BGH Beschluss v. - 5 StR 600/17

Verständigung über das Verfahrensergebnis im Strafverfahren: Strafrechtliche Vermögensabschöpfung als Verständigungsgegenstand

Gesetze: § 73 StGB vom , §§ 73ff StGB vom , § 257c Abs 2 StGB

Instanzenzug: Az: 21 KLs 2/17

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sieben Fällen und wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Daneben hat es die Einziehung sichergestellter Betäubungsmittel und gemäß § 73c StGB in der seit geltenden Neufassung die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 61.260 Euro angeordnet. Die gegen das Urteil gerichtete Revision, mit der der Angeklagte die Verletzung formellen und sachlichen Rechts rügt, ist unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

2Der Erörterung bedarf ergänzend zu den Ausführungen des Generalbundesanwalts lediglich Folgendes:

I.

3Mit ihrer Rüge der Verletzung des § 257c StPO beanstandet die Revision, dass sich das Landgericht von der im Wege einer Verständigung getroffenen Vereinbarung gelöst habe, die eine Einziehung des Wertes von Taterträgen nicht geregelt habe. Hierdurch sei ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden, da der Angeklagte davon ausgegangen sei, dass eine Vermögensabschöpfung unterbleiben werde.

41. Der Revisionsführer trägt hierzu vor:

5Am ersten Hauptverhandlungstag vom kam es auf Anregung der Verteidigung zu einem Rechtsgespräch während einer hierzu erfolgten Unterbrechung der Hauptverhandlung. Dort kündigte der Verteidiger an, dass der Angeklagte seine nach Eröffnung des Hauptverfahrens abgegebene geständige Einlassung wiederholen wolle, und äußerte sich zu strafmildernden Zumessungsgesichtspunkten sowie zu seiner Erwartung einer schuldangemessenen Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren, von der zwei Jahre im Maßregelvollzug absolviert werden könnten. Der Vorsitzende wies unter anderem darauf hin, dass eine Anordnung der Maßregel gemäß § 64 StGB der Verständigung nach § 257c StPO nicht zugänglich sei. Nach Ausführungen des Vertreters der Staatsanwaltschaft zu Aspekten einer Strafzumessung gab der Vorsitzende den weiteren Hinweis, dass eine Entscheidung über den Widerruf der Bewährung bezüglich einer früheren Freiheitsstrafe nicht Gegenstand einer Verständigung sein könne. Dies könne nur eine mögliche Strafe im laufenden Verfahren sein. Nach Wiedereintritt in die Hauptverhandlung teilte der Vorsitzende den Inhalt des Sondierungsgespräches mit und die Strafkammer unterbreitete ihren Vorschlag, für den Fall einer geständigen Einlassung eine Gesamtfreiheitsstrafe zwischen fünf Jahren und sechs Jahren sechs Monaten zu verhängen. Dem stimmten nach seiner Belehrung der Angeklagte sowie sein Verteidiger und der Vertreter der Staatsanwaltschaft zu. Anschließend äußerte sich der Angeklagte zur Sache.

62. Die Rüge ist unbegründet.

7a) Ein Verstoß gegen § 257c StPO liegt nicht vor. Der vom Revisionsführer behauptete Widerspruch zwischen dem Inhalt der Verständigung und den mit dem angefochtenen Urteil erkannten Rechtsfolgen ist nicht gegeben. Von der Vereinbarung der Strafkammer mit den Verfahrensbeteiligten gemäß § 257c Abs. 3 StPO war die Frage einer strafrechtlichen Vermögensabschöpfung zu Recht nicht erfasst.

8Wie die Anordnung des Verfalls nach den bis zum geltenden Bestimmungen der §§ 73, 73a StGB aF gehört auch die Einziehung von Taterträgen nach §§ 73 bis 73c StGB nF nicht zu den einer Verständigung zugänglichen Rechtsfolgen gemäß § 257c Abs. 2 StPO. Denn die jeweiligen Entscheidungen stehen nicht im Ermessen des Gerichts, sondern sind zwingend vorgeschrieben (vgl. MüKo-StPO/Jahn/Kudlich, § 257c Rn. 101; Ordner, wistra 2017, 50, 53 mwN). Zwingende Maßnahmen der Vermögensabschöpfung sind als solche einer Verständigung nicht zugänglich.

9Eine als Verständigungsgegenstand allenfalls in Betracht kommende Verfahrensbeschränkung nach §§ 442, 430 StPO aF (vgl. BVerfG, NStZ 2016, 422, 424; Altvater, FS für Rissing-van Saan, 2011, S. 14; KK-StPO/Moldenhauer/Wenske StPO 7. Aufl., § 257c Rn. 15) oder nunmehr nach der Regelung des § 421 StPO nF ist im Verständigungsvorschlag der Strafkammer weder ausdrücklich noch stillschweigend vorgesehen gewesen. Gleiches gälte für eine Heranziehung der Härtevorschrift des § 73c StGB aF, soweit man einer im Schrifttum vertretenen Auffassung folgen wollte, eine solche könne unter Umständen Verständigungsgegenstand sein (so Niemöller in: Niemöller/Schlothauer/Weider, Gesetz zur Verständigung im Strafverfahren, 2010, S. 86). Für das neue Recht bedarf diese Frage im Übrigen keiner Entscheidung mehr, weil die genannte Härtevorschrift nicht in das heute geltende Recht übernommen worden ist (vgl. die vollstreckungsrechtliche Neuregelung in § 459g Abs. 5 StPO).

10b) Der Beschwerdeführer ist auch nicht in seinem Anspruch auf ein faires Verfahren (Art. 20 Abs. 3 GG, Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK) verletzt.

11aa) Aus dessen Gewährleistung hat die höchstrichterliche Rechtsprechung allerdings für Fälle, in denen die Verhängung einer Bewährungsstrafe Gegenstand einer Verständigung war, eine Verpflichtung des Gerichts zur Offenlegung des gesamten Umfangs der Rechtsfolgenerwartung vor Zustandekommen der Verständigung in Bezug auf Bewährungsauflagen abgeleitet (BGH, Beschlüsse vom - 4 StR 254/13, BGHSt 59, 172, 174, 175, und vom - 1 StR 346/16, NStZ-RR 2016, 379; siehe auch OLG Saarbrücken, NJW 2014, 238, 239; OLG Frankfurt, NJW 2015, 1974, 1975). Danach könne eine autonome Entscheidung über seine Mitwirkung an einer Verständigung der Angeklagte lediglich in Kenntnis der gesamten Rechtsfolgenerwartung treffen. Angesichts der Genugtuungsfunktion von Bewährungsauflagen und ihres strafähnlichen Charakters seien diese Teil der Rechtsfolgenerwartung. Erst die Information darüber, dass neben der Strafe selbst weitere Maßnahmen mit Vergeltungscharakter und möglichen erheblichen Belastungen drohen, versetzten den Angeklagten in die Lage, von seiner Entscheidungsfreiheit auf einer hinreichenden tatsächlichen Grundlage Gebrauch zu machen (, aaO Rn. 11, 12; vgl. zur Abgrenzung bei einer nicht von der Informationspflicht umfassten Bewährungsweisung einer Wohnsitzwechselanzeige BGH, Beschlüsse vom - 1 StR 426/14, NStZ 2015, 179, 180, und vom - 1 StR 346/16, aaO; OLG Frankfurt, aaO S. 1976).

12bb) Derartige Informations- und Hinweispflichten hat das Landgericht nicht verletzt. Entgegen dem Vortrag der Revision ist der Angeklagte vorliegend nicht erstmals durch das Plädoyer der Staatsanwaltschaft auf die Möglichkeit der Vermögensabschöpfung hingewiesen worden; vielmehr wurde er über Grund und Höhe einer solchen Maßnahme bereits hinlänglich durch die Anklageschrift informiert. Danach hatte für ein rechtmäßiges Absehen von einer Anordnung des Verfalls kein Raum bestanden.

13Hinzu kommt, dass der Vorsitzende nach dem in der Hauptverhandlung mitgeteilten Inhalt des Sondierungsgesprächs bereits unmissverständlich klargestellt hatte, dass Gegenstand einer Verständigung nur eine mögliche Strafe im laufenden Verfahren sein könne. Dem Angeklagten, bei dem aus Rauschgiftgeschäften Erlöse bzw. Bargeld in szenetypischer Stückelung in Höhe von insgesamt 10.500 Euro gefunden wurden, musste daher klar sein, dass ihm der Wert seiner Taterträge nicht belassen bleiben würde.

II.

14Auch die Strafzumessung hält revisionsrechtlicher Nachprüfung stand. Insbesondere war das Landgericht nicht gehalten, die angeordnete Einziehung des Wertes von Taterträgen strafmildernd zu berücksichtigen. Für die frühere Regelung des Verfalls entsprach es der ständigen Rechtsprechung, dass diese Maßnahme trotz bisweilen erheblicher Belastungen für den Verurteilten keinen Strafcharakter hat und keinen Genugtuungs-, sondern einen Präventionszweck verfolgt (, NJW 1995, 2235 f.; vom - 5 StR 138/01, BGHSt 47, 260, 265 f.; vom - 1 StR 46/06, BGHSt 51, 65, 67, und vom - 1 StR 166/07, BGHSt 52, 227, 248; vgl. auch BVerfG, NJW 2004, 2073, 2074). Die umfassende Neuregelung der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung hat zwar unter anderem zu einer Änderung des Begriffs der Maßnahme geführt, ihren Rechtscharakter aber unberührt gelassen (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, BT-Drucks. 18/9525 S. 55; siehe auch Köhler, NStZ 2017, 497, 498, 502). Danach besteht auch kein Anlass, von der bisherigen Rechtsprechung abzuweichen, die aus der Rechtsnatur des Instituts abgeleitet hat, dass die mit dessen Anwendung verbundene Vermögenseinbuße regelmäßig keinen Strafmilderungsgrund darstellt (vgl. , aaO, und vom - 5 StR 486/14, NStZ-RR 2015, 281, 282; Beschlüsse vom - 3 StR 324/99, NStZ 2000, 137, und vom - 1 StR 479/00, NStZ 2001, 312).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2018:060218B5STR600.17.0

Fundstelle(n):
AO-StB 2019 S. 21 Nr. 1
wistra 2018 S. 299 Nr. 7
wistra 2018 S. 505 Nr. 12
SAAAG-84370