BFH Beschluss v. - V B 24/17

Inhaltsgleich mit - Umsätze aus dem Betrieb von Geldspielautomaten sind ungeachtet der Anrechenbarkeit der Umsatzsteuer auf die Spielbankenabgabe umsatzsteuerpflichtig

Leitsatz

Durch die Rechtsprechung des EuGH, des BVerfG und des BFH ist geklärt, dass die Anrechenbarkeit der Umsatzsteuer bei der Erhebung der Spielbankenabgabe umsatzsteuerrechtlich weder gegen den unionsrechtlichen Neutralitätsgrundsatz noch gegen das Diskriminierungsverbot oder das Transparenzgebot verstößt und sich aus der Anrechenbarkeit der Umsatzsteuer bei der Erhebung der Spielbankenabgabe deshalb auch nicht das Gebot einer Umsatzsteuerbefreiung von Umsätzen aus dem Betrieb von Geldspielautomaten bei gleichzeitigem Erhalt des Rechts auf Vorsteuerabzug ergibt.

Gesetze: UStG 2005 § 4 Nr 9 Buchst b, EGRL 112/2006 Art 1 Abs 2, EUGrdRCh Art 20, EUGrdRCh Art 21

Instanzenzug:

Gründe

1 Die Beschwerde ist unbegründet.

2 Die von der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) aufgeworfenen Rechtsfragen haben weder grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der FinanzgerichtsordnungFGO—) noch ist eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Fortbildung des Rechts erforderlich (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO).

3 1. Die Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO kommt nur wegen einer klärungsbedürftigen Rechtsfrage in Betracht (z.B. BFH-Beschlüsse vom VI B 34/16, BFH/NV 2017, 26, Rz 2; vom XI B 54/11, BFH/NV 2012, 279, Rz 7). Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage, deren Beantwortung zweifelhaft ist oder zu der unterschiedliche Auffassungen vertreten werden und die noch nicht oder nicht hinreichend höchstrichterlich geklärt ist (, BFH/NV 2017, 729, Rz 8).

4 Die Klägerin hält sinngemäß für grundsätzlich bedeutsam, ob die betragsgenaue Anrechenbarkeit der Umsatzsteuer bei der Erhebung der Spielbankenabgabe gegen den Neutralitätsgrundsatz, das Diskriminierungsverbot oder das Transparenzgebot verstößt und ob sich hieraus das Gebot einer Umsatzsteuerfreistellung bei gleichzeitigem Erhalt des Rechts auf Vorsteuerabzug ergibt. Die von der Klägerin auf S. 4 der Beschwerdebegründung im Einzelnen formulierten Fragen sind durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH), des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) und des BFH bereits geklärt; eine Zulassung der Revision kommt daher nicht in Betracht.

5 Da die betreffenden gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen bereits Gegenstand einer Auslegung durch den EuGH waren, besteht auch keine Verpflichtung für den Senat zu einer (erneuten) Vorlage (EuGH-Urteil CILFIT vom 283/81, EU:C:1982:335; vgl. auch , BFHE 249, 99, Rz 43). Zudem ist die Anwendung des Gemeinschaftsrechts derart offenkundig, dass für einen vernünftigen Zweifel kein Raum bleibt (vgl. EuGH-Urteil CILFIT, EU:C:1982:355; , BFHE 189, 238).

6 a) Der EuGH hat bereits entschieden, „... dass Art. 1 Abs. 2 der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen ist, dass er einer innerstaatlichen Regelung, wonach die geschuldete Mehrwertsteuer betragsgenau auf eine nicht harmonisierte Abgabe angerechnet wird, nicht entgegensteht“ (EuGH-Urteil Metropol Spielstätten vom C-440/12, EU:C:2013:687, Rz 60). Nach der Rechtsprechung des EuGH ist es ferner „ohne Belang, dass die Höhe einer nicht harmonisierten Abgabe auf Spiele, zu der bestimmte mehrwertsteuerpflichtige Veranstalter und Betreiber von Glücksspielen mit Geldeinsatz ebenfalls herangezogen werden, an die für diese Tätigkeit anfallende Mehrwertsteuer angepasst wird, da der Grundsatz der steuerlichen Neutralität auf eine solche Abgabe keine Anwendung findet (EuGH-Urteil Leo-Libera vom C-58/09, EU:C:2010:333, Rz 38; vgl. auch , BFH/NV 2016, 1592, Rz 5, m.w.N.). Es sind insoweit auch keine neuen Gesichtspunkte ersichtlich oder vorgetragen, die der EuGH in seine Betrachtung nicht einbeziehen konnte.

7 Dasselbe gilt für das Diskriminierungsverbot, das im Zeitpunkt des EuGH-Urteils Metropol Spielstätten (EU:C:2013:687) im Jahr 2013 nicht nur als allgemeiner Grundsatz bestand, sondern in Art. 20, 21 der am in Kraft getretenen Charta der Grundrechte der Europäischen Union —EUGrdRCh— (2010/C 83/02) bereits ausdrücklich kodifiziert war und das vom EuGH in anderen Verfahren (z.B. EuGH-Urteil Glatzelt vom C-356/12, EU:C:2014:350) in seine Entscheidung einbezogen worden ist. Es ist deshalb davon auszugehen, dass der EuGH auch das Diskriminierungsverbot in seinem Urteil Metropol Spielstätten (EU:C:2013:687) bereits berücksichtigt und als nicht verletzt gewürdigt hat. Aus diesem Grund geht auch der Hinweis der Klägerin auf das EuGH-Urteil Kommission/ Deutschland vom C-195/90 (EU:C:1992:219) ins Leere.

8 b) Auch beide Umsatzsteuersenate des BFH haben die Frage, ob die betragsgenaue Anrechnung der geschuldeten Mehrwertsteuer auf eine nicht harmonisierte Abgabe dem Unionsrecht entgegensteht, bereits als nicht mehr klärungsbedürftig beurteilt (BFH-Beschlüsse vom XI B 113/14, BFH/NV 2016, 599, Rz 13; vom V B 97/15, BFH/NV 2016, 1497, Rz 7).

9 c) Das BVerfG hat die Verfassungsbeschwerden gegen diese BFH-Beschlüsse nicht zur Entscheidung angenommen ( zum Beschluss des V. Senats in BFH/NV 2016, 1497, und zum Beschluss des XI. Senats in BFH/NV 2016, 599). Hierzu hätte aber für den Fall, dass das BVerfG Zweifel hinsichtlich einer Verletzung des Neutralitätsgrundsatzes oder des Diskriminierungsverbotes gehabt haben sollte, Veranlassung bestanden, denn das BVerfG sieht das Diskriminierungsverbot als zum Kernbestand der Unionsbürgerschaft gehörend an und geht davon aus, dass es unmittelbar von mitgliedstaatlichen Gerichten anzuwenden ist (BVerfG-Beschluss Le Corbusier vom 1 BvR 1916/09, BVerfGE 129, 78, Rz 76).

10 Im Übrigen hat das BVerfG auch die Verfassungsbeschwerden gegen die Beschlüsse des BFH in BFH/NV 2016, 1592 und vom V B 58/15 (nicht veröffentlicht), in denen ebenfalls die Ungleichbehandlung der Besteuerung der Umsätze von Geldspielautomatenbetreibern im Verhältnis zu Betreibern öffentlicher Spielbanken streitig war, nicht zur Entscheidung angenommen (BVerfG-Beschlüsse vom 1 BvR 2229/16, und vom 1 BvR 2100/16).

11 d) Das Transparenzgebot ist vorliegend ersichtlich unter keinem denkbaren Gesichtspunkt berührt. Das Transparenzgebot ergibt sich aus den --aus den bereits dargelegten Gründen nicht verletzten— Grundsätzen der Gleichbehandlung und der Nichtdiskriminierung und betrifft im Wesentlichen das öffentliche Auftragswesen und die Erteilung behördlicher Erlaubnisse (vgl. EuGH-Urteile Impresa Edilux und SICEF vom C-425/14, EU:C:2015:721; Sporting Exchange vom C-203/08, EU:C:2010:307, Rz 39, 47; Wall vom C-91/08, EU:C:2010:182, Rz 33; Telaustria und Telefonadress vom C-324/98, EU:C:2000:669, Rz 60 bis 62; Eurawasser vom C-206/08, EU:C:2009:540, Rz 44; Serrantoni und Consorzio stabile edili vom C-376/08, EU:C:2009:808, Rz 31 und 32; Michaniki vom C-213/07, EU:C:2008:731, Rz 44).

12 e) Soweit die Klägerin die von ihr dargelegte Ungleichbehandlung von gewerblichen Geldspielgerätebetreibern im Verhältnis zu öffentlichen Spielbanken „in die Nähe“ einer möglichen unzulässigen Beihilfe nach Art. 107 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union rückt, rechtfertigt dies gleichfalls nicht die Zulassung der Revision.

13 Denn es handelt sich bei der von der Klägerin beanstandeten „Begünstigung“ nicht um umsatzsteuerrechtliche Bestimmungen, die der beschließende Senat dem EuGH zur Überprüfung vorlegen könnte (vgl. zur Abgrenzung , BFH/NV 2017, 1133).

14 f) Die Klägerin ist im Ergebnis lediglich anderer Auffassung als der EuGH, das BVerfG und der BFH; das rechtfertigt aber weder die Zulassung der Revision noch eine erneute Vorlage.

15 2. Soweit die Klägerin die Notwendigkeit einer Entscheidung durch den BFH zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO) geltend macht, führt das nicht zur Zulassung der Revision, weil dieser Zulassungsgrund einen Spezialfall der grundsätzlichen Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO darstellt und ebenfalls die Darlegung und das Vorliegen einer klärungsbedürftigen Rechtsfrage voraussetzt (BFH-Beschluss in BFH/NV 2016, 1497, Rz 11).

16 3. Von einer weiteren Darstellung des Sachverhalts und einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 FGO ab.

17 4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


ECLI Nummer:
ECLI:DE:BFH:2017:B.060717.VB24.17.0

Fundstelle(n):
BFH/NV 2017 S. 1337 Nr. 10
PAAAG-54420