BFH Beschluss v. - V B 116/00

Gründe

I. Der Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) war im Streitjahr 1993 Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR); im Oktober 1993 kündigte er den Gesellschaftsvertrag. Da die GbR für das Streitjahr keine Umsatzsteuer-Jahreserklärung abgegeben hatte, schätzte der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) ausgehend von den Umsatzsteuer-Voranmeldungen der GbR die Besteuerungsgrundlagen und setzte die Umsatzsteuer 1993 mit Bescheid vom fest. Der Bescheid wies im Anschriftenfeld den Antragsteller aus und erging ”für Ges. bürgerlichen Rechts Ingenieurgemeinschaft…Er trug den handschriftlichen Zusatz: ”Ein Bescheid gleichen Inhalts wurde jedem Beteiligten zugesandt.”

Gegen diesen Bescheid legte der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers in dessen Namen und Vollmacht Einspruch ein. Das FA verwarf den Einspruch als unzulässig, weil der Antragsteller nicht einspruchsbefugt sei.

Daraufhin hat der Antragsteller Klage erhoben, über die das Finanzgericht (FG) noch nicht entschieden hat. Den Antrag, ihm für dieses Klageverfahren Prozesskostenhilfe (PKH) zu bewilligen, hat das abgelehnt.

Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit der vorliegenden Beschwerde.

Das FA ist der Beschwerde entgegengetreten.

II. 1. Die Beschwerde ist statthaft.

Beschlüsse im Verfahren der PKH können zwar seit dem gemäß § 128 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) n.F. nicht mehr mit der Beschwerde angefochten werden. Diese durch das Zweite Gesetz zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze (2.FGOÄndG) vom (BGBl I 2000, 1757) eingeführte Vorschrift ist im Streitfall jedoch nicht anwendbar, weil die angefochtene Entscheidung des FG vor dem zugestellt worden ist (Art. 4  2.FGOÄndG). Nach altem Recht waren Beschlüsse im Verfahren der PKH mit der Beschwerde anfechtbar (vgl. § 128 FGO a.F.).

2. Die Beschwerde ist unbegründet. Das FG hat dem Antragsteller zu Recht keine PKH bewilligt.

Nach § 142 Abs. 1 FGO i.V.m. § 114 der Zivilprozeßordnung (ZPO) setzt die Bewilligung von PKH u.a. voraus, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Diese Voraussetzung ist im Streitfall nicht erfüllt.

a) Das Klageverfahren, zu dessen Durchführung der Antragsteller PKH begehrt, bietet keine Erfolgsaussicht. Denn der Antragsteller war nicht berechtigt, den gegen die GbR gerichteten Umsatzsteuerbescheid 1993 im eigenen Namen anzufechten.

Der angefochtene Umsatzsteuerbescheid wurde dem Antragsteller zutreffend gemäß § 122 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 34 Abs. 2 Satz 2 der Abgabenordnung (AO 1977) bekannt gegeben. Inhaltlich gerichtet war der Bescheid aber nicht gegen den Antragsteller, sondern gegen die GbR, wie sich —mit hinreichender Deutlichkeit— aus dem Zusatz ”für Ges. bürgerlichen Ingenieurgemeinschaft ...” ergibt (vgl. , BFH/NV 2001, 178). Diese inhaltliche Adressierung entspricht der Eigenschaft der GbR als Schuldnerin der Umsatzsteuer gemäß § 13 Abs. 2 i.V.m. § 2 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes 1993 (UStG), die dementsprechend auch selbst Umsatzsteuer-Voranmeldungen abgegeben hatte.

Richtet sich ein Umsatzsteuerbescheid gegen eine GbR als Steuerschuldnerin, so ist grundsätzlich auch nur diese —und nicht ein Gesellschafter— einspruchsbefugt. Diesem Grundsatz entsprechend muss der Einspruch im Namen der Gesellschaft nach § 709 Abs. 1, § 714 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) durch alle Gesellschafter gemeinschaftlich erhoben werden (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Beschlüsse vom V B 194/91, BFH/NV 1992, 402; vom XI B 154/95, BFH/NV 1996, 690; vom V B 156/96, BFH/NV 1997, 458). Dies gilt gemäß § 730 Abs. 2 Satz 2 BGB auch nach der Kündigung des Gesellschaftsverhältnisses (vgl. , BFH/NV 1995, 86).

b) Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt keine andere Beurteilung.

Entgegen der Auffassung des Antragstellers rechtfertigt § 357 Abs. 1 Satz 4 AO 1977, wonach eine unrichtige Bezeichnung des Einspruchs unschädlich ist, nicht die Auslegung, dass er seinen Einspruch seinerzeit auch (hilfsweise) für die GbR habe einlegen wollen. Denn ein Einspruchsschreiben ist in entsprechender Anwendung des § 133 BGB so auszulegen, wie das FA als Erklärungsempfängerin den objektiven Erklärungswert des Einspruchsschreibens verstehen musste (vgl. , BFH/NV 1998, 6). Hier hatte der Einspruch einen eindeutigen, nicht auslegungsfähigen Inhalt. Er war vom Prozessbevollmächtigten des Antragstellers ausdrücklich (nur) in dessen Namen erhoben worden.

Soweit der Antragsteller ferner auf seine gesamtschuldnerische Haftung für die Schulden der GbR verweist, hat der BFH bereits mehrfach entschieden, dass ein Gesellschafter der GbR auch als potentieller Haftungsschuldner (§§ 421, 427, 431 BGB) nicht befugt ist, einen gegenüber der GbR erlassenen Umsatzsteuerbescheid anzufechten. Er kann Einwendungen, die die Steuerschuld betreffen, im Rechtsbehelfsverfahren gegen den Haftungsbescheid vorbringen (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 1992, 402; , BFHE 185, 105, BStBl II 1998, 319). Insoweit geht auch der Hinweis des Antragstellers auf Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes ins Leere.

Schließlich lässt sich die Einspruchsbefugnis des Antragstellers entgegen seiner Ansicht nicht aus § 352 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 herleiten. Die Vorschrift enthält eine Sonderregelung für Bescheide über die einheitliche und gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen und kann nicht —auch nicht analog— auf Umsatzsteuerbescheide angewendet werden.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2001 S. 1220 Nr. 10
CAAAA-67084