zwar habe die Rechtsprechung die Vorschriften des Verbraucherkreditrechts auch auf einen Schuldbeitritt angewandt, dieser sei aber mit dem Wiederaufleben der Kommanditistenhaftung nach §§ 171, 172 Abs. 4 HGB nicht vergleichbar.

82. Ein Zulassungsgrund besteht nicht. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern keine Entscheidung des Bundesgerichtshofs.

9a) Es stellen sich keine Fragen von grundsätzlicher Bedeutung.

10aa) Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache zu, wenn sie eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deswegen das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage dann, wenn sie zweifelhaft ist, also über Umfang und Bedeutung einer Rechtsvorschrift Unklarheiten bestehen. Derartige Unklarheiten bestehen u.a. dann, wenn die Rechtsfrage vom Bundesgerichtshof bisher nicht entschieden ist und von einigen Oberlandesgerichten unterschiedlich beantwortet wird, oder wenn in der Literatur unterschiedliche Meinungen vertreten werden (, ZIP 2016, 266 Rn. 3 mwN).

11bb) Es stellen sich keine klärungsbedürftigen Rechtsfragen im Hinblick auf eine Rückwirkung des § 152 Abs. 2 KAGB auf Ausschüttungen vor Inkrafttreten dieses Gesetzes. Eine Rückwirkung ist nicht anzunehmen.

12In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist geklärt, dass Schuldverhältnisse in Bezug auf Inhalt und Wirkung dem Recht unterstehen, das zur Zeit der Verwirklichung ihres Entstehungstatbestandes galt, wenn eine Rückwirkung nicht eindeutig gesetzlich bestimmt wird. Dieser allgemeine Rechtsgedanke wird aus Artikel 170 EGBGB abgeleitet (st. Rspr., , BGHZ 44, 192, 194; Urteil vom - IX ZR 100/86, BGHZ 99, 363, 369; Urteil vom - VII ZR 169/09, WM 2010, 2090 Rn. 6).

13Die Haftung des Beklagten für Schulden der Insolvenzschuldnerin lebte schon vor Inkrafttreten des Kapitalanlagegesetzbuchs wieder auf, das nach Artikel 28 Abs. 2 des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2011/61/EU über die Verwalter alternativer Investmentfonds (AIFM-UmsG) vom (BGBl. I S. 1981) am in Kraft getreten ist. Der Beklagte ist der Insolvenzschuldnerin bereits im Jahr 2003 beigetreten. Er hat von 2005 bis 2008 die streitgegenständlichen Ausschüttungen vereinnahmt. Zu diesem Zeitraum war sein Kapitalkonto unter den Betrag seiner Hafteinlage herabgemindert.

14Eine eindeutige gesetzliche Bestimmung, die eine Rückwirkung bestimmt, besteht nicht. Ein rückwirkendes Inkrafttreten des § 152 KAGB kann Artikel 28 Abs. 2 AIFM-UmsG entgegen der Ansicht der Revision angesichts dessen eindeutigen Wortlauts nicht entnommen werden.

15Das Kapitalanlagegesetzbuch hat mit § 353 KAGB eine ausdrückliche Übergangsregelung. Deren Anwendung auf geschlossene alternative Investmentfonds wie den vorliegenden ist nicht klärungsbedürftig, da insoweit keine Unklarheiten bestehen. Eine rückwirkende Anwendung des § 152 KAGB aufgrund des § 353 KAGB ist eindeutig nicht vorgesehen. Sie wird von der Revision auch nicht geltend gemacht.

16cc) Das vor Inkrafttreten des Kapitalanlagegesetzbuchs geltende und auf die streitgegenständliche Beteiligung anwendbare Recht ist im Hinblick auf die Behandlung von Ausschüttungen hinreichend geklärt. Der Senat hat wiederholt klargestellt, dass jede Zuwendung an den Kommanditisten, durch die dem Gesellschaftsvermögen ein Wert ohne eine entsprechende Gegenleistung entzogen wird, eine Rückzahlung der Einlage gemäß § 172 Abs. 4 HGB darstellt (zuletzt , ZIP 2017, 77 Rn. 9). Danach kommt es auf den Empfangswillen des Kommanditisten nicht an.

17dd) Ein Klärungsbedarf besteht auch nicht im Hinblick auf eine rückwirkende Neuinterpretation des vor Inkrafttreten des Kapitalanlagegesetzbuchs geltenden Rechts. Eine solche kommt im Hinblick auf § 152 Abs. 2 KAGB - entgegen der Ansicht der Revision - nicht in Betracht. Sie setzte einen Willen des Gesetzgebers voraus, dass er die Rechtslage mit der Norm lediglich klarstellen und keine konstitutive Neuregelung wollte (vgl. , BGHZ 179, 71 Rn. 12 - MPS). Eine Neuregelung ist hier anzunehmen, weil es nach der Gesetzesbegründung für bestehende geschlossene alternative Investmentfonds, die keine zusätzlichen Anlagen tätigen, bei der bisherigen Rechtslage bleiben sollte (Gesetzentwurf der Bundesregierung zum AIFM-UmsG, BT-Drucks. 17/12294, S. 305). Auch lassen die differenzierten gesetzlichen Übergangsregelungen in §§ 343 ff. KAGB erkennen, dass keine bloße Klarstellung des bisherigen Rechts beabsichtigt war.

18ee) Soweit das Berufungsgericht die Revision im Hinblick auf die Frage zugelassen hat, welche Rechtsfolgen eine etwaige Anwendbarkeit des § 152 Abs. 2 KAGB im Verhältnis zu Gesellschaftsgläubigern hat, fehlt es bereits an der Entscheidungserheblichkeit. Auf die Rechtsfrage kommt es nicht an, weil § 152 Abs. 2 KAGB nicht anwendbar ist.

19ff) Die aufgeworfene Rechtsfrage einer entsprechenden Anwendbarkeit der §§ 491 ff. BGB auf Rückzahlungen nach § 172 Abs. 4 Satz 1, 2 HGB ist ebenfalls nicht klärungsbedürftig.

20Dass in Rechtsprechung und Literatur unterschiedliche Auffassungen zur Anwendbarkeit der §§ 491 ff. BGB auf Rückzahlungen nach § 172 Abs. 4 Satz 1, 2 HGB vertreten werden, ist weder ersichtlich, noch von der Revision dargelegt worden. Die Anwendung des Verbraucherdarlehensrechts auf Rückzahlungen nach § 172 Abs. 4 Satz 1, 2 HGB liegt vielmehr fern (s.u. III. 1.).

21b) Aus den genannten Gründen zur Ablehnung der grundsätzlichen Bedeutung der Sache folgt auch, dass der Streitfall keine Veranlassung gibt, Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen oder des Verfahrensrechts aufzustellen oder Gesetzeslücken auszufüllen. Eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur Fortbildung des Rechts ist nicht erforderlich. Auch für die Erforderlichkeit einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung gibt es keinen Anhalt.

22III. Die Revision hat auch in der Sache keine Aussicht auf Erfolg. Das Berufungsgericht hat einen Anspruch des Klägers aus § 171 Abs. 1, 2, § 172 Abs. 4 Satz 1, 2 HGB zutreffend bejaht.

231. Die Haftung des Beklagten wegen Einlagenrückgewähr scheidet nicht aufgrund einer entsprechenden Anwendung des Verbraucherdarlehensrechts (§§ 491 ff. BGB) aus.

24Die Revision kann sich nicht auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur entsprechenden Anwendung des Verbraucherkreditrechts auf den Schuldbeitritt zu einem Kreditvertrag berufen. Diese hat maßgeblich darauf abgestellt, dass der Vertrag über einen Schuldbeitritt einem Kreditvertrag bei wertender Betrachtung gleichzustellen sei, wenn es sich bei dem Vertrag, zu dem der Beitritt erklärt wird, um einen Kreditvertrag im Sinne des Verbraucherkreditrechts handelt. Da das Verbraucherkreditrecht die Beteiligung Dritter auf Seiten des Kreditnehmers nicht regelt, besteht im Fall des Schuldbeitritts zu einem Kreditvertrag eine Lücke, die durch eine entsprechende Anwendung geschlossen werden muss (, BGHZ 133, 71, 74 f.).

25Bei der Einlagenrückgewähr fehlt es bereits an einem Kreditvertrag, der als Anknüpfungspunkt dienen könnte. Eine Ausschüttung bei möglicher späterer Rückzahlungspflicht ist kein Kreditvertrag. Zudem bestehen grundsätzliche Unterschiede zwischen der Haftung aus einem Schuldbeitritt und der Haftung des Kommanditisten. Letztere beruht auf einer gesetzlichen Regelung und nicht wie beim Schuldbeitritt zu einem Verbraucherdarlehen auf einer vertraglichen Vereinbarung. Schließlich ist die Interessenslage nicht vergleichbar. Zu Recht hat das Berufungsgericht darauf hingewiesen, dass das Verbraucherkreditrecht den Schutz des Vertragspartners bezweckt, die §§ 171, 172 HGB hingegen den Schutz der Gläubiger der Gesellschaft.

262. Der Beklagte kann nicht mit einem Schadensersatzanspruch (hilfsweise) aufrechnen. Die Revision wendet sich nicht gegen die Ablehnung eines Anspruchs des Beklagten aus § 826 BGB durch das Berufungsgericht. Rechtsfehler sind insoweit auch nicht ersichtlich. Ein auf einen Verstoß gegen § 152 Abs. 2 KAGB gestützter Schadensersatzanspruch scheitert bereits an der fehlenden Anwendbarkeit der Vorschrift auf die Beteiligung des Beklagten.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2018:200318BIIZR239.16.0

Fundstelle(n):
WM 2018 S. 1099 Nr. 23
QAAAG-86238