BFH Beschluss v. - VI B 82/00

Gründe

Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin) bezog ab April 1998 bis April 1999 einschließlich Kindergeld von zuletzt 800 DM monatlich für ihre drei minderjährigen Kinder. Nachdem der Beklagte (das Arbeitsamt -Familienkasse-) von dritter Seite Kenntnis davon erhalten hatte, dass die Kinder bereits im Januar 1999 zu dem früheren Ehemann der Antragstellerin in die USA zurückgekehrt waren, hob er mit Bescheid vom die Kindergeldfestsetzung rückwirkend ab Februar 1999 auf und forderte von der Antragstellerin das für die Monate Februar bis einschließlich April 1999 gezahlte Kindergeld in Höhe von 2 400 DM zurück.

Nach erfolglosem Einspruch erhob die Antragstellerin Klage, mit der sie sich gegen die rückwirkende Aufhebung der Kindergeldfestsetzung wandte. Zugleich beantragte sie, ihr Prozesskostenhilfe (PKH) zu gewähren.

Das Finanzgericht (FG) lehnte den PKH-Antrag wegen fehlender Erfolgsaussichten ab. Nachdem die Kinder ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in die USA verlegt hätten (vgl. § 63 Abs. 1 Satz 3 des EinkommensteuergesetzesEStG—), habe die Antragstellerin keinen Anspruch mehr auf Bezug des Kindergeldes. Die von der Antragstellerin in Bezug genommene Vorschrift des § 48 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) werde durch die speziellere Vorschrift des § 70 Abs. 2 EStG verdrängt.

Die Antragstellerin beantragt, ihr unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses PKH für das Klageverfahren zu gewähren. Das FG habe zwar die Regelung des § 70 Abs. 2 EStG zutreffend angewendet. Es habe jedoch nicht berücksichtigt, dass im Streitfall die für die Antragstellerin günstigere Vorschrift des § 48 SGB X analog anzuwenden sei. Es sei unter Berücksichtigung des Art. 3 des Grundgesetzes kein Grund ersichtlich, dass bei Änderung der Verhältnisse beim steuerrechtlichen Kindergeld aufgrund der Vorschrift des § 70 Abs. 2 EStG Kindergeld rückwirkend zurückgefordert werden könnte, während beim sozialrechtlichen Kindergeld nach dem Bundeskindergeldgesetz (BKGG) Kindergeldfestsetzungen wegen der Vorschrift des § 48 SGB X grundsätzlich nur für die Zukunft aufgehoben werden könnten.

Die Familienkasse tritt der Beschwerde entgegen.

Die Beschwerde ist unbegründet. Die Vorinstanz hat den PKH-Antrag zu Recht abgelehnt, weil die Klage keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 142 der FinanzgerichtsordnungFGO— i.V.m. § 114 der Zivilprozeßordnung).

Das FG hat ausführlich dargelegt, warum die erhobene Klage nicht erfolgversprechend erscheint. Nach der im PKH-Verfahren gebotenen Prüfung des Streitstoffes besteht kein Anlass für eine andere Beurteilung. Der Senat hält die Ausführungen des FG für zutreffend und nimmt auf sie Bezug (§ 113 Abs. 2 Satz 3 FGO).

Die Auffassung der Vorinstanz steht überdies im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Senats. Danach hat die Übernahme des Kindergeldrechts in das Einkommensteuerrecht zum zur Folge, dass im Verwaltungsverfahren die Abgabenordnung (AO 1977) anstelle des SGB X anzuwenden ist. Die Anwendung des § 48 SGB X scheidet aus (vgl. u.a. Beschlüsse des , BFHE 187, 231, BStBl II 1999, 231; vom VI B 89/99, BFH/NV 1999, 1597).

Der Senat ist im Übrigen auch in weiteren, nicht veröffentlichten Entscheidungen davon ausgegangen, dass eine rückwirkende Aufhebung der Kindergeldfestsetzung bei Verletzung der nach § 68 Abs. 1 EStG bestehenden Mitwirkungspflichten durch den Kindergeldberechtigten keinen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet. Insbesondere war der Gesetzgeber nicht gehalten, eine der Vorschrift des § 48 SGB X identische Regelung in das System steuerlicher Änderungs- und Aufhebungsvorschriften aufzunehmen (vgl. auch Seewald/Felix in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, Kommentar, § 70 Rdnr. C 13).

Fundstelle(n):
BFH/NV 2000 S. 1447 Nr. 12
IAAAA-65906