BFH Beschluss v. - VII B 199/00

Gründe

I. Die Beteiligten streiten im zweiten Rechtsgang darüber, ob dem Kläger, Antragsteller und Beschwerdegegner (Kläger) vom Beklagten, Antragsgegner und Beschwerdeführer (Finanzamt für Fahndung und Strafsachen —FA—) zutreffend die Benennung eines Informanten verweigert wird. Mit Urteil vom VII R 88/92 (BFHE 174, 197, BStBl II 1994, 552), auf das wegen der Einzelheiten verwiesen wird, hatte der beschließende Senat das FA verpflichtet, unter Beachtung seiner Rechtsauffassung über den Antrag des Klägers auf Auskunftserteilung erneut zu entscheiden. Das FA lehnte mit Bescheid vom (bestätigt durch Beschwerdeentscheidung der dem FA vorgesetzten wiederum die Benennung des Informanten ab. Hiergegen hat der Kläger erneut Klage vor dem Finanzgericht (FG) erhoben, mit der er sein Ziel weiterverfolgt.

Während des Klageverfahrens bat das FG mit richterlicher Verfügung vom das FA um die Herausgabe sämtlicher Aktenvorgänge, darunter auch um die Vorlage der sog. Handakte Band 1 a. Das FA verweigerte die Herausgabe unter Hinweis darauf, dass sich in dieser Handakte die Anzeige des Informanten und Angaben zu dessen Person befänden. Auch einer wiederholten Bitte um Übersendung der Handakte bzw. einer vollständigen Kopie dieser Akte durch den Vorsitzenden des FG-Senats vom ist das FA nicht nachgekommen. Daraufhin hat der Kläger mit Schriftsatz vom nach § 86 Abs. 3 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) beantragt, das Gericht möge überprüfen, ob die behördliche Weigerung, die betreffende Akte vorzulegen, rechtmäßig sei.

Das FG hat in dem Zwischenstreit das FA verpflichtet, die betreffende Akte dem Gericht vorzulegen, weil das FA eine zulässige Verweigerung zur Vorlage der Akte nicht glaubhaft gemacht habe. Das FA habe bislang allein darauf abgestellt, dass nach seiner Auffassung die Offenbarung nach § 30 Abs. 4 Nr. 4 der Abgabenordnung (AO 1977) ermessensgerecht verweigert werden könne. Zu der Offenbarungsmöglichkeit nach § 30 Abs. 4 Nr. 3 AO 1977, wenn nämlich der Betroffene zustimme, habe das FA nichts gesagt. Ob der Informant weiterhin unter dem Schutz des Steuergeheimnisses stehen möchte, sei dem Gericht nicht bekannt. Aufgrund der Verweigerung der Aktenvorlage könne es diesen auch nicht dazu befragen. Da die Möglichkeit bestehe, dass der Informant jedenfalls derzeit nicht mehr ein Interesse daran hätte, dass seine Informationen weiterhin durch das Steuergeheimnis geschützt würden, ergebe sich zwingend, dass das FA die Verweigerung der Vorlage der Akten nicht glaubhaft gemacht habe.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde des FA. Das FA beanstandet, dass sich das FG weder mit der in das Verfahren eingeführten Problematik der Sperrerklärung nach § 96 der Strafprozessordnung (StPO) des Ministeriums der Finanzen (FM) vom und der daraus für das FA resultierenden Bindungswirkung noch mit der in diesem Fall zwingend vorgeschriebenen Beiladung des FM nach § 86 Abs. 3 Satz 2 FGO auseinander gesetzt habe. Im Übrigen sei der Ansicht des FG, es bestände die Möglichkeit einer Zustimmung des Informanten zur Offenbarung seiner Identität, nicht zu folgen. Die Wahrscheinlichkeit einer Zustimmung des Informanten zu der Offenbarung sei angesichts der dann ihm möglicherweise drohenden Schadensersatzansprüche (z.B. Ersatz der Prozesskosten) als ausgesprochen gering einzustufen.

Das FA beantragt, der Beschwerde abzuhelfen.

Der Kläger beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Er ist wie das FG der Auffassung, es gehöre zu einer fehlerfreien Ermessensausübung, dass das FA bei dem Informanten anfrage, ob er seine Zustimmung zur Offenbarung seines Namens erteile. In der Sache führt der Kläger aus, sein grundrechtlich verbürgtes Persönlichkeitsrecht habe im Streitfall einen höheren Rang als die Einhaltung des Steuergeheimnisses. Durch die Weigerung des FA, die betreffende Handakte vorzulegen, werde auch sein nach Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG) geschützter Anspruch auf Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes verletzt. Das Gericht müsse sein Rechtschutzbegehren in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht prüfen können, um erfolgte Rechtsverletzungen zu beheben. In entsprechender Anwendung des (BVerfGE 101, 106, Neue Juristische Wochenschrift —NJW— 2000, 1175) müsse die betreffende Akte dem FG zugänglich gemacht werden.

II. Die zulässige Beschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur erneuten Entscheidung.

1. Die Beschwerde ist gemäß § 86 Abs. 3 Satz 3 FGO zulässig. Diese spezialgesetzlich geregelte Beschwerde setzt voraus, dass das FG die Vorlage der betreffenden fehlenden Akte angeordnet hatte, die ersuchte Behörde sich daraufhin geweigert hat, dieser Aufforderung nachzukommen und schließlich das FG durch Beschluss eine Entscheidung nach § 86 Abs. 3 Satz 1 FGO getroffen hat, ob glaubhaft gemacht ist, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für die Verweigerung der Vorlage der Akte vorliegen (vgl. die Beschlüsse des Bundesfinanzhofs —BFH— vom II B 64/72, BFHE 109, 12, BStBl II 1973, 504, und vom X B 333/93, BFHE 174, 491, BStBl II 1994, 802). Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt; beschwert ist das FA, da es nach dem getroffenen Beschluss die Akte vorzulegen hat.

2. Die Beschwerde ist auch begründet.

a) Nach § 86 Abs. 1 FGO ist eine Behörde auf Aufforderung eines Gerichts der Finanzgerichtsbarkeit im Wege der Amtshilfe grundsätzlich zur Vorlage von Akten verpflichtet, wobei die Akten regelmäßig vollständig vorzulegen sind. Auch Handakten wie im Streitfall die Handakte Band 1 a eines Fahndungsprüfers gehören zu den vorzulegenden vollständigen Akten (vgl. BFH in BFHE 174, 197, BStBl II 1994, 802). Allerdings dürfen durch die Vorlage der Akten nicht durch das Steuergeheimnis geschützte Verhältnisse Dritter unbefugt offenbart werden. In seiner in dem vorliegenden Verfahren ergangenen Grundsatzentscheidung in BFHE 174, 197, BStBl II 1994, 552, hat der Senat eingehend begründet, dass auch die Namen von Informationspersonen wie Anzeigeerstatter oder Gewährsleute in diesen Schutzbereich fallen. Daran hält der Senat fest.

Unbefugt ist die Offenbarung des Namens eines Anzeigeerstatters dann nicht, wenn die Offenbarung vom Gesetz für zulässig erklärt wird, wie in den Fällen des § 30 Abs. 4 und 5 AO 1977. Die um die Vorlage einer Akte, in der, wie im Streitfall, der Name des Anzeigeerstatters enthalten ist, ersuchte Behörde hat sich, will sie der Aufforderung nicht Folge leisten, dem Gericht gegenüber zu erklären, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für die Verweigerung der Aktenvorlage vorliegen; die Angaben sind gemäß § 86 Abs. 3 Satz 1 FGO glaubhaft zu machen (§ 155 FGO i.V.m. § 294 der ZivilprozessordnungZPO—). Gefordert wird also eine Beweisführung, die dem Gericht einen geringeren Grad von Wahrscheinlichkeit der beweisbedürftigen Tatsachen vermittelt. Regelmäßig wird die ersuchte Behörde eine Ermessensentscheidung zu treffen haben und dabei abwägen und dem Gericht darlegen müssen, weshalb dem Steuergeheimnis, das zugunsten der Informationsperson besteht, der Vorzug gegenüber dem grundrechtlich verbürgten allgemeinen Persönlichkeitsrecht des an der Offenbarung des Namens dieser Informationsperson interessierten Beteiligten zu geben ist. Das der Behörde zustehende Ermessen muss fehlerfrei ausgeübt werden. Dieser Verpflichtung korrespondiert der Anspruch des Betroffenen, dass über seinen Anspruch auf Namensnennung im Wege pflichtgemäßen Ermessens entschieden wird (BFH in BFHE 174, 197, BStBl II 1994, 552).

Darlegungsbedürftig sind insbesondere die Tatsachen, die die Behörde zu der Entscheidung veranlasst haben, entweder einen Fall zulässiger Offenbarung (§ 30 Abs. 4, 5 AO 1977) des Namens des Informanten zu verneinen oder einen Fall zulässiger Offenbarung zwar grundsätzlich anzunehmen, im konkreten Fall aber gleichwohl von der Offenbarung abzusehen, mithin im Ergebnis jedenfalls dem ersuchenden Gericht die Vorlage der gewünschten Akte zu verweigern. Bei der Darlegung und Glaubhaftmachung der getroffenen Entscheidung muss die Behörde sich nicht zu allen in § 30 Abs. 4 und 5 AO 1977 enthaltenen Tatbeständen zulässiger Offenbarung äußern, sondern lediglich zu denen, die nach den Umständen des Falles nahe liegen, weil sie entweder im bisherigen Verfahrensablauf von einem der Beteiligten angesprochen oder problematisiert worden sind oder vom Standpunkt eines unbefangenen Betrachters doch so bedeutsam erscheinen, dass ohne ein Eingehen darauf eine pflichtgemäße Ermessensausübung nicht möglich erscheint. Mit nur entfernt in Betracht kommenden Offenbarungsmöglichkeiten, die eher theoretischer denn praktischer Natur sind, braucht sich die Behörde nicht zu befassen. Es genügt, wenn die wesentlichen Offenbarungsmöglichkeiten angesprochen und abgewogen werden; auf Vollständigkeit kommt es nicht an.

b) Im Streitfall hat das FG das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen für eine Verweigerung der Aktenvorlage durch das FA deshalb als nicht glaubhaft gemacht angesehen, weil das FA die Offenbarungsmöglichkeit des § 30 Abs. 4 Nr. 3 AO 1977 übersehen und folglich keine Ausführungen dazu gemacht habe, ob der betroffene Anzeigeerstatter der Nennung seines Namens zugestimmt habe oder nicht.

Diese Begründung überspannt die dem FA obliegende Verpflichtung zur Darlegung und Glaubhaftmachung von Tatsachen, weil diese nach den gesamten Umständen des Falles so fern der Lebenswirklichkeit liegen, dass man sie auch bei gebührendem Respekt vor der Auffassung des FG als nicht nachvollziehbar und von rein theoretischer Natur bezeichnen muss. Lässt sich ein Informant, wie im Streitfall, schon bei der Erstattung der Anzeige von der Behörde Vertraulichkeit zusichern, ist es regelmäßig nicht angezeigt, weil außerhalb jeglicher Lebenserfahrung, beim Informanten später nachzufragen, ob er nunmehr der Offenbarung seines Namens zustimme. Etwas anderes kann nur dann gelten, wenn Anhaltspunkte für einen Meinungsumschwung bestehen oder die Situation sich grundlegend geändert hat. Im Streitfall ist hierzu nichts ersichtlich. Selbst der Ablauf von nunmehr über 12 Jahren seit der Erstattung der Anzeige führt zu keiner anderen Betrachtung. Zwar heilt die Zeit häufig die Wunden; es ist aber kein vernünftiger Grund ersichtlich, weshalb der Informant allein durch den Zeitablauf anderen Sinnes geworden sein könnte, zumal nach Auffassung des Klägers Strafverfolgungsverjährung für die seiner Ansicht nach vorsätzlich falsche Anzeige noch nicht eingetreten ist, jedenfalls der Informant aber —dies zeigt die Beharrlichkeit des Vorgehens des Klägers— nach wie vor mit anderen empfindlichen Übeln (z.B. Schadensersatzprozesse) rechnen müsste, stimmte er einer Preisgabe seiner Identität zu.

Dass mithin das FA nicht auf die Offenbarungsmöglichkeit nach § 30 Abs. 4 Nr. 3 AO 1977 eingegangen ist, dazu keine neuen Erkundigungen angestellt und die Ergebnisse einer solchen Erkundigung nicht dem Gericht dargelegt hat, führt zu keinem Mangel in der Glaubhaftmachung i.S. des § 86 Abs. 3 Satz 1 FGO und begründet daher hinsichtlich der Entscheidung in der Sache auch keinen dem FA vorzuhaltenden Ermessensfehler. Da der angefochtene Beschluss auf einer gegenteiligen Rechtsauffassung beruht, war er aufzuheben.

3. Die Sache ist nicht spruchreif. Es ist nicht Aufgabe des Senats zu entscheiden, ob hinsichtlich des Grundes, auf den sich das FA für die Verweigerung der Vorlage der Akte in erster Linie gestützt hat, nämlich auf die unzulässige bzw. untunliche Offenbarung des Namens des Informanten nach § 30 Abs. 4 Nr. 4 AO 1977, die Tatsachen vom FA dem FG ausreichend glaubhaft gemacht worden sind. Diese bisher unterlassene Prüfung wird das FG nunmehr nachzuholen haben.

Hierzu weist der Senat auf Folgendes hin: Zu den bei der Ermessensabwägung vom FA zu beachtenden und infolgedessen vom FG zu überprüfenden Grundsätzen hat der Senat bereits in seiner Entscheidung im ersten Rechtsgang in BFHE 174, 197, BStBl II 1994, 552 ausführlich Stellung bezogen. Hinzu kommt ein weiterer Gesichtspunkt, den das BVerfG in seinem Beschluss in BVerfGE 101, 106, NJW 2000, 1175 besonders herausgestellt hat. Da jeder Bürger grundsätzlich die Möglichkeit haben muss, sich gegen ungerechtfertigte Angriffe auf seine Ehre gerichtlich zur Wehr zu setzen, muss die grundrechtliche Gewährleistung eines effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG einen möglichst lückenlosen gerichtlichen Schutz gegen Verletzungen der ebenfalls grundrechtlich geschützten Individualrechtssphäre durch Eingriffe der öffentlichen Gewalt, wie z.B. die Verweigerung der Vorlage der Akten, die Angaben über die Anzeige und den Anzeigeerstatter enthalten, einschließen. Zur Effektivität des Rechtsschutzes gehört es, dass das unabhängige Gericht die tatsächlichen Grundlagen der Verweigerung der Aktenvorlage durch die Behörde selbst ermitteln und seine rechtliche Auffassung unabhängig von der Verwaltung, deren Entscheidung angegriffen ist, gewinnen und begründen muss.

Im Streitfall wird das FG hiernach auch festzustellen haben, ob durch die Verweigerung der Aktenvorlage durch das FA, insbesondere durch die Vorenthaltung der darin befindlichen Unterlagen zur Anzeige und zum Namen des Anzeigeerstatters, die Rechtsschutzgewährleistung des Klägers aus Art. 19 Abs. 4 GG beeinträchtigt wird. Sind die tatsächlichen Grundlagen der Ablehnung der Vorlage der vollständigen Akten auch ohne Offenbarung der Anzeige, ihres genauen Inhalts und des Namens des Anzeigeerstatters erkennbar und damit der eigenständigen rechtlichen Beurteilung durch das FG zugänglich, beeinträchtigt die Nichtvorlage dieser Unterlagen die gebotene effektive Rechtsschutzgewährleistung des Klägers nicht. Das FG muss dann ohne Vorlage der betreffenden Akten seine Entscheidung in der Hauptsache treffen. Dies wird in aller Regel dann der Fall sein, wenn das FA für seine Verweigerung der Aktenvorlage gründliche und nachvollziehbare Ermessenserwägungen angestellt und diese mit Tatsachen belegt hat, die für das FG nachprüfbar sind (vgl. dazu auch , Entscheidungen der Finanzgerichte —EFG— 2000, 903). Dann ist nämlich i.S. des § 86 Abs. 3 Satz 1 FGO glaubhaft gemacht, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für die Verweigerung der Aktenvorlage vorliegen.

Erst wenn das FG bei dieser Prüfung ein Defizit der behördlichen Darlegung hinsichtlich der tatsächlichen Grundlagen der Weigerung feststellen sollte, aufgrund dessen ihm eine selbständige und zuverlässige rechtliche Überprüfung entweder nicht möglich ist oder jedenfalls so erschwert wird, dass die richterliche Überzeugungsbildung nicht wenigstens den erforderlichen Grad der Glaubhaftmachung erreichen kann, aber zu erwarten ist, dass die Offenbarung von Anzeige und Anzeigeerstatter zur Beseitigung dieses Defizits beitragen könnte, wäre das FA zur Vorlage der betreffenden Akte zu verpflichten.

Im Streitfall wäre in diesem Stadium allerdings die Besonderheit zu berücksichtigen, dass das FA seine Weigerung zusätzlich auch auf § 86 Abs. 2 FGO gestützt und dazu dargelegt hat, dass das FM als zuständige oberste Aufsichtsbehörde mit seiner Sperrerklärung vom nach § 96 StPO in das Verfahren eingegriffen und das FA dadurch in seiner Entscheidung gebunden hat. Das FG hätte dann nach § 86 Abs. 3 Satz 2 FGO das FM zu dem Zwischenverfahren ”beizuladen” (s. dazu Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl. 1997, § 86 Rz. 15) und dabei zunächst abzuklären, ob die Sperrerklärung nach § 96 StPO auch für das finanzgerichtliche Zwischenverfahren nach § 86 Abs. 2 und 3 FGO gilt und ggf. sodann anhand der Darlegungen des FM zu überprüfen, ob die gesetzlichen Voraussetzungen des § 86 Abs. 2 FGO für die Verweigerung der Aktenvorlage glaubhaft gemacht worden sind. Sähe das FG auch darin keine ausreichende Glaubhaftmachung, die es ihm ermöglichen würde, zu einer zuverlässigen richterlichen Überzeugungsbildung zu gelangen, und bestände das FM weiter auf der Verweigerung der Aktenvorlage, hätte das FG zu prüfen, ob die Entscheidung des BVerfG (BVerfGE 101, 106, NJW 2000, 1175) zu dem nach Wortlaut und Inhalt vergleichbaren § 99 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung, der vom BVerfG für unvereinbar mit Art. 19 Abs. 4 GG erklärt worden ist, entsprechend auch auf § 86 Abs. 2 i.V.m. § 86 Abs. 3 Satz 1 FGO zu übertragen ist, wofür vieles spricht. Hätte das FG auch diese Frage bejaht, könnte es FM und FA zwar verpflichten, ihm die betreffende Akte zur Einsichtnahme und Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Vorlageverweigerung vorzulegen, müsste aber sicherstellen, dass dem Kläger insoweit keine Akteneinsicht gewährt oder der Akteninhalt in sonstiger Weise, etwa in der Begründung der Entscheidung, bekannt gegeben wird. Ferner hat das BVerfG für diesen Fall bis zu einer gesetzlichen Neuregelung bestimmt, dass das Verfahren zur Prüfung und zur Entscheidung über die Berechtigung der Vorlageverweigerung dem den Vorsitz führenden Richter als Einzelrichtersache zuzuweisen ist.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2001 S. 1366 Nr. 11
IAAAA-67364