BFH Beschluss v. - X B 121/99

Gründe

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

1. Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) messen der Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung zu, ”zu welchem Zeitpunkt und unter welchen Voraussetzungen die Inanspruchnahme aus einer passivierten Verbindlichkeit nicht mehr zu erwarten ist, wenn zwischen Gläubiger und Schuldner Einvernehmen dahingehend besteht, dass die Einrede der Verjährung ausgeschlossen sein soll”. Sie tragen vor, die wirtschaftliche Belastung durch eine Schuld entfalle erst nach Ablauf der dreißigjährigen Regelverjährung, wenn die Vertragspartner die kurze Verjährungsfrist nach deutschem Zivilrecht abbedungen hätten. Es müsse im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs —BFH— (z.B. Urteil vom X R 50/91, BFH/NV 1992, 741) unterstellt werden, dass der Gläubiger von seinen Rechten Gebrauch machen werde. Diese von den Klägern aufgeworfene Rechtsfrage ist aber weder klärungsbedürftig noch in einem Revisionsverfahren klärungsfähig.

Nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Bilanzierung ist eine am Bilanzstichtag dem Grund und der Höhe nach entstandene Verbindlichkeit auszuweisen, auch wenn sie noch nicht fällig ist. Zu einer gewinnerhöhenden Auflösung der Verbindlichkeit kommt es unter Beachtung des Grundsatzes der Vollständigkeit und des Vorsichtsprinzips (vgl. § 246 Abs. 1 und § 252 Abs. 1 Nr. 4 des Handelsgesetzbuches —HGB—), wenn sich ergibt, dass die Verbindlichkeit mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht erfüllt werden muss (, BFH/NV 1994, 779). Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist eine Verbindlichkeit nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung (§ 5 Abs. 1 des EinkommensteuergesetzesEStG—) nicht mehr zu passivieren, wenn sie keine wirtschaftliche Belastung mehr darstellt, insbesondere wenn mit einer Geltendmachung der Forderung durch den Gläubiger mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht mehr zu rechnen ist (, BFHE 155, 322, BStBl II 1989, 359; vom I R 3/95, BFHE 180, 155, BStBl II 1996, 470, m.w.N. der Rechtsprechung und Literatur). Der BFH hat diese Grundsätze für noch nicht verjährte Ansprüche aufgestellt (vgl. , BFHE 170, 540, BStBl II 1993, 543). Sie gelten auch für den Fall eines bereits verjährten Anspruchs und der Frage, ob noch mit einer Erfüllung durch den Schuldner zu rechnen ist. Die Schuld darf nicht mehr passiviert werden, wenn sich der Schuldner entschlossen hat, die Einrede der Verjährung zu erheben. Dasselbe gilt aber auch, wenn anzunehmen ist, dass er sich auf die Verjährung berufen wird.

Das Finanzgericht (FG) ist ausdrücklich von den vorgenannten Grundsätzen der BFH-Rechtsprechung ausgegangen. Es hat aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens und nach Abwägung zahlreicher Indizien —auch unter Berücksichtigung des Vortrags zum Verzicht auf die Erhebung der Verjährungseinrede— die Überzeugung gewonnen, dass die ”Verbindlichkeit ...” den Kläger wirtschaftlich nicht (mehr) belastet. Diese Würdigung des FG ist möglich. Die von den Klägern befürwortete ”Unterstellung” des Inhalts, dass der Gläubiger in nicht rechtsverjährter Zeit von seinem Recht Gebrauch macht, lässt sich auch nicht dem Senatsurteil in BFH/NV 1992, 741 entnehmen. Nach dieser Entscheidung kann die Feststellung, dass eine Forderung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht (mehr) erfüllt wird, auch aufgrund anderweitiger konkreter Umstände des Einzelfalles getroffen werden. Mit den im Kern gegen die Gesamtwürdigung des FG gerichteten Einwänden können die Kläger im vorliegenden Verfahren nicht gehört werden.

2. Eine Abweichung von dem BFH-Urteil in BFHE 180, 155, BStBl II 1996, 470 ist nicht dargelegt. Entgegen der Auffassung der Kläger beruht die Entscheidung des FG nicht auf einer generalisierenden Erwägung, allein aus der Nichteinforderung durch den Gläubiger über einen längeren Zeitraum hinweg könne auf die fehlende wirtschaftliche Belastung des Schuldners geschlossen werden.

3. Das Übergehen eines —entscheidungserheblichen— Beweisantrages kann einen Verfahrensmangel darstellen. Auch für eine hierauf gestützte Nichtzulassungsbeschwerde ist jedoch erforderlich, dass der Verfahrensmangel bezeichnet wird (§ 115 Abs. 3 Satz 3 der FinanzgerichtsordnungFGO—). Wird ein Verstoß gegen die Beachtung von Verfahrensvorschriften gerügt, auf die gemäß § 155 FGO i.V.m. § 295 der Zivilprozeßordnung (ZPO) verzichtet werden kann, so setzt die zulässige Rüge des Verfahrensverstoßes die Darlegung in der Beschwerdeschrift voraus, dass der Kläger auf sein Rügerecht nicht verzichtet habe. Zu den verzichtbaren Mängeln gehört u.a. das Übergehen eines Beweisantrages (vgl. , BFHE 162, 236, BStBl II 1991, 66; , BFH/NV 1992, 397). Entsprechende Ausführungen fehlen im Beschwerdeschriftsatz. Auch lässt sich der Niederschrift über die mündliche Verhandlung nicht entnehmen, dass die Kläger die unterlassene Zeugeneinvernahme gerügt hätten (vgl. , BFHE 166, 574, BStBl II 1992, 562).

4. Es entspricht gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung, dass ein im Ausland ansässiger Zeuge nicht von Amts wegen geladen, sondern gemäß § 76 Abs. 1 Satz 4 FGO i.V.m. § 90 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) zur Sitzung des FG gestellt werden muss (, BFH/NV 1988, 12; , BFH/NV 1999, 506, m.w.N.). Es ist nicht verfahrensfehlerhaft, dass das FG die durch Angehörige der steuerberatenden Berufe vertretenen Kläger nicht auf diese Rechtslage hingewiesen hat.

5. Im Übrigen ergeht der Beschluss gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs ohne Begründung.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2000 S. 1450 Nr. 12
MAAAA-64895