BFH Urteil v. - V R 33/97

Gründe

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eigentümer einer Eigentumswohnung, die in den Jahren 1982 bis 1984 errichtet wurde. Auf die Bauerrichtungskosten entfielen 25 744,49 DM Umsatzsteuer, für die die Kläger bei ihrer Veranlagung zur Umsatzsteuer für die Jahre 1982 bis 1984 den Vorsteuerabzug erhielten.

Ab vermieteten die Kläger die Wohnung an die Z1-GmbH zum Zwecke der Weitervermietung. Die Kläger optierten zur Umsatzsteuerpflicht der Vermietungsumsätze. Das Zwischenvermietungsverhältnis wurde vom (damals für die Kläger zuständigen) Finanzamt (FA) mit Genehmigung der Oberfinanzdirektion anerkannt.

Im Oktober 1985 fiel die Z1-GmbH in Konkurs. Ihr Konkursverwalter wollte das Mietverhältnis nicht fortsetzen. Nach Gründung einer weiteren GmbH (Z2-GmbH) schlossen die Kläger mit ihr einen Zwischenmietvertrag mit Wirkung ab dem ab.

Die Kläger gaben ihre Steuererklärungen für die Jahre 1982 bis 1984 in den Jahren 1983 bis 1985 ab. Die Steuererklärungen führten zu Steuerfestsetzungen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung; die Steuerbescheide für 1982 und 1984 wurden außerdem unter Bezugnahme auf § 165 der Abgabenordnung (AO 1977) für vorläufig erklärt. Die Umsatzsteuerbescheide wurden letztmals im Jahre 1988 nach § 164 Abs. 2 AO 1977 geändert; der Vorläufigkeitsvermerk wurde nicht aufgehoben.

Nach einer Betriebsprüfung im Jahre 1988 kam das FA zum Ergebnis, dass das Zwischenvermietungsverhältnis zwischen den Klägern und der Z2-GmbH steuerlich nicht anzuerkennen sei, und berichtigte daraufhin im Rahmen der Umsatzsteuerveranlagungen für die Streitjahre 1985 bis 1988 den für die Jahre 1982 bis 1984 gewährten Vorsteuerabzug unter Berufung auf § 15a des Umsatzsteuergesetzes (UStG 1980); in der Einspruchsentscheidung setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das nunmehr für die Kläger zuständige FA) die Umsatzsteuer wegen eines anderen Grundes neu fest (Einspruchsentscheidung vom ).

Die anschließende Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG), dessen Urteil in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1997, 915 veröffentlicht ist, sprach sich gegen die neuere Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zu § 15a UStG (wie sie sich ihm im Jahre 1996 darstellte) aus, wonach auch eine Fehlbeurteilung in früheren Jahren zu einer Änderung der Verhältnisse in den Folgejahren führen kann. Vielmehr vertrat es die Ansicht, § 15a UStG 1980 sei nur anwendbar, wenn sich auch der Lebenssachverhalt verändert habe. Dies sei im Streitfall wegen der Einschaltung des neuen Zwischenvermieters zu bejahen.

Hiergegen wenden sich die Kläger mit der Revision. Sie rügen Verletzung des § 15a UStG 1980 und halten eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) für erforderlich.

Die Kläger beantragen, die Vorentscheidung und die angefochtenen Umsatzteuerbescheide ”ersatzlos aufzuheben”.

Das FA ist der Revision entgegengetreten.

Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.

II. Die Revision ist zulässig (vgl. Zwischenurteil vom V R 33/97, BFHE 189, 573, BFH/NV 2000, 524) und begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und —bezüglich der Streitjahre 1985 bis 1987— zur Klagestattgabe gemäß § 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) und —bezüglich des Streitjahres 1988— zur Zurückverweisung der Sache an das FG gemäß § 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO.

Das FG hat die Voraussetzungen für eine Vorsteuerberichtigung nach § 15a Abs. 1 UStG 1980 und die Steuerbarkeit der Vermietungsumsätze der Kläger abweichend von der (neueren) Rechtsprechung des Senats beurteilt. Eine abschließende Entscheidung ist aber nur für die Streitjahre 1985 bis 1987, nicht für das Streitjahr 1988, möglich.

1. Nach § 15a Abs. 1 UStG 1980 ist dann, wenn sich bei einem Grundstück einschließlich seiner wesentlichen Bestandteile innerhalb von zehn Jahren seit dem Beginn der Verwendung die Verhältnisse ändern, die im Kalenderjahr der erstmaligen Verwendung für den Vorsteuerabzug maßgeblich waren, für jedes Jahr der Änderung ein Ausgleich durch eine Berichtigung des Abzugs der auf die Anschaffungs- oder Herstellungskosten entfallenden Vorsteuerbeträge vorzunehmen.

a) Die Gewährung des Vorsteuerabzugs für die Anschaffungs- oder Herstellungskosten der Eigentumswohnung in den sog. Abzugsjahren 1982 bis 1984 beruhte auf der Anerkennung der erstmaligen Zwischenvermietung als steuerpflichtig durch das FA. Bei zutreffender Beurteilung haben die Kläger ihre Wohnung jedoch schon ab 1984 (seit dem Beginn der Verwendung) steuerfrei und damit vorsteuerabzugsschädlich vermietet (§ 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG 1980), weil die Zwischenvermietung von Wohnungen für den Vorsteuerabzug als rechtsmissbräuchliche Gestaltung (§ 42 AO 1977) nicht berücksichtigt werden durfte. Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH kann die Gestaltung der Wohnungsvermietung durch Einschaltung von gewerblichen Zwischenvermietern durch Verzicht auf die Steuerbefreiung nach § 9 UStG 1980 nur dann anerkannt werden, wenn es dem Eigentümer nicht möglich oder zumutbar ist, die Wohnung selbst oder durch einen beauftragten Hausverwalter an einen Wohnungsmieter zu vermieten (, BFHE 185, 298, BStBl II 1998, 361). Derartige Gründe haben im Zeitpunkt der Eingehung des ersten Zwischenvermietungsverhältnisses nicht vorgelegen. Hinzu kommt, dass die Kläger infolge des ihnen gewährten Aufwendungsdarlehens zur Überlassung der Wohnung an wohnberechtigte Personen persönlich verpflichtet waren, und dass auch aus diesem Grund die Einschaltung einer Mittelsperson als selbständiger Zwischenmieter nach der Rechtsprechung des Senats ausgeschlossen war (Urteile vom V R 35/73, BFHE 140, 379, BStBl II 1984, 400, und vom V R 87/78, BFHE 142, 156, BStBl II 1984, 731).

b) Diese Grundsätze zur Beurteilung einer Zwischenvermietung gelten auch für die erneute Vermietung der Wohnung an die Z2-GmbH in den Streitjahren 1985 bis 1988.

In der bloßen Auswechslung des Zwischenvermieters liegt keine Änderung der Verhältnisse i.S. des § 15a UStG 1980; entscheidend ist, dass der Vorsteuerabzug von Anfang an ausgeschlossen war (vgl. BFH in BFHE 185, 298, BStBl II 1998, 361).

Da das FG von anderen Grundsätzen ausgegangen ist, war seine Entscheidung aufzuheben.

c) Nach der Rechtsprechung des BFH kann eine Änderung der für die Vorsteuerberichtigung nach § 15a Abs. 1 UStG 1980 maßgebenden Verhältnisse aber auch dadurch eintreten, dass bei tatsächlich gleichbleibenden Verwendungsumsätzen die rechtliche Beurteilung der Verwendung im Erstjahr, die der Gewährung des Vorsteuerabzugs im Abzugsjahr zugrunde lag, sich in einem der Folgejahre als unzutreffend erweist, sofern die Steuerfestsetzung für das Abzugsjahr bestandskräftig und unabänderbar ist (vgl. BFH in BFHE 185, 298, BStBl II 1998, 361). Bei einer Steuerfestsetzung für das Folgejahr können aber nur solche Änderungsgründe berücksichtigt werden, deren Voraussetzungen mit Ablauf dieses Folgejahres verwirklicht waren (BFH in BFHE 185, 298, BStBl II 1998, 361).

Die Berichtigung des Vorsteuerabzugs in einem Folgejahr nach § 15a UStG 1980 wegen fehlerhafter Beurteilung des Vorsteuerabzugs im Abzugsjahr setzt die Unabänderbarkeit der Steuerfestsetzung für das Abzugsjahr nach den Vorschriften der AO 1977 voraus. Ist dagegen die Steuerfestsetzung für das Abzugsjahr nach diesen Vorschriften noch änderbar, muss die Fehlbeurteilung der Verwendungsumsätze für den Vorsteuerabzug bei der Änderung dieses Steuerbescheids korrigiert werden (vgl. BFH-Urteil in BFHE 185, 298, BStBl II 1998, 361, unter II. 3.).

Das bedeutet: Soweit eine Änderung des Steuerbescheids für das Abzugsjahr (mit der Fehlbeurteilung des Verwendungsumsatzes für den Vorsteuerabzug) nach den Vorschriften der AO 1977 möglich ist, scheidet eine Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG 1980 aus. Die Änderbarkeit der Steuerfestsetzung für das Abzugsjahr nach den Vorschriften der AO 1977 schließt die Berichtigung des Vorsteuerabzugs für alle Folgejahre aus, bis zu deren Ablauf eine Änderung möglich war. Ist die bezeichnete Änderung nicht durchgeführt worden, obwohl sie möglich gewesen wäre, kann keine Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG 1980 vorgenommen werden, weil —mangels Unabänderbarkeit der Steuerfestsetzung für das Abzugsjahr, der eine Fehlbeurteilung der Verwendung zugrunde liegt— keine Änderung der für den Vorsteuerabzug maßgebenden Verhältnisse angenommen werden kann. Wenn die bis zum Ende eines Folgejahres mögliche Änderung des bestandskräftigen Steuerbescheids für das Abzugsjahr nach den Vorschriften der AO 1977 nicht durchgeführt worden ist und wegen zwischenzeitlichen Ablaufs der Festsetzungsfrist auch nicht mehr durchgeführt werden kann (vgl. § 169 Abs. 1 AO 1977), bleibt die Vorsteuerberichtigung nach § 15a Abs. 1 UStG 1980 ausgeschlossen.

Eine Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG 1980 kommt erst für die Folgejahre in Betracht, in denen eine Änderung des bestandskräftigen Steuerbescheids für das Abzugsjahr (mit der Fehlbeurteilung des Vorsteuerabzugs) nach den Vorschriften der AO 1977 ausscheidet, z.B. wegen Ablaufs der Festsetzungsfrist schon vor dem Beginn dieses Folgejahres (BFH in BFHE 185, 298, BStBl II 1998, 361).

d) Im Streitfall war eine Änderung der Steuerfestsetzungen für die Abzugsjahre 1982 bis 1984 noch bis zum Ablauf der Folgejahre (Streitjahre) 1985 bis 1987 möglich. Da die Kläger die Steuererklärung für 1982 im Jahre 1983 abgegeben hatten, begann die vierjährige Festsetzungsfrist (§ 169 Abs. 2 Nr. 2 AO 1977) mit Ablauf des Kalenderjahres 1983 und endete frühestens mit Ablauf des Kalenderjahres 1987; die Festsetzungsfrist für die Umsatzsteuer 1983 und 1984 endete entsprechend später. Die Voraussetzungen für eine Vorsteuerberichtigung lagen deshalb in den Streitjahren 1985 bis 1987 nicht vor.

Der Senat kann den Feststellungen des FG aber nicht entnehmen, ob der Umsatzsteuerbescheid für 1982 auch noch im Streitjahre 1988 geändert werden durfte. Da in dem ursprünglichen Bescheid Umfang und Grund der Vorläufigkeit jedenfalls nicht ausdrücklich angegeben waren (vgl. § 165 Abs. 1 Satz 3 AO 1977), dürfte kein Fall der Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 8 AO 1977 vorgelegen haben. Auch aus dem Umstand, dass der Umsatzsteuerbescheid für 1982 noch im Jahre 1988 geändert wurde, kann nicht der Schluss gezogen werden, dass die Änderung im Streitjahr 1988 rechtlich möglich war. Der Senat kann deshalb nicht beurteilen, ob die Voraussetzungen für eine Vorsteuerberichtigung bezüglich der für das Jahr 1982 gewährten Vorsteuer im Streitjahr 1988 vorlagen.

2. Im Streitjahr 1985 entfällt nicht nur die Vorsteuerberichtigung, sondern auch die Besteuerung der Mietumsätze an die Z1-GmbH. Wie der Senat bereits ausgeführt hat, war auch die Vermietung an die Z1-GmbH rechtsmissbräuchlich. Damit ergibt sich für die Streitjahre 1985 bis 1987 eine Steuer von 0 DM.

3. Das FG wird unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung des Senats im zweiten Rechtsgang zu prüfen haben, ob die Voraussetzungen für eine Vorsteuerberichtigung bezüglich der für das Jahr 1982 gewährten Vorsteuer im Streitjahr 1988 vorlagen; insoweit wird die Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Der Zurückverweisung für das Streitjahr 1988 steht nicht entgegen, dass der Senat bezüglich der Streitjahre 1985 bis 1987 in der Sache selbst entscheidet. Im Falle mehrerer Streitgegenstände kann teilweise durcherkannt und zum anderen Teil zurückverwiesen werden (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 126 Rz. 11).

4. Der Senat entscheidet im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Urteil (§ 121 Satz 1, § 90 Abs. 2 FGO).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
BFH/NV 2000 S. 1144 Nr. 9
UR 2000 S. 386 Nr. 9
YAAAA-65824