Online-Nachricht - Montag, 11.12.2017

Mietrecht | BVerfG soll über Mietpreisbremse entscheiden (LG)

Die Zivilkammer 67 des Landgerichts Berlin hält die Vorschrift im BGB über die sog. Mietpreisbremse (§ 556d BGB) für verfassungswidrig und hat am beschlossen, dem Bundesverfassungsgericht diese Frage zur Entscheidung vorzulegen ().

Sachverhalt und Verfahrensgang: Es handelt sich um die Klage zweier Mieter, die die höchstzulässige Miete für ihre Wohnung nach den Vorschriften über die sog. Mietpreisbremse festgestellt haben wollen. Das Amtsgericht gab der Klage der Mieter teilweise statt und stellte in seinem Urteil fest, dass die von der Mieterin geschuldete Miete unter Beachtung der gesetzlichen Vorgaben der Mietpreisbremse weniger betrage. Bei Vertragsbeginn habe die ortsübliche Vergleichsmiete ausweislich des Berliner Mietspiegels 2015 für die von der Mieterin angemietete Wohnung nur bei 6,68 EUR pro Quadratmeter gelegen; diese hätte die Vermieterin um höchstens 10 % überschreiten dürfen.

Gegen das erstinstanzliche Urteil legte die Vermieterin Berufung ein und berief sich darauf, das Amtsgericht habe die maßgebliche ortsübliche Vergleichsmiete, die Grundlage dafür ist, die zulässige Wohnungsmiete zu bestimmen, fehlerhaft ermittelt. Das Amtsgericht habe zu Unrecht kein Sachverständigengutachten eingeholt und sich unzulässig nur auf den Berliner Mietspiegel 2015 gestützt. Abgesehen davon könnten die Vorschriften der Mietpreisbremse ohnehin nicht zu Lasten eines Vermieters angewandt werden, da sie gegen das Grundgesetz verstießen.

Hierzu führte das LG u.a. aus:

  • Es liegt eine ungleiche Behandlung von Vermietern vor. Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches gleich zu behandeln. Soweit der Gesetzgeber Differenzierungen vornimmt, müssen diese durch Gründe gerechtfertigt werden, die dem Ziel der Differenzierung und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Dies hat der Gesetzgeber bei der Neuregelung von § 556d BGB nicht beachtet und in verfassungswidriger Weise in das Recht der Mietvertragsparteien, im Rahmen ihrer Vertragsfreiheit den Mietpreis zu regeln, eingegriffen.

  • § 556d BGB in Verbindung mit der von dem Land Berlin erlassenen Rechtsverordnung begrenzt die zulässige Neuvermietung auf 110 % der ortsüblichen Vergleichsmiete.

  • Der Wohnungsmietmarkt weist bundesweit preislich seit Langem starke Unterschiede auf. Die Differenz in der ortsüblichen Vergleichsmiete beträgt zum Beispiel zwischen der Stadt München und dem Westteil der Stadt Berlin ca. 4,30 € pro Quadratmeter in 2013 und 4,70 € pro Quadratmeter in 2016 (Miete pro Quadratmeter in München 10,25 € bzw. 11,16 € gegenüber 5,90 € bzw. 6,46 € in Berlin). Dies entspricht einem Unterschied von über 70 %.

  • Damit hat der Gesetzgeber eine Bezugsgröße gewählt, die Vermieter in unterschiedlichen Städten wesentlich ungleich trifft. Weder der Gesetzeszweck noch die mit der gesetzlichen Regelung verbundenen Vorteile noch sonstige Sachgründe rechtfertigten dies.

  • Es liegt auch deshalb eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung vor, da diejenigen Vermieter, die bereits in der Vergangenheit eine (zu) hohe Miete (d.h. eine 10 % der ortsüblichen Vergleichsmiete übersteigende Miete) mit ihrem Mieter vereinbart hatten, ungerechtfertigt begünstigt werden. Denn diese Vermieter dürfen bei einer Neuvermietung die „alte“ Miete weiterhin unbeanstandet verlangen.

  • Die Vorschrift der Mietpreisbremse verstößt auch gegen das im Grundgesetz verankerte Bestimmtheitsgebot.

  • Das Bundesgesetz (§ 556d BGB) verpflichtet die jeweilige Landesregierung nicht dazu, die Vorschrift im Landesrecht umzusetzen, auch wenn der Wohnungsmarkt im gesamten Bundesland oder in einzelnen Kommunen angespannt ist. Deshalb sind Vermieter in den Bundesländern Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Saarland bislang nicht von der Mietpreisbremse betroffen, da die Landesregierungen dort trotz zumindest nicht auszuschließender Anspannung einzelner kommunaler Wohnungsmärkte weiterhin davon absehen, die bundesgesetzlichen Vorschriften zur Mietpreisbremse durch eine Landesverordnung zu vollziehen.

  • Durch dieses uneinheitlich bindende Regelungssystem verstößt der Bundesgesetzgeber in verfassungswidriger Weise gleichzeitig gegen das am Gesamtstaat zu messende Gleichheitsgebot und das Bestimmtheitsgebot.

Hinweis:

Die schriftliche Begründung des Beschlusses liegt noch nicht vor.
Die Zivilkammer 65 des Landgerichts Berlin sah das Bundesgesetz für verfassungsgemäß an (vgl. LG Berlin, Pressemitteilungen Nr. 23/2017 und 17/2017).

Quelle: LG Berlin, Pressemitteilung Nr. 75/2017 v. 11.12.2017 (Ls)

Fundstelle(n):
NWB AAAAG-64975