Online-Nachricht - Mittwoch, 11.10.2017

Verfahrensrecht | Ablaufhemmung bei der Investitionszulage (BFH)

Die Änderung eines Investitionszulagenbescheids nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 2 AO setzt grundsätzlich voraus, dass ein (rückwirkendes) Ereignis nachträglich eingetreten ist. Die Ablaufhemmung i.S. des § 171 Abs. 4 Satz 1 AO tritt grundsätzlich nur für die Investitionszulage ein, auf die sich die Außenprüfung auf der Grundlage der Prüfungsanordnung erstreckt (; veröffentlicht am ).

Hintergrund: Nach § 2 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 Alternative 1 InvZulG 1999 sind neue abnutzbare bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens u.a. dann investitionszulagenbegünstigt, wenn sie bei Vorliegen der weiteren zulagenrechtlichen Voraussetzungen mindestens fünf Jahre nach ihrer Anschaffung oder Herstellung (Fünfjahreszeitraum) zum Anlagevermögen eines Betriebs oder einer Betriebsstätte im Fördergebiet gehören und während des Fünfjahreszeitraums in einem Betrieb des verarbeitenden Gewerbes im Fördergebiet verbleiben.

Sachverhalt: Der Unternehmensgegenstand der Klägerin ist die Vermietung und Verpachtung von Geräten der Bauindustrie, deren Handel, die Produktion von Steinen sowie die Gewinnung und Aufbereitung von Schüttgütern. Die Klägerin beantragte im Jahr 2001 für das Kalenderjahr 2000 eine Investitionszulage für verarbeitendes Gewerbe.

Das FA wies den Antrag zurück; hiergegen klagte die Klägerin. 2003 bzw. 2004 beantragte die Klägerin für das Kalenderjahr 2001 bzw. für die Kalenderjahre 2002 und 2003 Investitionszulagen. Die Anträge für die Jahre 2001 bis 2003 wurden erst nach Abschluss des das Jahr 2000 betreffenden Klageverfahrens (1 K 272/02) bearbeitet. Das FA gelangte zu der Auffassung, dass im Jahr 2004 der überwiegende Wertschöpfungsanteil im Bereich des nicht investitionszulagenbegünstigten Bergbaus erzeugt worden sei.

Hierzu führte der BFH weiter aus:

  • Der Klägerin steht die begehrte Investitionszulage für die Kalenderjahre 2002 und 2003 nicht zu, da sie jedenfalls im Jahr 2004 keinen Betrieb des verarbeitenden Gewerbes i.S. von § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 Alternative 1 InvZulG 1999 unterhielt. Da die durch Investitionszulage geförderten Wirtschaftsgüter nicht während des gesamten fünfjährigen Bindungszeitraums die zulagenrechtlichen Verbleibens-, Zugehörigkeits- und Nutzungsvoraussetzungen erfüllten, ist der Anspruch auf Investitionszulage erloschen.

  • Das FG hat im Ergebnis zutreffend entschieden, dass der Betrieb der Klägerin jedenfalls im Jahr 2004 nicht (mehr) dem verarbeitenden Gewerbe, sondern dem nicht investitionszulagenbegünstigten „Bergbau und Gewinnung von Steinen und Erden“ zuzuordnen ist. Der Bindungszeitraum von fünf Jahren wurde damit für die Investitionen der Kalenderjahre 2002 und 2003 nicht eingehalten.

  • Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 InvZulG 1999 sind die für Steuervergütungen geltenden Vorschriften der AO auf die Investitionszulage entsprechend anwendbar. Die Frist für die Aufhebung oder Änderung einer Festsetzung der Investitionszulage beginnt nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Antrag auf Investitionszulage gestellt worden ist (§ 170 Abs. 3 AO). Die Regelung des § 170 Abs. 3 AO hat zur Folge, dass die Festsetzungsfrist für die erstmalige Festsetzung und diejenige für eine Aufhebung oder Änderung der ursprünglichen Festsetzung getrennt zu berechnen sind.

  • Die Festsetzungsfrist war danach bereits abgelaufen, als das FA den angefochtenen Änderungsbescheid über die Investitionszulage für das Kalenderjahr 2000 im Oktober 2008 erlassen hat. Denn die vierjährige Festsetzungsfrist begann, weil der Antrag im März 2001 gestellt worden war, mit Ablauf des Jahres 2001 und endete mit rechtskräftigem Abschluss des Klageverfahrens 1 K 272/02 im Jahr 2006.

  • Der Beginn der Festsetzungsfrist war nicht nach § 175 Abs. 1 Satz 2 AO hinausgeschoben, da diese Regelung im Streitfall nicht greift. Der Senat braucht dabei nicht zu entscheiden, ob die Verschiebung der Wertschöpfungsanteile im Jahr 2004 ein rückwirkendes Ereignis i.S. des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 Satz 1 Alternative 1 AO darstellt. Denn das (rückwirkende) Ereignis muss nachträglich eintreten, da nur in diesem Fall die Notwendigkeit besteht, die Bestandskraft zu durchbrechen.

Quelle: ; NWB Datenbank (Sc)

Fundstelle(n):
NWB AAAAG-59360