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Kontierungslexikon vom

Innergemeinschaftliches Kontrollverfahren

Karl-Hermann Eckert

Eine Übersichtsseite zu den Stichwörtern des Kontierungslexikons finden Sie hier: NWB LAAAE-91155.

Zusammenfassung

Das innergemeinschaftliche Kontrollverfahren ist ein wichtiges Instrument für die Finanzverwaltung, um die Umsatzbesteuerung des Waren- und Dienstleistungsverkehrs im Gebiet der Europäischen Union (EU) überprüfen zu können. Der Beitrag stellt die einzelnen Komponenten des Kontrollverfahrens dar und zeigt anhand von Beispielsfällen die Kontrollmöglichkeiten der Finanzbehörde auf.

1. Rechtsgrundlagen


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Zusammenarbeits-VO
Art. 17 Abs. 1 ZVO, Art. 19 ZVO, Art. 33 ff. ZVO
FzgLiefgMeldV
Fahrzeuglieferungsmeldeverordnung

2. Rechtliche Grundlagen und Ziel des Kontrollverfahrens

Mit der Verwirklichung des EU-Binnenmarktes zum wurde das Umsatzsteuer-Binnenmarkt-Kontrollverfahren für innergemeinschaftliche Lieferungen nach § 4 Nr. 1 Buchst. b in Verbindung mit § 6a UStG, für innergemeinschaftliche Dreiecksgeschäfte nach § 25b Abs. 2 UStG und für steuerpflichtige sonstige Leistungen i. S. des § 3a Abs. 2 UStG, für die der in einem anderen EU-Mitgliedstaat ansässige Leistungsempfänger die Steuer dort schuldet, eingeführt.

Das innergemeinschaftliche Kontrollverfahren dient der Überwachung der Umsatzbesteuerung von Warenlieferungen und Dienstleistungen innerhalb der Europäischen Union.

Die gemeinschaftsrechtlichen Grundlagen sind in Art. 262 bis 271 der Mehrwertsteuersystem-Richtlinie 2006/112/EG vom enthalten. Die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden innerhalb der EU regelt die Zusammenarbeits-Verordnung.

Das Kontrollverfahren beruht auf einem EDV-unterstützten Informationsaustausch. Grundlage des Kontrollverfahrens sind die Daten der Zusammenfassenden Meldung. Sie ist der wesentliche Baustein, um Warenbewegungen und Dienstleistungen innerhalb der EU-Mitgliedstaaten nachzuvollziehen und die Besteuerung des innergemeinschaftlichen Erwerbs bzw. die Besteuerung des Dienstleistungsempfängers sicherzustellen.

Vom Unternehmer müssen nach § 18a UStG gemeldet werden:

  • Innergemeinschaftliche Lieferungen nach § 6a Abs. 1 UStG mit Ausnahme der Lieferungen neuer Fahrzeuge an Abnehmer ohne USt-IdNr.,

  • innergemeinschaftlichen Lieferungen gleichgestellte Verbringungen i. S. des § 6a Abs. 2 UStG,

  • Lieferungen i. S. des § 25b Abs. 2 UStG im Rahmen von innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäften,

  • im übrigen Gemeinschaftsgebiet ausgeführte steuerpflichtige sonstige Leistungen im Sinne des § 3a Abs. 2 UStG, für die der in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Leistungsempfänger die Steuer dort schuldet (nachstehend: innergemeinschaftliche sonstige Leistungen).

  • eine Beförderung oder Versendung i. S. des § 6b Abs. 1 UStG.

Hinweis

Weitere Einzelheiten zur Zusammenfassenden Meldung enthält das Stichwort „Zusammenfassende Meldung“, Kontierungslexikon NWB OAAAF-87004.

3. Der Datenaustausch und die Kontrolle

Die vom Unternehmer gemeldeten Daten werden nicht beim örtlich zuständigen Finanzamt gespeichert, sondern einheitlich beim Bundeszentralamt für Steuern (BZSt). Als Ordnungskriterium für die Erfassung der Daten dient nicht die Steuernummer des Unternehmers, sondern der Unternehmer benötigt die sog. Umsatzsteuer-Identifikationsnummer Die USt-IdNr. wird auf Antrag durch das BZSt an den Unternehmer vergeben.

Zwischen den zentralen Behörden der EU-Mitgliedstaaten besteht ein Kommunikationsnetz, das zur Datenübertragung genutzt wird und den automatisierten Zugang auf Informationen zulässt, die in den anderen EU-Mitgliedstaaten gespeichert sind.

Jeder EU-Mitgliedstaat unterhält nach Art. 17 Abs. 1 der Zusammenarbeits-Verordnung eine elektronische Datenbank, die sog. MIAS-Datenbank. In ihr sind gespeichert

  • die Daten über die Personen, denen der Mitgliedstaat eine USt-IdNr. erteilt hat und

  • die Angaben aus den Zusammenfassenden Meldungen seiner Unternehmer.

Entsprechend Art. 19 der Zusammenarbeits-Verordnung sorgen die zentralen Behörden der EU-Mitgliedstaaten für die Aktualisierung, Ergänzung und genaue Führung der in den Datenbanken gespeicherten Informationen. Dies gilt insbesondere auch für die Gültigkeit der USt-IdNr.

Das BZSt übermittelt den zentralen Behörden der anderen EU-Mitgliedstaaten jeweils die Summen der innergemeinschaftlichen Lieferungen, der innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäfte und der innergemeinschaftlichen sonstigen Leistungen von Unternehmern mit deutscher USt-IdNr. an Erwerber oder Leistungsempfänger im jeweiligen EU-Mitgliedstaat unter deren USt-ldNr.

In gleicher Weise übermitteln die zentralen Behörden der anderen EU-Mitgliedstaaten dem BZSt die von ihren Unternehmern gemeldeten Daten über innergemeinschaftliche Lieferungen und innergemeinschaftliche Dreiecksgeschäfte an Erwerber mit deutscher USt-IdNr. sowie innergemeinschaftliche sonstige Leistungen.

Zu den Konsequenzen des Austritts des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland aus der Europäischen Union in Bezug auf die Verwaltungszusammenarbeit vgl. das .

Aufgrund der föderalen Strukturen in Deutschland sind die Landesfinanzbehörden bzw. die örtlichen Finanzämter für die Umsatzbesteuerung zuständig. Dies macht es notwendig, dass die Landesfinanzbehörden dem BZSt die notwendigen Informationen zur Bestimmung der zur Abgabe verpflichteten Unternehmer übermitteln.

Abb. 1: Datenaustausch BZSt und Finanzamt

Andererseits liefert das BZSt den Landesfinanzbehörden aus dem vorhandenen Datenmaterial der übrigen Mitgliedstaaten entsprechende Kontrollmitteilungen, um anhand der Daten der Umsatzsteuer-Voranmeldungen die Schlüssigkeit mit den Daten der Zusammenfassenden Meldung zu prüfen.

Abb. 2: Datenaustausch BZSt und Finanzamt

Abb. 3: Unternehmerdaten und Datenaustausch zwischen den Finanzbehörden

Gibt es Unschlüssigkeiten zwischen den Daten in der Umsatzsteuer-Voranmeldung und denen in der Zusammenfassenden Meldung, muss der Unternehmer Differenzen aufklären.

Beispiel 1

Unternehmer U liefert an die polnische Firma P Waren für 20.000 €. U erklärt diese innergemeinschaftliche Lieferung in der Zusammenfassenden Meldung wie folgt:

Abb. 4: Erfassung der innergemeinschaftlichen Lieferung

Unternehmer U erfasst diese innergemeinschaftliche Lieferung entgegen der Verpflichtung in § 18b Satz 1 Nr. 1 UStG nicht in der Umsatzsteuer-Voranmeldung.

Abbildung in der Umsatzsteuer-Voranmeldung:

Abb. 5: Erfassung der innergemeinschaftlichen Lieferung

Aufgrund der Differenzen zwischen dem Wert in der Zusammenfassenden Meldung (20.000 €) und der Umsatzsteuer-Voranmeldung (0 €) wird der Unternehmer durch die Finanzbehörde gebeten, diese Unschlüssigkeit aufzuklären und ggf. die Werte zu korrigieren.

Die zuständigen Bediensteten der Landesfinanzbehörden können über das Verfahren „USLO“ (Umsatzsteuer Länder Online) Daten aus dem innergemeinschaftlichen Kontrollverfahren abrufen, die in der Datenbank „USEG“ gespeichert sind und über dieses Verfahren zugleich auch Daten abrufen, die von den anderen EU-Mitgliedstaaten in ihren Datenbanken für Zwecke des innergemeinschaftlichen Kontrollverfahrens im Rahmen von MIAS zentral vorgehalten werden.

Hinweis:

Die Finanzbehörden sind demnach in der Lage, bestimmte Recherchen durchzuführen, um mögliche Ungereimtheiten bis hin zu Umsatzsteuerbetrügereien aufdecken zu können.

Beispiel 2

Bei dem Unternehmer U steht eine Betriebsprüfung an. Der Betriebsprüfer kann anhand der USEG-Datenbank feststellen, an welche Unternehmer der U innergemeinschaftliche Lieferungen (einschließlich der Höhe) ausgeführt hat. Darüber hinaus kann der Betriebsprüfer auch feststellen, ob U innergemeinschaftliche Erwerbe versteuern muss und ob die von U erklärten innergemeinschaftlichen Erwerbe mit den von den ausländischen Unternehmern als innergemeinschaftlichen gemeldeten Lieferungen übereinstimmen.

Beispiel 3

Im Rahmen einer Steuerprüfung wurde festgestellt, dass der niederländische Unternehmer N ein sog. Missing-Trader war. Durch eine Datenrecherche könnte die Finanzbehörde feststellen, welche anderen deutschen Unternehmer innergemeinschaftliche Lieferungen an den Missing-Trader ausgeführt haben.

Beispiel 4

Im Rahmen einer Steuerprüfung wurde festgestellt, dass der deutsche Unternehmer U ein sog. Missing-Trader war. Durch eine Datenrecherche könnte die Finanzbehörde feststellen, welche anderen ausländischen Unternehmer innergemeinschaftliche Lieferungen an den Missing-Trader ausgeführt haben.

4. Neufahrzeuge an Privatpersonen

Werden Neufahrzeuge an Privatpersonen geliefert, hat der Unternehmer diesen Sachverhalt nicht in der Zusammenfassenden Meldung nach § 18a UStG zu erfassen, sondern der Unternehmer hat eine Fahrzeugeinzelmeldung nach § 18c UStG und der am verabschiedeten Fahrzeuglieferungs-Meldepflichtverordnung (FzgLiefgMeldV) abzugeben.

Hiernach sind alle Unternehmer (einschl. Kleinunternehmer nach § 19 UStG) und Fahrzeuglieferer i. S. des § 2a UStG für Lieferungen neuer Fahrzeuge an Abnehmer ohne USt-IdNr. verpflichtet, eine Fahrzeugeinzelmeldung beim Bundeszentralamt für Steuern elektronisch abzugeben.

Hinweis:

Ziel der Maßnahme ist es, die Umsatzbesteuerung im Bestimmungsland sicherzustellen, denn ohne ein entsprechendes Kontrollverfahren können Besteuerungslücken durch Nichtbesteuerung des innergemeinschaftlichen Erwerbs entstehen. Entsprechend findet ein Datenaustausch zwischen den betroffenen Mitgliedstaaten statt.

Darüber hinaus ist es der Finanzverwaltung möglich, nach § 36 Abs. 2a Nr. 1 StVG Fahrzeugdaten aus dem Zentralen Fahrzeugregister abzufragen, soweit ein Abruf im Einzelfall zur Verhinderung einer missbräuchlichen Anwendung der Vorschriften des Umsatzsteuergesetzes beim Handel, Erwerb oder bei der Übertragung von Fahrzeugen erforderlich ist.

5. Sonstige Auskünfte

Im Rahmen des innergemeinschaftlichen Kontrollverfahrens können die Mitgliedstaaten weitere Auskünfte nach der Zusammenarbeits-Verordnung erteilen. Dies betrifft u. a. Informationen über

  • Fernverkaufsumsätze, die im anderen Mitgliedstaat steuerpflichtig sind,

  • die Erstattung von Vorsteuer im Vergütungsverfahren in anderen EU-Mitgliedstaaten,

  • die Erteilung von Umsatzsteuer-Identifikationsnummern in anderen EU-Mitgliedstaaten oder

  • Eurofisc. Eurofisc ist ein Frühwarnsystem, mit dem sich die Mitgliedstaaten über verdächtige Unternehmen und deren Abnehmer informieren können.

Nach dem bestehen in Bezug auf die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden und Betrugsbekämpfung auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer keine Fristen, die sich auf die Rechtmäßigkeit der Aussetzung einer Steuerprüfung auswirken können.

Hinweis:

Nach Feststellungen des Instituts für Weltwirtschaft Kiel (ifW) und des ifo Instituts München ist die Datenqualität aufgrund der erfassten Handelsdaten aller Mitgliedstaaten nicht zufriedenstellend. Die gemeldeten innergemeinschaftlichen Umsätze aufgrund der Zusammenfassenden Meldungen übersteigen die erfassten innergemeinschaftlichen Erwerbe. Dies lässt die Vermutung zu, dass die Umsätze im Inland unversteuert geblieben sind und im Jahre 2018 rd. 30 Mrd. € dem Fiskus in der EU verloren gegangen sind.

6. Verwandte Stichwörter

  • Eckert, Zusammenfassende Meldung, Kontierungslexikon NWB OAAAF-87004

  • Eckert, Innergemeinschaftliche Lieferung neuer Fahrzeuge an Privatpersonen, Kontierungslexikon NWB UAAAF-88655

Haben Sie eine fachliche Frage? Bitte richten Sie Ihre Zusendung per E-Mail an bbk-leserfrage@nwb.de.

Autor

Karl-Hermann Eckert,
Potsdam, Dipl.-Finanzwirt und Steuerberater, war von 1973 bis 2020 in der Finanzverwaltung tätig und arbeitete zuletzt im Umsatzsteuerreferat des Ministeriums der Finanzen in Brandenburg. Er hat umfangreiche Erfahrungen in der steuerlichen Außenprüfung gesammelt und beschäftigt sich seit vielen Jahren intensiv mit allen Fragen rund um die Automatisierung und das Kontrollverfahren bei der Umsatzsteuer.

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