BGH Beschluss v. - IX ZA 16/17

Prozesskostenhilfebewilligungsverfahren: Gewährungsanspruch von durch Insolvenz aufgelösten Vereinigungen

Gesetze: § 116 Abs 1 Nr 2 ZPO

Instanzenzug: Az: 5 U 2875/16vorgehend LG München I Az: 30 O 13615/13nachgehend Az: IX ZA 16/17 Beschlussnachgehend Az: IX ZA 16/17 Beschlussnachgehend Az: IX ZA 16/17 Beschluss

Gründe

I.

1Die Klägerin zu 1, mehrere Gläubiger der Klägerin zu 2, die sich in einer BGB-Gesellschaft zusammengeschlossen haben, und die Klägerin zu 2, die sich nach Einstellung des im Jahr 2002 eröffneten Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen im Jahr 2008 seither in Liquidation befindet, machen Schadensersatzansprüche gegen den Beklagten persönlich als früheren Insolvenzverwalter über das Vermögen der Klägerin zu 2 geltend. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerinnen ist erfolglos geblieben. Die Klägerinnen beantragen, ihnen Prozesskostenhilfe für die Durchführung des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens gegen den die Berufung zurückweisenden Beschluss vom zu gewähren, um ihre Schadensersatzansprüche gegen den Beklagten weiterzuverfolgen.

II.

2Der Antrag hat keinen Erfolg. Prozesskostenhilfe ist den Klägerinnen bereits deshalb zu versagen, weil die Unterlassung der Rechtsverfolgung durch die Klägerinnen keinen allgemeinen Interessen zuwiderlaufen würde (§ 116 Satz 1 Nr. 2 ZPO).

3Die Klägerinnen als parteifähige Vereinigungen erhalten Prozesskostenhilfe nach § 116 Satz 1 Nr. 2 ZPO nur, wenn das Unterbleiben der Rechtsverteidigung allgemeinen Interessen zuwiderliefe. Dies setzt voraus, dass durch die Entscheidung größere Kreise der Bevölkerung oder des Wirtschaftslebens angesprochen werden und die Entscheidung soziale Wirkungen nach sich ziehen kann (vgl. , NJW 1986, 2058, 2059; vom - IX ZB 145/09, ZIP 2011, 540 Rn. 10 mwN). Das ist vorliegend nicht der Fall. Das Verfahren hat keine wirtschaftliche oder soziale Bedeutung, die ein allgemeines Interesse an der Rechtsverfolgung der Klägerinnen begründen könnte.

4Die als Gesellschaft bürgerlichen Rechts geführte Klägerin zu 1 kann zwar grundsätzlich als parteifähige Vereinigung im Sinne des Prozesskostenhilferechts angesehen werden (vgl. aaO Rn. 6 f). Die Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen ihrer Mitglieder berührt aber keine allgemeinen Interessen. Sie dient nur dem individuellen Interesse der in der Gläubigertreuhand zusammengeschlossenen Personen und ist damit nicht geeignet, die Voraussetzungen des § 116 Satz 1 Nr. 2 ZPO zu begründen. Hieran ändern auch die Ausführungen in dem Schriftsatz vom nichts. Die Gesellschaft ist nur zu dem Zweck gegründet worden, Ansprüche ihrer Mitglieder, deren Anzahl sich nach Erlass des klagabweisenden erstinstanzlichen Urteil von ursprünglich 28 auf 6 Personen reduziert hat, durchzusetzen. Anhaltspunkte, die Unterlassung der Rechtsverfolgung könnte allgemeinen Interessen zuwiderlaufen, wenn die Vereinigung ohne die Durchführung des Rechtsstreits gehindert wäre, der Allgemeinheit dienende Aufgaben zu erfüllen, sind nicht zu erkennen.

5Bezüglich der Klägerin zu 2 scheidet die Bewilligung von Prozesskostenhilfe schon deshalb aus, weil die Gesellschaft ihren Geschäftsbetrieb eingestellt hat und die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen erfolgt ist (vgl. aaO Rn. 9). Die Klägerin zu 2 ist seit dem Jahr 2002 nicht mehr werbend tätig und befindet sich derzeit im Stadium der Liquidation. Damit ist ausgeschlossen, dass von der Durchführung des Prozesses die Existenz eines Unternehmens abhängt, an dessen Erhaltung wegen der großen Zahl von Arbeitsplätzen ein allgemeines Interesse besteht, oder eine große Zahl von Kleingläubigern betroffen ist (vgl. aaO Rn. 10 mwN). Die in dem Schriftsatz vom angedeuteten künftigen Vorhaben der Klägerin zu 2 können die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht rechtfertigen. Durch eine Insolvenzeröffnung aufgelöste, im Liquidationsstadium befindliche Vereinigungen besitzen keine von der Rechtsordnung anerkannte Existenzberechtigung mehr. Diese besteht nur, wenn sie in der Lage sind, ihre Ziele aus eigener Kraft zu verfolgen (BT-Drucks. 8/3068 S. 26 unter Hinweis auf BVerfGE 35, 348 ff, 356). Die Regelung des § 116 Satz 1 Nr. 2 ZPO soll Vorsorge dagegen treffen, dass mittellose Vereinigungen wirtschaftliche Interessen auf Kosten der Allgemeinheit verwirklichen ( aaO Rn. 9 mwN).

6Im Hinblick auf die Versagung von Prozesskostenhilfe für die Durchführung des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens kann offen bleiben, ob den Klägerinnen wegen der Versäumung der Frist zur Einreichung der dem Antrag vom beizufügenden Unterlagen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist. Ob es den am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten zumutbar wäre, die Kosten aufzubringen (§ 116 Satz 1 Nr. 2 ZPO), braucht nicht entschieden zu werden.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2017:191017BIXZA16.17.0

Fundstelle(n):
UAAAG-64079