EuGH Urteil v. - C-164/15 P und C-165/15 P

Leitsatz

Die Urteile des Gerichts der Europäischen Union vom , Aer Lingus/Kommission (T473/12, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:78), und Ryanair/Kommission (T500/12, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:73), werden aufgehoben, soweit damit Art. 4 des Beschlusses 2013/199/EU der Kommission vom über die staatliche Beihilfe SA.29064 (11/C, ex 11/NN) – Differenzierte Fluggaststeuersätze in Irland insoweit für nichtig erklärt wird, als er die Rückforderung der Beihilfe von den Begünstigten in Höhe eines im 70. Erwägungsgrund dieses Beschlusses auf 8 Euro je Fluggast festgelegten Betrags anordnet. Die Anschlussrechtsmittel werden zurückgewiesen. Die von der Aer Lingus Ltd und der Ryanair Designated Activity Company gegen den Beschluss 2013/199 erhobenen Nichtigkeitsklagen werden abgewiesen. Die Aer Lingus Ltd und die Ryanair Designated Activity Company tragen neben ihren eigenen Kosten die Kosten, die der Europäischen Kommission sowohl vor dem Gericht der Europäischen Union als auch im Verfahren vor dem Gerichtshof der Europäischen Union entstanden sind. Irland trägt seine eigenen Kosten.

Instanzenzug: ,

Gründe

1 Mit ihren Rechtsmitteln beantragt die Europäische Kommission in der Rechtssache C-164/15 P die Aufhebung des Urteils des Gerichts der Europäischen Union vom , Aer Lingus/Kommission (T-473/12, nicht veröffentlicht, im Folgenden: Urteil Aer Lingus, EU:T:2015:78), und in der Rechtssache C-165/15 P die Aufhebung des Urteils des Gerichts der Europäischen Union vom , Ryanair/Kommission (T-500/12, nicht veröffentlicht, im Folgenden: Urteil Ryanair, EU:T:2015:73) (im Folgenden zusammen: angefochtene Urteile), mit denen das Gericht den von der Aer Lingus Ltd bzw. der Ryanair Designated Activity Company, vormals Ryanair Ltd (im Folgenden: Ryanair), erhobenen Klagen teilweise stattgegeben und Art. 4 des Beschlusses 2013/199/EU der Kommission vom über die staatliche Beihilfe SA.29064 (11/C, ex 11/NN) – Differenzierte Fluggaststeuersätze in Irland (ABI. 2013, L 119, S. 30, im Folgenden: streitiger Beschluss) insoweit für nichtig erklärt hat, als mit diesem Artikel die Rückforderung der Beihilfe von den Begünstigten in Höhe eines im 70. Erwägungsgrund dieses Beschlusses auf 8 Euro je Fluggast festgelegten Betrags angeordnet wird.

2 Mit ihren Anschlussrechtsmitteln beantragen Aer Lingus und Ryanair ebenfalls die Aufhebung des Urteils Aer Lingus bzw. des Urteils Ryanair.

Rechtlicher Rahmen

Verordnung (EG) Nr. 659/1999

3 Art. 14 („Rückforderung von Beihilfen”) der Verordnung (EG) Nr. 659/1999 des Rates vom über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel [108 AEUV] (ABl. 1999, L 83, S. 1) lautet wie folgt:

„(1) In Negativentscheidungen hinsichtlich rechtswidriger Beihilfen entscheidet die Kommission, dass der betreffende Mitgliedstaat alle notwendigen Maßnahmen ergreift, um die Beihilfe vom Empfänger zurückzufordern (nachstehend ’Rückforderungsentscheidung’ genannt). Die Kommission verlangt nicht die Rückforderung der Beihilfe, wenn dies gegen einen allgemeinen Grundsatz des [Unions]rechts verstoßen würde.

(2) Die aufgrund einer Rückforderungsentscheidung zurückzufordernde Beihilfe umfasst Zinsen, die nach einem von der Kommission festgelegten angemessenen Satz berechnet werden. Die Zinsen sind von dem Zeitpunkt, ab dem die rechtswidrige Beihilfe dem Empfänger zur Verfügung stand, bis zu ihrer tatsächlichen Rückzahlung zahlbar.

(3) Unbeschadet einer Entscheidung des Gerichtshofes der Europäischen [Union] nach Artikel [278 AEUV] erfolgt die Rückforderung unverzüglich und nach den Verfahren des betreffenden Mitgliedstaats, sofern hierdurch die sofortige und tatsächliche Vollstreckung der Kommissionsentscheidung ermöglicht wird. Zu diesem Zweck unternehmen die betreffenden Mitgliedstaaten im Fall eines Verfahrens vor nationalen Gerichten unbeschadet des [Unions]rechts alle in ihren jeweiligen Rechtsordnungen verfügbaren erforderlichen Schritte einschließlich vorläufiger Maßnahmen.”

Verordnung (EG) Nr. 1008/2008

4 Art. 15 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1008/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom über gemeinsame Vorschriften für die Durchführung von Luftverkehrsdiensten in der [Union] (ABl. 2008, L 293, S. 3) bestimmt:

„Luftfahrtunternehmen der [Union] sind berechtigt, innergemeinschaftliche Flugdienste durchzuführen.”

5 Art. 23 („Information und Nichtdiskriminierung”) dieser Verordnung sieht in Abs. 1 vor:

„Die der Öffentlichkeit zugänglichen Flugpreise und Luftfrachtraten, die in jedweder Form – auch im Internet – für Flugdienste von einem Flughafen im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats, auf das der Vertrag Anwendung findet, angeboten oder veröffentlicht werden, schließen die anwendbaren Tarifbedingungen ein. Der zu zahlende Endpreis ist stets auszuweisen und muss den anwendbaren Flugpreis beziehungsweise die anwendbare Luftfrachtrate sowie alle anwendbaren Steuern und Gebühren, Zuschläge und Entgelte, die unvermeidbar und zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vorhersehbar sind, einschließen. Neben dem Endpreis ist mindestens Folgendes auszuweisen:

  1. der Flugpreis bzw. die Luftfrachtrate,

  2. die Steuern,

  3. die Flughafengebühren und

  4. die sonstigen Gebühren, Zuschläge und Entgelte, wie etwa diejenigen, die mit der Sicherheit oder dem Kraftstoff in Zusammenhang stehen,

soweit die unter den Buchstaben b, c und d genannten Posten dem Flugpreis bzw. der Luftfrachtrate hinzugerechnet wurden. Fakultative Zusatzkosten werden auf klare, transparente und eindeutige Art und Weise am Beginn jedes Buchungsvorgangs mitgeteilt; die Annahme der fakultativen Zusatzkosten durch den Kunden erfolgt auf ’Opt-in’-Basis.”

Richtlinie 2014/104/EU

6 In den Erwägungsgründen 3 und 4 der Richtlinie 2014/104/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom über bestimmte Vorschriften für Schadensersatzklagen nach nationalem Recht wegen Zuwiderhandlungen gegen wettbewerbsrechtliche Bestimmungen der Mitgliedstaaten und der Europäischen Union (ABl. 2014, L 349, S. 1) heißt es:

„(3) … Die volle Wirksamkeit der Artikel 101 und 102 AEUV und insbesondere die praktische Wirkung der darin festgelegten Verbote erfordern, dass jeder – seien es Einzelpersonen, einschließlich Verbraucher und Unternehmen, oder Behörden – vor nationalen Gerichten Ersatz des Schadens verlangen kann, der ihm durch eine Zuwiderhandlung gegen diese Bestimmungen entstanden ist. …

(4) Das nach Unionsrecht geltende Recht auf Ersatz von Schäden infolge von Zuwiderhandlungen gegen das Wettbewerbsrecht der Union oder nationales Wettbewerbsrecht setzt voraus, dass in jedem Mitgliedstaat Verfahrensvorschriften bestehen, die gewährleisten, dass dieses Recht wirksam geltend gemacht werden kann. …”

7 Art. 13 („Einwendung der Abwälzung des Preisaufschlags”) dieser Richtlinie lautet:

„Die Mitgliedstaaten gewährleisten, dass der Beklagte in einem Verfahren über Schadensersatzklagen als Einwendung gegen einen Schadensersatzanspruch geltend machen kann, dass der Kläger den sich aus der Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht ergebenden Preisaufschlag ganz oder teilweise weitergegeben hat. Die Beweislast für die Weitergabe des Preisaufschlags trägt der Beklagte, der in angemessener Weise Offenlegungen von dem Kläger oder von Dritten verlangen kann.”

Vorgeschichte des Rechtsstreits

8 Die Vorgeschichte des Rechtsstreits, wie sie aus den Rn. 1 bis 13 der angefochtenen Urteile hervorgeht, lässt sich wie folgt zusammenfassen.

9 Irland führte zum eine Verbrauchsteuer namens „Air Travel Tax” (Fluggaststeuer, im Folgenden: ATT) ein, die direkt bei den Fluggesellschaften erhoben wurde, und zwar – von einigen für das vorliegende Verfahren irrelevanten Ausnahmen abgesehen – für jeden Fluggast, der mit einem Flugzeug von einem in Irland gelegenen Flughafen abflog. Die Fluggesellschaften waren die Steuerschuldner und mussten die ATT abführen, wobei es ihnen unbenommen blieb, den Betrag dieser Steuer auf den Ticketpreis abzuwälzen.

10 Bei ihrer Einführung wurde die ATT auf der Grundlage der Entfernung zwischen dem Start- und dem Zielflughafen berechnet und sah zwei unterschiedliche Steuersätze zulasten der Fluggesellschaften vor, nämlich 2 Euro pro Fluggast im Falle eines Fluges zu einem Zielflughafen, der höchstens 300 Kilometer vom Flughafen Dublin (Irland) entfernt liegt (im Folgenden: niedrigerer ATT-Satz), und 10 Euro pro Fluggast in allen anderen Fällen (im Folgenden: höherer ATT-Satz).

11 Am reichte Ryanair bei der Kommission zwei gesonderte Beschwerden hinsichtlich der ATT ein, die erste wegen Verletzung der Vorschriften über staatliche Beihilfen und die zweite gestützt auf Art. 56 AEUV sowie auf die Verordnung Nr. 1008/2008. Auf die zweite dieser Beschwerden hin leitete die Kommission eine Untersuchung in Bezug auf einen etwaigen Verstoß gegen die Bestimmungen über den freien Dienstleistungsverkehr ein und sandte am ein Mahnschreiben an die irischen Behörden. Irland änderte daraufhin zum die Berechnungsmodalitäten der ATT, indem es eine für alle Abflüge geltende einheitliche, entfernungsunabhängige Steuer von 3 Euro pro Fluggast einführte, so dass die Kommission ihre Untersuchung einstellte.

12 Auf die erste Beschwerde von Ryanair hin leitete die Kommission am ein förmliches Prüfverfahren gemäß Art. 108 Abs. 2 AEUV über den niedrigeren ATT-Satz ein. Nach Abschluss dieses Verfahrens erließ die Kommission den streitigen Beschluss.

13 In Art. 1 dieses Beschlusses wird festgestellt, dass die von Irland in der Zeit vom bis zum unter Verletzung von Art. 108 Abs. 3 AEUV rechtswidrig gewährte staatliche Beihilfe in Form eines geringeren Fluggaststeuersatzes für alle Flüge mit einem Flugzeug, das mehr als 20 Fluggäste befördern kann, nicht für staatliche oder militärische Zwecke genutzt wird und von einem Flughafen mit einem Fluggastaufkommen von mehr als 10 000 Passagieren pro Jahr zu einem Zielflughafen abfliegt, der höchstens 300 km vom Flughafen Dublin entfernt liegt, mit dem Binnenmarkt unvereinbar ist.

14 Mit Art. 4 Abs. 1 des streitigen Beschlusses wird angeordnet, dass Irland die rechtswidrige Beihilfe zurückfordert. Im 70. Erwägungsgrund dieses Beschlusses heißt es, dass die zurückzufordernde Beihilfe der Differenz zwischen dem niedrigeren ATT-Satz und dem höheren Satz, d. h. 8 Euro pro beförderten Fluggast, entspricht. In demselben Erwägungsgrund werden Aer Lingus und Ryanair unter den Begünstigten der Beihilfe genannt.

Verfahren vor dem Gericht und angefochtene Urteile

15 Mit am 1. November (Rechtssache T-473/12) bzw. am (Rechtssache T-500/12) bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klageschriften erhoben Aer Lingus und Ryanair jeweils Klage auf Nichtigerklärung des streitigen Beschlusses.

16 In der Rechtssache T-473/12 machte Aer Lingus zur Stützung ihrer Klage fünf Klagegründe geltend: Der erste beruhte auf einem der Kommission insoweit unterlaufenen Rechtsfehler, als sie in dem streitigen Beschluss den niedrigeren ATT-Satz als „staatliche Beihilfe” eingestuft habe, mit dem zweiten Klagegrund wurde eine Verletzung der Grundsätze der Rechtssicherheit, der Effektivität und der ordnungsgemäßen Verwaltung geltend gemacht, weil mit dem streitigen Beschluss die Rückforderung der Beihilfe angeordnet worden sei, der dritte Klagegrund war auf einen Rechtsfehler und einen offensichtlichen Beurteilungsfehler seitens der Kommission gestützt, die es versäumt habe, die Abwälzung der ATT auf die Fluggäste bei der Qualifizierung der Maßnahme als Beihilfe und bei der Quantifizierung des Vorteils zu berücksichtigen, der vierte Klagegrund beruhte auf einem Verstoß gegen Art. 14 der Verordnung Nr. 659/1999 sowie gegen die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Gleichbehandlung durch die Anordnung der Rückforderung in dem streitigen Beschluss und mit dem fünften Klagegrund wurde eine Verletzung der Begründungspflicht geltend gemacht.

17 In der Rechtssache T-500/12 machte Ryanair zur Stützung ihrer Klage fünf Klagegründe geltend: Der erste betraf einen Rechtsfehler im Beschluss der Kommission, wonach der höhere ATT-Satz der „normale” oder „gesetzmäßige Standardsatz” sei, der zweite Klagegrund beruhte auf einem Rechtsfehler und offensichtlichen Beurteilungsfehlern der Kommission hinsichtlich der Beurteilung des durch die ATT gewährten Vorteils, der dritte Klagegrund war auf einen Rechtsfehler und offensichtliche Beurteilungsfehler der Kommission hinsichtlich des Rückforderungsbeschlusses gestützt, mit dem vierten Klagegrund wurde eine fehlende Mitteilung des Rückforderungsbeschlusses der Kommission geltend gemacht und mit dem fünften Klagegrund ein Begründungsmangel des streitigen Beschlusses.

18 In den angefochtenen Urteilen hat das Gericht an erster Stelle den jeweils fünften Klagegrund der beiden Klagen geprüft, mit dem eine Verletzung der Begründungspflicht geltend gemacht wurde, und ihn jeweils zurückgewiesen. Diese Teile der angefochtenen Urteile werden weder mit den Rechtsmitteln noch mit den Anschlussrechtsmitteln angefochten.

19 An zweiter Stelle hat das Gericht, was speziell die Klage von Ryanair betrifft, in den Rn. 42 bis 56 des Urteils Ryanair den vierten Klagegrund von Ryanair geprüft und ihn zurückgewiesen. Dieser Teil jenes Urteils ist ebenfalls nicht vom Rechtsmittel der Kommission in der Rechtssache C-165/15 P oder vom Anschlussrechtsmittel von Ryanair in derselben Rechtssache betroffen.

20 An dritter Stelle hat das Gericht den jeweils ersten Klagegrund der Klagen von Aer Lingus und Ryanair geprüft und ihn jeweils zurückgewiesen. Im Wesentlichen war das Gericht der Ansicht, dass der Kommission kein Rechtsfehler unterlaufen sei, indem sie den höheren ATT-Satz als „Referenzsatz” eingestuft habe, um das Vorliegen eines selektiven Vorteils zu belegen, und zu dem Ergebnis gekommen sei, dass die Anwendung differenzierter Steuersätze im vorliegenden Fall eine staatliche Beihilfe zugunsten der Fluggesellschaften dargestellt habe, deren Flüge während des betreffenden Zeitraums mit dem niedrigeren ATT-Satz besteuert worden seien.

21 An vierter Stelle hat sich das Gericht der Prüfung des dritten und des vierten Klagegrundes der Klage von Aer Lingus und des zweiten und des dritten Klagegrundes der Klage von Ryanair gewidmet, denen es teilweise stattgegeben hat.

22 Im Rahmen dieser Prüfung ist das Gericht davon ausgegangen, dass die Kommission insoweit „einen Beurteilungsfehler und einen Rechtsfehler” begangen habe, als sie den von den Begünstigten, u. a. von Aer Lingus und Ryanair, zurückzufordernden Beihilfebetrag auf 8 Euro je Fluggast auf einem der mit dem niedrigeren ATT-Satz besteuerten Flüge, d. h. auf den Unterschied zwischen diesem Satz und dem höheren ATT-Satz, festgesetzt habe. Nach Ansicht des Gerichts durfte die Kommission, soweit der sich aus der Anwendung des niedrigeren ATT-Satzes ergebende wirtschaftliche Vorteil zumindest teilweise an die Fluggäste weitergegeben werden konnte, nicht davon ausgehen, dass der den betreffenden Fluggesellschaften erwachsene Vorteil automatisch in allen Fällen 8 Euro je Fluggast betrug.

23 In Rn. 124 des Urteils Aer Lingus hat das Gericht daher den Standpunkt eingenommen, dass, „ohne dass über den von [Aer Lingus] geltend gemachten Verstoß gegen die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Gleichbehandlung entschieden zu werden braucht”, dem dritten und dem vierten Klagegrund ihrer Klage stattzugeben sei.

24 Ebenso hat das Gericht in Rn. 150 des Urteils Ryanair den Schluss gezogen, dass dem zweiten und dem dritten Klagegrund von Ryanair stattzugeben sei, „ohne dass der zweite Teil des dritten Klagegrundes und das zusätzliche Vorbringen [von Aer Lingus, die jener Rechtssache zur Stützung der Anträge von Ryanair beigetreten war,] geprüft zu werden braucht”.

25 Das Gericht hat daher in Nr. 1 des Tenors der angefochtenen Urteile Art. 4 des streitigen Beschlusses insoweit für nichtig erklärt, „als er die Rückforderung der Beihilfe von den Begünstigten in Höhe eines im 70. Erwägungsgrund dieses Beschlusses auf 8 Euro je Fluggast festgelegten Betrags anordnet”. In Nr. 2 des Tenors dieser Urteile hat es die Klagen im Übrigen abgewiesen.

Anträge der Parteien vor dem Gerichtshof

26 Die Kommission beantragt,

  • Nr. 1 des Tenors der angefochtenen Urteile aufzuheben,

  • die Klagen vor dem Gericht insgesamt abzuweisen oder hilfsweise die Sache an das Gericht zurückzuverweisen,

  • die Anschlussrechtsmittel zurückzuweisen und

  • den Beklagten des ersten Rechtszugs die Kosten aufzuerlegen oder hilfsweise die Kostenentscheidung für beide Rechtszüge vorzubehalten.

27 Aer Lingus und Ryanair beantragen,

  • Nr. 2 des Tenors der angefochtenen Urteile aufzuheben,

  • den streitigen Beschluss für nichtig zu erklären,

  • die Rechtsmittel zurückzuweisen und

  • der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

28 Irland beantragt,

  • den Rechtsmitteln der Kommission stattzugeben und die Klagen vor dem Gericht abzuweisen sowie

  • die Anschlussrechtsmittel zurückzuweisen.

Zu den Anträgen auf Wiedereröffnung des mündlichen Verfahrens

29 Mit Schriftsatz, der am bei der Kanzlei des Gerichtshofs eingegangen ist, hat Aer Lingus beantragt, nach Art. 83 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs die Wiedereröffnung des mündlichen Verfahrens zu beschließen. Zur Stützung ihres Antrags macht Aer Lingus geltend, dass es erforderlich sei, zu den Schlussanträgen des Generalanwalts und insbesondere zu den Argumenten und der Rechtsprechung, die in den Nrn. 79, 80, 83 und 88 bis 99 dieser Schlussanträge angeführt würden, Stellung zu beziehen. Zudem ist Aer Lingus der Ansicht, dass ihr Gelegenheit gegeben werden müsse, zu den vom Gericht nicht geprüften Klagegründen und Argumenten für den Fall Stellung zu nehmen, dass der Gerichtshof das Urteil Aer Lingus aufhebe und der Ansicht sei, dass die Rechtssache zur Entscheidung reif sei.

30 Mit Schriftsatz, der am bei der Kanzlei des Gerichtshofs eingegangen ist, hat Ryanair angegeben, dass es den Antrag von Aer Lingus auf Wiedereröffnung des mündlichen Verfahrens unterstütze, und beantragt – im Wesentlichen aus den auch von Aer Lingus vorgebrachten Gründen – ebenfalls die Wiedereröffnung des mündlichen Verfahrens.

31 Es ist darauf hinzuweisen, dass die Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union und die Verfahrensordnung des Gerichtshofs zwar für die Parteien nicht die Möglichkeit vorsehen, eine Stellungnahme zu den Schlussanträgen des Generalanwalts einzureichen (Urteil vom , Vnuk, C-162/13, EU:C:2014:2146, Rn. 30 und die dort angeführte Rechtsprechung).

32 Der Generalanwalt hat nämlich nach Art. 252 Abs. 2 AEUV öffentlich in völliger Unparteilichkeit und Unabhängigkeit begründete Schlussanträge zu den Rechtssachen zu stellen, in denen nach der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union seine Mitwirkung erforderlich ist. Die Schlussanträge des Generalanwalts oder ihre Begründung binden den Gerichtshof nicht. Dass eine Partei nicht mit den Schlussanträgen des Generalanwalts einverstanden ist, kann folglich unabhängig von den darin untersuchten Fragen für sich genommen kein Grund sein, der die Wiedereröffnung des mündlichen Verfahrens rechtfertigt (Urteil vom , InnoLux/Kommission, C-231/14 P, EU:C:2015:451, Rn. 27 und 28 und die dort angeführte Rechtsprechung).

33 Dennoch kann der Gerichtshof nach Art. 83 seiner Verfahrensordnung jederzeit nach Anhörung des Generalanwalts die Eröffnung oder Wiedereröffnung des mündlichen Verfahrens beschließen, insbesondere wenn er sich für unzureichend unterrichtet hält oder wenn eine Partei nach Abschluss des mündlichen Verfahrens eine neue Tatsache unterbreitet hat, die von entscheidender Bedeutung für die Entscheidung des Gerichtshofs ist.

34 Das ist hier nicht der Fall. Der Gerichtshof ist nämlich nach Anhörung des Generalanwalts der Auffassung, dass er über alle für die Entscheidung erforderlichen Informationen verfügt und dass die Rechtssache nicht im Hinblick auf eine neue Tatsache, die von entscheidender Bedeutung für die Entscheidung ist, oder im Hinblick auf ein vor ihm nicht erörtertes Vorbringen zu prüfen ist.

35 Was des Näheren die Anträge von Aer Lingus und Ryanair anbelangt, zu den vom Gericht nicht geprüften Klagegründen und Argumenten für den Fall Stellung nehmen zu dürfen, dass der Gerichtshof die angefochtenen Urteile aufhebt und den Standpunkt einnimmt, dass die Rechtssache zur Entscheidung reif ist, ergibt sich aus Art. 168 Abs. 1 Buchst. d in Verbindung mit Art. 173 Abs. 1 Buchst. c und Art. 170 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs, dass die Parteien im Rechtsmittelverfahren gehalten sind, in ihrer Rechtsmittelschrift bzw. in ihrer Rechtsmittelbeantwortung alle einschlägigen Gründe und Argumente insbesondere für den Fall darzulegen, dass der Gerichtshof gemäß Art. 61 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union den Rechtsstreit selbst endgültig entscheidet, wenn er dem Rechtsmittel stattgibt. Somit haben die Parteien im Laufe des schriftlichen Verfahrens, aber auch der mündlichen Verhandlung die Möglichkeit gehabt, zu allen ihnen relevant erscheinenden Gesichtspunkten der Rechtssache Stellung zu nehmen. Daher kann es nicht die Wiedereröffnung des mündlichen Verfahrens rechtfertigen, wenn Aer Lingus und Ryanair geltend machen, dass es erforderlich sei, zu den vom Gericht nicht geprüften Klagegründen und Argumenten Stellung zu nehmen.

36 Im Hinblick auf diese Erwägungen besteht nach Ansicht des Gerichtshofs keine Veranlassung, die Wiedereröffnung des mündlichen Verfahrens zu beschließen.

Zu den Anschlussrechtsmitteln

37 Zur Stützung ihrer jeweiligen Anschlussrechtsmittel, die als Erstes zu prüfen sind, da mit ihnen im vorliegenden Fall bereits das Vorliegen einer staatlichen Beihilfe in Abrede gestellt wird, machen Aer Lingus und Ryanair jeweils einen einzigen Rechtsmittelgrund geltend, nämlich einen Rechtsfehler, der dem Gericht unterlaufen sei, als es den jeweils ersten Klagegrund ihrer Nichtigkeitsklagen, mit dem sie die Qualifizierung des niedrigeren ATT-Satzes als „staatliche Beihilfe” angefochten hätten, zurückgewiesen habe.

38 Jeder dieser Rechtsmittelgründe ist in vier Teile gegliedert, mit denen Aer Lingus und Ryanair die Rechtmäßigkeit der vom Gericht bestätigten Entscheidung der Kommission anfechten, den höheren ATT-Satz von 10 Euro pro Fluggast bei ihrer Beurteilung des selektiven Charakters des Vorteils, der sich aus der Besteuerung bestimmter Flüge zum niedrigeren Satz von 2 Euro pro Fluggast ergebe, als den „normalen” Satz oder Referenzsatz anzusehen.

Vorüberlegungen

39 Nach Art. 107 Abs. 1 AEUV sind, soweit in den Verträgen nicht etwas anderes bestimmt ist, staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen gleich welcher Art, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, mit dem Binnenmarkt unvereinbar, soweit sie den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen.

40 Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs ist der Begriff „Beihilfe” weiter als der Begriff „Subvention”, da er nicht nur positive Leistungen wie etwa die Subventionen selbst, sondern auch staatliche Maßnahmen umfasst, die in verschiedener Form die Belastungen vermindern, die ein Unternehmen regelmäßig zu tragen hat, und die somit, obwohl sie keine Subventionen im strengen Sinne des Wortes darstellen, diesen nach Art und Wirkungen gleichstehen (Urteil vom , Kommission und Spanien/Government of Gibraltar und Vereinigtes Königreich, C-106/09 P und C-107/09 P, EU:C:2011:732, Rn. 71 und die dort angeführte Rechtsprechung).

41 Daraus folgt, dass eine Maßnahme, mit der staatliche Stellen bestimmten Unternehmen eine steuerliche Vergünstigung gewähren, die zwar nicht mit der Übertragung staatlicher Mittel verbunden ist, aber die Begünstigten finanziell besser stellt als die übrigen Abgabepflichtigen, eine staatliche Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV ist. Dagegen stellen Vorteile aus einer unterschiedslos auf alle Wirtschaftsteilnehmer anwendbaren allgemeinen Maßnahme, die somit nicht selektiv sind, keine staatlichen Beihilfen im Sinne von Art. 107 AEUV dar (Urteil vom , Kommission und Spanien/Government of Gibraltar und Vereinigtes Königreich, C-106/09 P und C-107/09 P, EU:C:2011:732, Rn. 72 und 73 und die dort angeführte Rechtsprechung).

42 Im vorliegenden Fall ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission, wie den Rn. 54 und 55 des Urteils Aer Lingus sowie den Rn. 79 und 80 des Urteils Ryanair zu entnehmen ist, in dem streitigen Beschluss davon ausging, dass sie für den Nachweis des selektiven Charakters der ATT ein „Referenzsystem” benennen und ermitteln müsse, ob diese Maßnahme eine Abweichung von diesem System darstelle. Nachdem die Kommission festgestellt hatte, dass der niedrigere ATT-Satz im Wesentlichen nur für inländische Flugziele und nur für 10 % bis 15 % aller der ATT unterliegenden Flüge gilt, zog sie den Schluss, dass der höhere ATT-Satz als der normale Satz des Referenzsystems anzusehen sei, wohingegen der niedrigere Satz eine Ausnahme darstelle.

43 In Bezug auf diese Erwägungen haben Aer Lingus und Ryanair vor dem Gericht lediglich kritisiert, dass der höhere Satz dieser Steuer für den Nachweis des selektiven Charakters der ATT als Referenzsatz herangezogen worden sei.

44 Nachdem das Gericht das Vorbringen von Aer Linus und Ryanair hierzu geprüft und zurückgewiesen hatte, kam es in den Rn. 76 bzw. 90 der Urteile Aer Linus und Ryanair zu dem Ergebnis, dass der Kommission kein Rechtsfehler unterlaufen sei, als sie den höheren ATT-Satz als „Referenzsatz” eingestuft und in der Folge den Standpunkt eingenommen habe, dass die Anwendung differenzierter Steuersätze eine staatliche Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV zugunsten der Fluggesellschaften darstelle, deren Flüge während des von dem streitigen Beschluss betroffenen Zeitraums mit dem niedrigeren ATT-Satz besteuert worden seien.

45 Diese Beurteilung des Gerichts ist nach Auffassung von Aer Lingus und Ryanair aus den im Rahmen der verschiedenen Teile ihres jeweils einzigen Rechtsmittelgrundes dargelegten Gründen rechtsfehlerhaft.

46 In diesem Kontext sind die verschiedenen Teile des jeweils einzigen Rechtsmittelgrundes von Ryanair und Aer Lingus zu prüfen, mit denen nachgewiesen werden soll, dass die Argumentation des Gerichts insoweit rechtsfehlerhaft sei, als die Heranziehung des höheren ATT-Satzes als Referenzsatz bestätigt und die etwaige Erstattung eines Teils dieser Steuer an die mit dem höheren Satz besteuerten Wirtschaftsteilnehmer nicht berücksichtigt worden sei. Zunächst wird der erste Teil des einzigen Rechtsmittelgrundes von Ryanair geprüft, dann der vierte Teil dieses Rechtsmittelgrundes, und schließlich werden zusammen alle Teile des einzigen Rechtsmittelgrundes von Aer Lingus und der zweite und der dritte Teil des einzigen Rechtsmittelgrundes von Ryanair geprüft.

Zum ersten Teil des einzigen Rechtsmittelgrundes von Ryanair

Vorbringen der Parteien

47 Ryanair rügt, dass das Gericht in den Rn. 74 bis 76 des Urteils Ryanair ihr Vorbringen zurückgewiesen habe, wonach für die Ermittlung, ob die zum niedrigeren Satz erhobene ATT eine staatliche Beihilfe darstelle, als angemessener Referenzsatz der Satz von 3 Euro heranzuziehen gewesen sei, den die irischen Behörden im März 2011 eingeführt hätten. Nach Ansicht von Ryanair hindert der Umstand, dass dieser Satz von 3 Euro während des von dem streitigen Beschluss betroffenen Zeitraums nicht anwendbar gewesen sei, nicht daran, ihn als Referenzsatz heranzuziehen. Der Satz von 10 Euro habe nie unabhängig von dem niedrigeren Satz existiert, und die beiden Besteuerungssätze seien gleichzeitig eingeführt und abgeschafft worden. Daher habe es in der vorliegenden Rechtssache niemals einen „normalen” oder einen „Referenzsatz” gegeben.

48 Die Kommission und die irische Regierung tragen vor, dass dieser Teil des einzigen Rechtsmittelgrundes ins Leere gehe, da sich Ryanair darauf beschränke, allein Rn. 74 des Urteils Ryanair anzufechten, und keine Kritik an der vom Gericht in den Rn. 75 und 76 jenes Urteils dargelegten Begründung übe, die für sich genommen ausreiche, um die Zurückweisung ihres Vorbringens vor dem Gericht zu rechtfertigen. Hilfsweise stellen sie die Begründetheit des Vorbringens von Ryanair in Abrede.

Würdigung durch den Gerichtshof

49 Entgegen dem Vorbringen der Kommission und der irischen Regierung geht der erste Teil des einzigen Rechtsmittelgrundes von Ryanair nicht ins Leere. Ryanair gibt nämlich in ihrem Rechtsmittel an, dass dieser Teil nicht nur Rn. 74, sondern auch die Rn. 75 und 76 des Urteils Ryanair betreffe. Zudem wird in diesen drei Randnummern im Wesentlichen ein und derselbe Grund ausgeführt, der auf der Feststellung beruht, dass der Satz von 3 Euro während des von dem streitigen Beschluss betroffenen Zeitraums nicht anwendbar gewesen sei und somit nicht als Referenzsatz herangezogen werden könne.

50 Inhaltlich kann das Vorbringen von Ryanair indessen nicht durchgreifen.

51 Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs verlangt Art. 107 Abs. 1 AEUV nämlich für die Beurteilung der Voraussetzung der Selektivität, dass festgestellt wird, ob eine nationale Maßnahme im Rahmen einer bestimmten rechtlichen Regelung geeignet ist, „bestimmte Unternehmen oder Produktionszweige” gegenüber anderen Unternehmen oder Produktionszweigen, die sich im Hinblick auf das mit der betreffenden Regelung verfolgte Ziel in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Situation befinden, zu begünstigen (Urteil vom , Kommission und Spanien/Government of Gibraltar und Vereinigtes Königreich, C-106/09 P und C-107/09 P, EU:C:2011:732, Rn. 75 und die dort angeführte Rechtsprechung).

52 Wie der Generalanwalt in Nr. 41 seiner Schlussanträge im Wesentlichen ausgeführt hat, kann eine solche Beurteilung nicht durch einen Vergleich zwischen dem Betrag, den die mit dem niedrigeren ATT-Satz besteuerten Fluggesellschaften zu entrichten hatten, und einem hypothetischen Besteuerungsbetrag vorgenommen werden, der auf der Basis eines Satzes berechnet wird, der, wie Ryanair selbst einräumt, während des von dem streitigen Beschluss betroffenen Zeitraums auf keinen Flug und keine Fluggesellschaft zur Anwendung kam. Wie das Gericht in Rn. 75 des Urteils Ryanair zu Recht ausgeführt hat, wäre es, wenn ein anderer Referenzsatz als derjenige festgelegt würde, der während des betreffenden Zeitraums tatsächlich zur Anwendung kam, nicht möglich, alle Auswirkungen der ATT erfassen.

53 Daher sind die Rn. 74 bis 76 des Urteils Ryanair nicht mit dem von Ryanair geltend gemachten Rechtsfehler behaftet, und der erste Teil ihres einzigen Rechtsmittelgrundes ist zurückzuweisen.

Zum vierten Teil des einzigen Rechtsmittelgrundes von Ryanair

Vorbringen der Parteien

54 Mit dem vierten Teil ihres einzigen Rechtsmittelgrundes macht Ryanair geltend, dass entgegen der in Rn. 89 des Urteils Ryanair vertretenen Ansicht des Gerichts der Umstand, dass die beiden ATT-Sätze gleichzeitig eingeführt worden seien, sehr wohl für die Beurteilung des Beihilfecharakters des niedrigeren Satzes relevant gewesen sei. Die gleichzeitige Einführung der beiden Sätze sei keine Frage der „Regelungstechnik” gewesen, wie das Gericht gemeint habe. Irland könne nämlich nicht einen einheitlichen Steuersatz von 10 Euro pro Fluggast in Betracht ziehen und habe aus diesem Grund später entschieden, die beiden ATT-Sätze durch einen einheitlichen Satz von 3 Euro pro Fluggast zu ersetzen. Außerdem reiche der Umstand, dass der niedrigere ATT-Satz weniger häufig zur Anwendung gekommen sei, nicht aus, um eine Heranziehung dieses Satzes als Referenzsatz auszuschließen, da die Häufigkeit der einem bestimmten Steuersatz unterliegenden steuerbaren Umsätze nur einer von mehreren zu berücksichtigenden Gesichtspunkten sei.

55 Nach Ansicht der Kommission ist der vorliegende Teil nicht begründet, während die irische Regierung geltend macht, dass er unzulässig – weil unzureichend dargelegt – sei, und hilfsweise vorbringt, dass er nicht begründet sei.

Würdigung durch den Gerichtshof

56 Entgegen dem Vorbringen der irischen Regierung hat Ryanair rechtlich hinreichend die Gründe dargelegt, aus denen Rn. 89 des Urteils Ryanair ihrer Ansicht nach mit einem Rechtsfehler behaftet ist.

57 Nichtsdestoweniger können diese Gründe die Begründetheit der Zurückweisung des Vorbringens von Ryanair durch das Gericht nicht in Frage stellen, so dass dieser Teil des einzigen Rechtsmittelgrundes von Ryanair ebenfalls zurückzuweisen ist.

58 Wie das Gericht in Rn. 89 des Urteils Ryanair im Wesentlichen ausgeführt hat, liefe die Auffassung, dass der niedrigere ATT-Satz den Unternehmen, die ihm unterlagen, nur deswegen keinen selektiven Vorteil verschafft hat, weil dieser Satz gleichzeitig mit dem Satz von 10 Euro pro Fluggast eingeführt wurde, nämlich darauf hinaus, den Beihilfecharakter einer staatlichen Maßnahme von der verwendeten Regelungstechnik abhängig zu machen. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs unterscheidet Art. 107 Abs. 1 AEUV die staatlichen Maßnahmen aber nicht danach, welche Techniken von den nationalen Behörden verwendet wurden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Kommission und Spanien/Government of Gibraltar und Vereinigtes Königreich, C-106/09 P und C-107/09 P, EU:C:2011:732, Rn. 87 und die dort angeführte Rechtsprechung).

59 Daher ist auch der vierte Teil des einzigen Rechtsmittelgrundes von Ryanair zurückzuweisen.

Zum einzigen Rechtsmittelgrund von Aer Lingus und zum zweiten und zum dritten Teil des einzigen Rechtsmittelgrundes von Ryanair

Vorbringen der Parteien

60 Der einzige Rechtsmittelgrund von Aer Lingus besteht aus vier Teilen. Im Rahmen des ersten Teils macht Aer Lingus geltend, dass Rn. 43 des Urteils Aer Lingus, falls sie dahin zu verstehen sei, dass bei der Prüfung des Beihilfecharakters einer bestimmten Maßnahme niemals zu berücksichtigen sei, ob diese Maßnahme möglicherweise gegen andere unionsrechtliche Vorschriften als die Art. 107 und 108 AEUV verstoße, mit einem Rechtsfehler behaftet sei. Nach Ansicht von Aer Lingus ist die Relevanz dieser Frage vom Gerichtshof in den Rn. 31 und 32 seines Urteils vom , Denkavit italiana (61/79, EU:C:1980:100), und in den Rn. 14 bis 16 seines Urteils vom , Ariete (811/79, EU:C:1980:195), anerkannt worden. Außerdem ergebe sich aus den Rn. 23 und 24 des Urteils vom , Asteris u. a. (106/87 bis 120/87, EU:C:1988:457), und aus Rn. 60 des Urteils vom , ThyssenKrupp Acciai Speciali Terni/Kommission (T-62/08, EU:T:2010:268), dass eine vom Staat zum Ersatz eines von ihm verursachten Schadens geleistete Zahlung keine staatliche Beihilfe darstelle.

61 In diesem Zusammenhang weist Aer Lingus darauf hin, dass sie vor dem Gericht vorgetragen habe, dass die Erhebung der ATT zum Satz von 10 Euro pro Fluggast rechtswidrig gewesen sei, da sie gegen Art. 56 AEUV und gegen die Verordnung Nr. 1008/2008 verstoßen habe, und die zu diesem Satz erhobene ATT den betroffenen Fluggesellschaften erstattet werden könne. Diese Rechtswidrigkeit hindere daran, den niedrigeren ATT-Satz als staatliche Beihilfe einzustufen.

62 Mit dem zweiten Teil ihres einzigen Rechtsmittelgrundes macht Aer Lingus geltend, dass dem Gericht insoweit ein Rechtsfehler unterlaufen sei, als es in Rn. 63 des Urteils Aer Lingus davon ausgegangen sei, dass die Kommission den Satz von 10 Euro pro Fluggast zu Recht als den „normalen” Steuersatz habe ansehen können, obwohl er rechtswidrig gewesen sei. Rn. 58 jenes Urteils, wonach das Vorbringen von Aer Lingus auf einer falsche Prämisse beruht habe, sei nämlich widersprüchlich und insoweit mit einem Fehler behaftet, als die Kommission in dem streitigen Beschluss nur festgestellt habe, dass die Existenz zweier differenzierter ATT-Sätze – und nicht der höhere Satz als solcher – eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit darstelle.

63 Im Rahmen des dritten Teils ihres einzigen Rechtsmittelgrundes rügt Aer Lingus Rn. 60 des Urteils Aer Lingus, wonach es falsch sei, zu behaupten, dass der höhere ATT-Satz rechtswidrig sei, da einer steuerlichen Benachteiligung wie der, die sich aus der Existenz zweier unterschiedlicher ATT-Sätze ergebe, durch eine Anhebung des niedrigeren Satzes auf die Höhe des höheren Satzes oder umgekehrt durch eine Absenkung des höheren Satzes auf die Höhe des niedrigeren Satzes oder durch die Einführung eines neuen einheitlichen Satzes abgeholfen werden könne. In dieser Randnummer werde die Frage der Handlung, die der Mitgliedstaat vornehmen müsse, um die Benachteiligung für die Zukunft abzustellen, mit der Frage der Handlung verwechselt, die er ergreifen müsse, um der „historischen” Rechtswidrigkeit der benachteiligenden Steuersätze abzuhelfen.

64 Schließlich kritisiert Aer Lingus im Rahmen des vierten Teils ihres einzigen Rechtsmittelgrundes Rn. 61 des Urteils Aer Lingus, wonach „ein … Recht auf Erstattung [der zum Satz von 10 Euro pro Fluggast gezahlten ATT] – unter der Annahme, dass es besteht – nicht automatisch ist und von einer Reihe von Faktoren wie etwa den im nationalen Recht geltenden Verjährungsfristen für die Stellung eines solchen Antrags und der Wahrung der allgemeinen Grundsätze wie etwa dem Nichtvorliegen einer ungerechtfertigten Bereicherung abhängt”. Aer Lingus macht geltend, dass die dem höheren ATT-Satz oder den differenzierten Sätzen innewohnende Rechtswidrigkeit sowie der Umstand, dass Irland grundsätzlich verpflichtet gewesen sei, den Fluggesellschaften, die die ATT zum höheren Satz entrichtet hätten, die Differenz zwischen diesem und dem niedrigeren Satz zu erstatten, bedeuteten, dass der höhere Satz nicht als der „normale” Steuersatz angesehen werden könne.

65 Mit dem zweiten Teil ihres einzigen Rechtsmittelgrundes trägt Ryanair vor, dass der ATT-Satz von 10 Euro pro Fluggast insoweit nicht den „Referenzsatz” für die Beurteilung des Beihilfecharakters des niedrigeren ATT-Satzes habe darstellen können, als der Satz von 10 Euro pro Fluggast analog zu dem, was der Gerichtshof in seinem Urteil vom , Stylianakis (C-92/01, EU:C:2003:72), entschieden habe, gegen Art. 56 AEUV und gegen die Verordnung Nr. 1008/2008 verstoßen habe. Es beeinträchtige die Kohärenz des Unionsrechts, den höheren Satz als Referenzsatz anzusehen.

66 Im Rahmen des dritten Teils ihres einzigen Rechtsmittelgrundes macht Ryanair geltend, dass das Gericht in Rn. 88 des Urteils Ryanair zu Unrecht auf „hypothetische Anträge auf Erstattung” der zu dem höheren Satz gezahlten ATT Bezug genommen habe. Ihrer Ansicht nach war die ATT-Besteuerung zu diesem Satz unionsrechtswidrig und müsste die zu viel gezahlte Steuer den betroffenen Unternehmen erstattet werden.

67 Die Kommission und die irische Regierung treten dem Vorbringen von Aer Lingus und Ryanair entgegen und sind der Ansicht, dass es als unbegründet zurückzuweisen sei.

Würdigung durch den Gerichtshof

68 Was zunächst den ersten Teil des einzigen Rechtsmittelgrundes von Aer Lingus betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass nur die von der fraglichen steuerlichen Maßnahme erzeugten Wirkungen von Bedeutung sind, um ihren etwaigen Beihilfecharakter zu beurteilen und insbesondere festzustellen, ob diese Maßnahme dazu führt, das die damit Begünstigten im Verhältnis zu anderen Steuerpflichtigen steuerlich günstiger behandelt werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Kommission und Spanien/Government of Gibraltar und Vereinigtes Königreich, C-106/09 P und C-107/09 P, EU:C:2011:732, Rn. 87 und die dort angeführte Rechtsprechung).

69 So kann aufgrund des Umstands, dass eine steuerliche Maßnahme gegen andere unionsrechtliche Vorschriften als die Art. 107 und 108 AEUV verstößt, nicht ausgeschlossen werden, dass die bestimmten Steuerpflichtigen gewährte Befreiung von dieser Maßnahme als „staatliche Beihilfe” einzustufen ist, solange die fragliche Maßnahme Wirkungen gegenüber anderen Steuerpflichtigen erzeugt und weder aufgehoben noch für rechtswidrig und somit unanwendbar erklärt wurde (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Heiser, C-172/03, EU:C:2005:130, Rn. 38).

70 Genau das hat das Gericht im Wesentlichen in Rn. 43 des Urteils Aer Lingus wie im Übrigen auch in Rn. 65 des Urteils Ryanair ausgeführt. Daher ist Rn. 43 des Urteils Aer Lingus entgegen dem, was Aer Lingus im Rahmen des ersten Teils ihres einzigen Rechtsmittelgrundes vorbringt, mit keinem Rechtsfehler behaftet.

71 Diese Erwägung wird durch die von Aer Lingus geltend gemachte und in Rn. 60 des vorliegenden Urteils angeführte Rechtsprechung nicht in Frage gestellt.

72 Aus dieser Rechtsprechung ergibt sich nämlich nur, dass die Erstattung des Betrags einer Steuer, die einem Unternehmen unionsrechtswidrig auferlegt wurde, oder der Schadensersatz, den die nationalen Behörden nach einer entsprechenden Verurteilung an Unternehmen zu zahlen haben, denen sie den Schaden zugefügt haben, keine staatliche Beihilfe darstellt.

73 Die von dem streitigen Beschluss betroffene staatliche Beihilfe hat ihren Ursprung aber weder in der Erstattung einer gegen andere unionsrechtliche Bestimmungen als die Art. 107 und 108 AEUV verstoßenden und von Aer Lingus und Ryanair gezahlten Steuer noch in der Zahlung von Schadensersatz an diese beiden Unternehmen. Diese Rechtsprechung ist daher in den vorliegenden Rechtssachen ohne Belang.

74 Der erste Teil des einzigen Rechtsmittelgrundes von Aer Lingus ist daher zurückzuweisen.

75 In Bezug auf den zweiten, den dritten und den vierten Teil des einzigen Rechtsmittelgrundes von Aer Lingus sowie den zweiten und den dritten Teil des einzigen Rechtsmittelgrundes von Ryanair ist sodann festzustellen, dass diese auf der Prämisse beruhen, dass der völlige oder teilweise Verstoß der ATT gegen andere unionsrechtliche Bestimmungen als die Art. 107 und 108 AEUV einen Einfluss auf die Beurteilung haben könne, ob die vollständige oder teilweise Befreiung von dieser Steuer, die bestimmten Wirtschaftsteilnehmern zugutekommen sei, Beihilfecharakter im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV habe, da – u. a. – ein solcher Verstoß im Wege eines Verfahrens vor den nationalen Gerichten zu einer vollständigen oder teilweisen Erstattung der fraglichen Steuer an die anderen Wirtschaftsteilnehmer, denen die in Rede stehende Befreiung nicht zugutegekommen sei, führen könne.

76 Es steht jedoch fest, dass die fragliche Steuermaßnahme, als die Kommission ihre Beurteilung vornahm und den streitigen Beschluss erließ, in dem Sinne Wirkungen entfaltete, dass bestimmte Fluggesellschaften die ATT zum niedrigeren Satz zahlten, während andere, die sich nach der weder von Aer Lingus noch von Ryanair angefochtenen Beurteilung der Kommission in einer im Hinblick auf die Ziele der fraglichen steuerlichen Maßnahme rechtlich und tatsächlich vergleichbaren Situation befanden, dieselbe Steuer zum höheren Satz zahlten.

77 Aus den in den Rn. 68 und 69 des vorliegenden Urteils ausgeführten Erwägungen ergibt sich, dass die Kommission diese Wirkungen berücksichtigen musste und sie nicht allein deshalb ignorieren konnte, weil die einer ungünstigeren steuerlichen Behandlung unterworfenen Fluggesellschaften möglicherweise die Erstattung des von ihnen zu viel entrichteten Steuerbetrags im Wege eines Verfahrens vor den nationalen Gerichten – gegebenenfalls auf der Grundlage anderer unionsrechtlicher Bestimmungen als der Art. 107 und 108 AEUV – erlangen konnten.

78 Es ist nämlich darauf hinzuweisen, dass es nicht Sache der Kommission, sondern der nationalen Gerichte ist, über die etwaige Erstattung einer Steuer, die im Hinblick auf das Recht des betreffenden Mitgliedstaats rechtswidrig sein oder gegen andere unionsrechtliche Bestimmungen als die Art. 107 und 108 AEUV verstoßen soll, endgültig zu entscheiden, nachdem sie gegebenenfalls seitens des Gerichtshofs im Wege eines Vorabentscheidungsersuchens die erforderlichen Erläuterungen zur Tragweite und Auslegung des Unionsrechts erhalten haben. Die praktische Wirksamkeit des Art. 107 AEUV wäre wesentlich herabgesetzt, wenn die Kommission, bevor sie eine steuerliche Maßnahme als „staatliche Beihilfe” im Sinne dieses Artikels einstuft, die Entscheidung der Gerichte abwarten müsste, die im Hinblick auf eine etwaige Erstattung der von bestimmten Steuerpflichtigen zu viel gezahlten Steuer zuständig sind.

79 Nach alledem sind der zweite, der dritte und der vierte Teil des einzigen Rechtsmittelgrundes von Aer Lingus sowie der zweite und der dritte Teil des einzigen Rechtsmittelgrundes von Ryanair und somit die Anschlussrechtsmittel insgesamt zurückzuweisen.

Zu den Rechtsmitteln

80 Die Kommission stützt ihre Rechtsmittel mit identischem Vorbringen auf einen einzigen Rechtsmittelgrund, mit dem sie einen Verstoß gegen Art. 108 Abs. 3 AEUV und gegen Art. 14 der Verordnung Nr. 659/1999 geltend macht. Dieser Rechtsmittelgrund ist gegen die Rn. 88 bis 127 des Urteils Aer Lingus und gegen die Rn. 119 bis 152 des Urteils Ryanair gerichtet.

Vorbringen der Parteien

81 Die Kommission wirft dem Gericht insoweit einen Rechtsfehler und einen Verstoß gegen Art. 108 Abs. 3 AEUV und gegen Art. 14 der Verordnung Nr. 659/1999 vor, als es mit der Entscheidung, dass sie das Ausmaß hätte berücksichtigen müssen, in dem die begünstigten Fluggesellschaften den Fluggästen den Vorteil weitergegeben hätten, der sich aus der ATT-Besteuerung zum niedrigeren Satz ergeben habe, ein neues wirtschaftliches Kriterium für die Bestimmung der zurückzuzahlenden Beträge einer staatlichen Beihilfe wie der im Ausgangsverfahren fraglichen festgelegt habe.

82 Aer Lingus tritt dem Vorbringen der Kommission, das auf einem falschen Verständnis des Urteils Aer Lingus beruhe, entgegen. Sie weist darauf hin, dass das Gericht entschieden habe, dass die ATT eine Verbrauchsteuer sei, d. h. mit anderen Worten eine indirekte Steuer, die die Fluggäste treffe, die die Begünstigten des niedrigeren ATT-Satzes seien. Die fragliche steuerliche Maßnahme könne daher nicht mit einer Subvention seitens des Staates oder einer Maßnahme gleichgesetzt werden, die einem Unternehmen Kosteneinsparungen ermögliche. Aer Lingus fügt hinzu, dass es ihr nicht gestattet gewesen sei, bei den Fluggästen auf den Flügen, die dem niedrigeren Satz unterlegen hätten, einen über diesem Satz liegenden Betrag zu erheben, und dass sie, falls sie die von der Kommission verlangten 8 Euro pro Flugticket zurückzahlen müsse, keine Möglichkeit habe, diesen Betrag im Nachhinein von den Fluggästen, die das jeweilige Flugticket zum niedrigeren Satz gekauft hätten, zurückzufordern.

83 Ryanair macht geltend, dass der einzige Rechtsmittelgrund der Kommission ins Leere gehe. Ihrer Ansicht nach hat das Gericht in den Rn. 120 bis 133, 134 bis 144 und 145 bis 149 des Urteils Ryanair drei verschiedene Begründungen vorgebracht, um die Nichtigerklärung des Art. 4 des streitigen Beschlusses zu rechtfertigen. Das Rechtsmittel der Kommission betreffe nur die erste dieser Begründungen, die sich auf das Ausmaß der Abwälzung der ATT auf die Fluggäste beziehe, während die beiden anderen Begründungen, die zum einen die besondere Situation und die Wettbewerbszwänge auf dem fraglichen Markt und zum anderen die fehlende Rechtfertigung dafür beträfen, dass es erforderlich sei, die Differenz zwischen dem höheren und dem niedrigeren ATT-Satz zurückzufordern, um die frühere Lage wiederherzustellen, von der Kommission nicht beanstandet worden seien.

84 Hilfsweise macht Ryanair geltend, dass der einzige Rechtsmittelgrund der Kommission unbegründet sei. Das Gericht habe nämlich bloß den Grundsatz angewandt, dass der tatsächliche Wert des durch die Beihilfe erlangten Vorteils zu ermitteln sei. Zudem übertreibe die Kommission die Schwierigkeiten, die mit der genauen Festsetzung dieses Betrags in dem Fall verbunden seien, dass die vom Gericht favorisierte Lösung beizubehalten sei. Ryanair trägt schließlich vor, dass es unlogisch sei, die Weitergabe des vom Begünstigten der Beihilfe erlangten Vorteils an die Kunden nicht zu berücksichtigen, während nach Art. 13 der Richtlinie 2014/104 bei einer Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln derjenige, der sie begehe, der Zahlung von Schadensersatz in Höhe des sich aus der Zuwiderhandlung ergebenden Preisaufschlags entgehen könne, wenn dieser Preisaufschlag an die Kunden des Klägers weitergegeben worden sei.

Würdigung durch den Gerichtshof

85 Einleitend ist darauf hinzuweisen, dass der einzige Rechtsmittelgrund der Kommission entgegen dem Vorbringen von Ryanair nicht ins Leere geht.

86 Zwar sind nach gefestigter Rechtsprechung des Gerichtshofs im Rahmen eines Rechtsmittels Rügen, die gegen nichttragende Gründe eines Urteils des Gerichts gerichtet sind, von Vornherein als ins Leere gehend zurückzuweisen, da sie nicht zur Aufhebung dieses Urteils führen können (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Kommission/Deutsche Post, C-399/08 P, EU:C:2010:481, Rn. 75 und die dort angeführte Rechtsprechung).

87 Im vorliegenden Fall stellen die Rn. 120 bis 149 des Urteils Ryanair aber entgegen dem Vorbringen von Ryanair nicht drei unterschiedliche Begründungen dar, von denen jede für sich genommen für die Rechtfertigung der Nichtigerklärung des Art. 4 des streitigen Beschlusses ausreichen würde. In diesen Randnummern – wie im Übrigen auch in den Rn. 104 bis 123 des Urteils Aer Lingus, die sehr ähnlich lauten – werden verschiedene Aspekte ein und derselben Argumentation des Gerichts ausgeführt, mit der es seine in Rn. 123 des Urteils Aer Lingus und in Rn. 119 des Urteils Ryanair enthaltene Entscheidung rechtfertigt, dass die Kommission dadurch, dass sie den von den Fluggesellschaften zurückzufordernden Beihilfebetrag auf 8 Euro je Fluggast festgesetzt hat, „einen Beurteilungsfehler und einen Rechtsfehler” begangen hat. Diese unterschiedlichen Aspekte sind untereinander verbunden, und Ryanair spaltet sie künstlich und in Verkennung ihrer inneren Kohärenz in drei angeblich unterschiedliche Begründungen auf.

88 Außerdem wird mit dem Vorbringen der Kommission die gesamte Argumentation des Gerichts in Frage gestellt und nicht nur, wie Ryanair zu Unrecht vorträgt, ein Teil davon.

89 Nach dieser Klarstellung ist, was die Prüfung des einzigen Rechtsmittelgrundes der Kommission in der Sache betrifft, zunächst darauf hinzuweisen, dass die Verpflichtung des betreffenden Mitgliedstaats, eine von der Kommission als unvereinbar mit dem Binnenmarkt angesehene Beihilfe im Wege der Rückforderung aufzuheben, nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Wiederherstellung der früheren Lage, wie sie sich vor Gewährung der Beihilfe darstellte, dient (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Kommission/Italien, C-350/93, EU:C:1995:96, Rn. 21 und die dort angeführte Rechtsprechung).

90 Dieses Ziel ist erreicht, wenn die fraglichen Beihilfen, gegebenenfalls zuzüglich Verzugszinsen, vom Begünstigten oder, mit anderen Worten, von den Unternehmen, die den tatsächlichen Nutzen davon hatten, zurückgezahlt wurden. Durch diese Rückzahlung verliert nämlich der Begünstigte den Vorteil, den er auf dem Markt gegenüber seinen Konkurrenten besaß, und die Lage vor der Zahlung der Beihilfe wird wiederhergestellt (Urteil vom , Deutschland/Kommission, C-277/00, EU:C:2004:238, Rn. 75 und die dort angeführte Rechtsprechung).

91 Zudem bedeutet die Rückforderung einer rechtswidrigen Beihilfe zur Wiederherstellung der früheren Lage keine Neuerschaffung der Vergangenheit anhand hypothetischer Umstände wie der oft vielfältigen Entscheidungen, die die betreffenden Wirtschaftsteilnehmer hätten treffen können, zumal sich die Entscheidungen, die beihilfebegünstigt getroffen wurden, als nicht umkehrbar erweisen können (Urteil vom , Unicredito Italiano, C-148/04, EU:C:2005:774, Rn. 118).

92 Daher bedeutet die Rückforderung dieser Beihilfe, wie der Generalanwalt in Nr. 62 seiner Schlussanträge im Wesentlichen ausgeführt hat, die Rückgabe des Vorteils, den sie ihrem Begünstigten verschafft hat, und nicht die Herausgabe eines etwaigen, von dem Begünstigten durch die Ausnutzung dieses Vorteils erzielten wirtschaftlichen Gewinns. Ein solcher Gewinn muss nicht mit dem Vorteil zusammenfallen, den diese Beihilfe darstellt, oder kann sogar völlig fehlen, ohne dass dieser Umstand die Nichtrückforderung dieser Beihilfe oder die Rückforderung eines Betrags, der nicht dem Betrag des durch die fragliche rechtswidrige Beihilfe verschafften Vorteils entspricht, rechtfertigen könnte.

93 Was insbesondere eine in Form eines Steuervorteils gewährte rechtswidrige Beihilfe anbelangt, ergibt sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs auch, dass die Rückforderung der Beihilfe bedeutet, dass die von den Begünstigten der fraglichen Beihilfe tatsächlich durchgeführten Transaktionen der Besteuerung unterliegen, die ohne die rechtswidrige Beihilfe auf sie anwendbar gewesen wäre (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Unicredito Italiano, C-148/04, EU:C:2005:774, Rn. 119).

94 Im vorliegenden Fall bestand der durch die ATT gewährte Steuervorteil nach dem streitigen Beschluss in der Anwendung unterschiedlicher Steuersätze während des betreffenden Zeitraums, die dazu geführt haben sollen, dass Fluggesellschaften in Irland, die einen Steuersatz von 2 Euro zu entrichten hatten, ein Vorteil gegenüber anderen Gesellschaften verschafft wurde, die während desselben Zeitraums einen Betrag von 10 Euro pro Fluggast zu zahlen hatten. Aer Lingus und Ryanair ist aber nicht der Nachweis gelungen, dass dieser Beschluss insoweit rechtswidrig ist, als damit das Vorliegen einer staatlichen Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV feststellt wird.

95 Vor diesem Hintergrund ist im Hinblick auf die in den Rn. 89 bis 93 des vorliegenden Urteils ausgeführten Erwägungen festzustellen, dass die Rückgabe des durch die Beihilfemaßnahme verschafften Vorteils, wie er in dem streitigen Beschluss festgestellt wurde, verlangte, dass die irischen Steuerbehörden von den Begünstigten des niedrigeren ATT-Satzes die Differenz zwischen der Höhe der ATT, die ohne die rechtswidrige Beihilfe für jeden der fraglichen Flüge hätte gezahlt werden müssen, d. h. der ATT zum höheren Satz, und der Höhe der tatsächlich gezahlten ATT, d. h. der auf der Grundlage des niedrigeren ATT-Satzes berechneten Höhe, zurückfordern.

96 Daher ist festzustellen, dass im vorliegenden Fall die Rückgabe der Beihilfe, wie die Kommission in Art. 4 des streitigen Beschlusses klargestellt hat, die Rückforderung eines Betrags von 8 Euro pro Fluggast auf jedem der betreffenden Flüge voraussetzte.

97 Die in den Rn. 104 bis 123 des Urteils Aer Lingus und in den Rn. 120 bis 149 des Urteils Ryanair ausgeführten Erwägungen können entgegen der Ansicht des Gerichts ein anderes Ergebnis nicht rechtfertigen.

98 Da nämlich die Fluggesellschaften nach dem geltenden irischen Recht die ATT unmittelbar schuldeten, ist es unter den Umständen der vorliegenden Rechtssachen unerheblich, dass diese Steuer im irischen Recht als „Verbrauchsteuer” eingestuft wurde. Aus demselben Grund ist es ohne Belang, ob die ATT technisch als direkte oder indirekte Steuer zu qualifizieren ist.

99 Ohne Belang ist im Hinblick auf die Frage der Rückforderung der Beihilfe auch der Begriff der „wirtschaftlichen Abwälzung”, der in Rn. 91 des Urteils Aer Lingus bzw. in Rn. 123 des Urteils Ryanair erwähnt wird. Insoweit hat das Gericht ausgeführt, dass bei Flügen, die dem niedrigeren Satz von 2 Euro pro Fluggast unterlagen, zwecks Beurteilung der „wirtschaftlichen Abwälzung” zu bestimmen sei, inwiefern der sich aus der Anwendung dieses niedrigeren Satzes ergebende wirtschaftliche Vorteil tatsächlich bei den betroffenen Fluggesellschaften verblieben sei.

100 Wie sich aber aus den Rn. 92 und 93 des vorliegenden Urteils ergibt, bedeutet die Rückforderung der Beihilfe die Rückgabe des Vorteils, den sie ihrem Begünstigten verschafft hat, und nicht die Herausgabe des von diesem durch die Ausnutzung dieses Vorteils möglicherweise erzielten wirtschaftlichen Gewinns. Es ist daher nicht zu prüfen, ob und inwiefern diese Gesellschaften den sich aus der Anwendung des niedrigeren Satzes ergebenden wirtschaftlichen Vorteil tatsächlich genutzt haben.

101 Die in den Rn. 92 bis 105 des Urteils Aer Lingus und in den Rn. 124 bis 136 des Urteils Ryanair ausgeführten Erwägungen des Gerichts zeugen von eben dieser Verwechslung zwischen dem Vorteil, der durch den niedrigeren ATT-Satz gewährt wurde, und dem Nutzen, den die Beihilfebegünstigten aus diesem Vorteil ziehen konnten oder hätten ziehen können.

102 Entgegen der vom Gericht in Rn. 105 des Urteils Aer Lingus bzw. in Rn. 136 des Urteils Ryanair vertretenen Auffassung bestand der Vorteil, wie ihn die Kommission in dem streitigen Beschluss festgestellt hat, nämlich nicht in dem Umstand, dass die zu diesem Satz besteuerten Fluggesellschaften „wettbewerbsfähigere Preise anbieten” konnten. Er bestand ganz einfach darin, dass diese Gesellschaften einen niedrigeren ATT-Betrag als den entrichten mussten, den sie hätten zahlen müssen, wenn ihre Flüge zu dem höheren ATT-Satz besteuert worden wären. Die Frage, ob dieser Vorteil es ihnen ermöglicht hat, wettbewerbsfähigere Ticketpreise anzubieten, oder ob sie diesen Vorteil in anderer Weise ausgenutzt haben, betrifft die Bezifferung des etwaigen Gewinns, den sie durch die Ausnutzung des gewährten Vorteils erzielen konnten, wobei eine solche Bezifferung für die Rückforderung der Beihilfe ohne Belang ist.

103 Das Gericht hat ebenfalls zu Unrecht in Rn. 110 des Urteils Aer Lingus bzw. in Rn. 141 des Urteils Ryanair angenommen, dass die Umstände der Rechtssachen, mit denen es befasst war, andere gewesen seien als in der Rechtssache, in der das Urteil vom , Unicredito Italiano (C-148/04, EU:C:2005:774), ergangen ist, da die mit dem niedrigeren ATT-Satz begünstigten Fluggesellschaften sich „nicht für eine nicht durch eine Beihilfe gestützte Transaktion hätten entscheiden können”.

104 Wie das Gericht in Rn. 111 des Urteils Aer Lingus bzw. in Rn. 142 des Urteils Ryanair im Wesentlichen eingeräumt hat, wurden diese Gesellschaften nämlich durch nichts daran gehindert, den Nettopreis – ohne Steuer – der Tickets für die dem niedrigeren ATT-Satz unterliegenden Flüge um 8 Euro zu erhöhen. Der Umstand, dass sie gemäß Art. 23 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1008/2008 auf den Ticketpreis ohne Steuer nur den Betrag von 2 Euro für die zum niedrigeren Satz berechnete ATT aufschlagen durften, kann nicht zu einem anderen Ergebnis führen, da die Höhe der Differenz zwischen den beiden ATT-Sätzen, d. h. 8 Euro, im Vorhinein in den Ticketpreis ohne Steuer hätte einfließen können.

105 Die vorstehenden Überlegungen werden auch nicht durch das auf Art. 13 der Richtlinie 2014/104 gestützte Vorbringen von Ryanair in Frage gestellt. Wie sich aus der in den Rn. 89 und 90 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung des Gerichtshofs ergibt, wird mit der Rückforderung einer rechtswidrigen Beihilfe ein anderer Zweck verfolgt als mit der Richtlinie 2014/104. Insbesondere soll mit dieser Richtlinie, wie ihren Erwägungsgründen 3 und 4 zu entnehmen ist, gewährleistet werden, dass jeder, der sich als Opfer einer Zuwiderhandlung gegen die in den Art. 101 und 102 AEUV niedergelegten Wettbewerbsregeln sieht, sein Recht, Ersatz des ihm seines Erachtens entstandenen Schadens zu verlangen, wirksam ausüben kann. Hingegen zielt die Rückforderung einer Beihilfe nicht auf den Ersatz eines wie auch immer gearteten individuellen Schadens ab, sondern auf die Wiederherstellung der früheren Lage, wie sie sich vor der Gewährung der Beihilfe auf dem betreffenden Markt dargestellt hat.

106 Nach alledem ist dem Gericht mit seiner in Rn. 123 des Urteils Aer Lingus bzw. in Rn. 119 des Urteils Ryanair getroffenen Feststellung, dass die Kommission einen „Beurteilungsfehler und einen Rechtsfehler” begangen habe, als sie den von den Begünstigten des niedrigeren ATT-Satzes zurückzufordernden Beihilfebetrag auf 8 Euro je Fluggast auf den zu diesem Satz besteuerten Flügen festgesetzt habe, in seinen Urteilen ein Rechtsfehler unterlaufen.

107 Daher ist den Rechtsmitteln der Kommission stattzugeben und Nr. 1 des jeweiligen Tenors der Urteile Aer Lingus und Ryanair aufzuheben.

Zur Klage vor dem Gericht

108 Nach Art. 61 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union kann dieser, wenn er die Entscheidung des Gerichts aufhebt, den Rechtsstreit selbst endgültig entscheiden, wenn dieser zur Entscheidung reif ist. Das ist hier der Fall.

109 Da die angefochtenen Urteile nur in Bezug auf Nr. 1 ihres jeweiligen Tenors und nicht in Bezug auf Nr. 2 ihres jeweiligen Tenors aufgehoben werden müssen, betrifft diese Aufhebung weder die Zurückweisung des ersten und des fünften Klagegrundes von Aer Lingus noch des ersten, des vierten und des fünften Klagegrundes von Ryanair. Daher sind nur der zweite, der dritte und der vierte Klagegrund von Aer Lingus sowie der zweite und der dritte Klagegrund von Ryanair zu prüfen.

Zum dritten und zum vierten Klagegrund von Aer Lingus sowie zum ersten Teil des dritten Klagegrundes von Ryanair

110 Aer Lingus und Ryanair machen im Wesentlichen geltend, dass der Kommission ein Rechtsfehler sowie ein Beurteilungsfehler unterlaufen sei, als sie den zurückzufordernden Beihilfebetrag auf 8 Euro je Fluggast für jeden zu dem niedrigeren ATT-Satz besteuerten Flug festgesetzt habe.

111 Dieses Vorbringen ist aus den in den Rn. 85 bis 106 des vorliegenden Urteils dargelegten Gründen zurückzuweisen.

112 Aer Lingus und Ryanair bringen ferner vor, dass – da die Fluggesellschaften keine Möglichkeit mehr hätten, von jedem Fluggast der zu dem niedrigeren ATT-Satz besteuerten Flüge die 8 Euro zurückzufordern, die sie zurückzahlen müssten – die in Art. 4 des streitigen Beschlusses festgelegte Verpflichtung zur Zahlung dieses Betrags einer zusätzlichen Steuer oder einer Sanktion gleichkomme und damit gegen die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Gleichbehandlung verstoße und die Rechtsprechung des Gerichtshofs missachte, wonach die Rückzahlung der Beihilfe nicht als Sanktion angesehen werden könne.

113 Dieses Vorbringen ist ebenfalls zurückzuweisen.

114 Wie der Generalanwalt in Nr. 83 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, stellt die Rückforderung eines Betrags in Höhe der Differenz zwischen der Steuer, die ohne rechtswidrige Beihilfemaßnahme geschuldet worden wäre, und dem gemäß der entsprechenden Maßnahme gezahlten niedrigeren Betrag keine rückwirkend erhobene neue Steuer dar (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Kommission/Griechenland, C-183/91, EU:C:1993:233, Rn. 17). Es handelt sich um die Rückforderung des Teils der ursprünglichen Steuer, die gemäß einer rechtswidrigen Befreiung nicht gezahlt wurde. Eine solche Rückforderung stellt auch keine Sanktion dar (Urteil vom , Belgien/Kommission, C-75/97, EU:C:1999:311, Rn. 65).

115 Hinsichtlich des Arguments, die von der Rückforderung betroffenen Fluggesellschaften seien nicht in der Lage, die zusätzliche Steuer, die sie zurückzahlen müssten, von ihren eigenen Kunden zurückzufordern, genügt zudem der Hinweis, dass, da die von der Kommission in dem streitigen Beschluss festgestellte rechtswidrige Beihilfe in der Anwendung des niedrigeren ATT-Satzes bestand, d. h. in einer teilweisen Befreiung von einer Steuer, die nicht von den Kunden dieser Fluggesellschaften, sondern den Fluggesellschaften selbst erhoben wurde, die Rückforderung dieser Beihilfe zwangsläufig die Rückzahlung der Differenz zwischen den beiden anwendbaren Sätzen bedeutete. Wie sich aus den Rn. 99 und 100 des vorliegenden Urteils ergibt, gilt dies auch dann, wenn die Begünstigten dieser Beihilfe keinen Nutzen aus dem fraglichen Vorteil gezogen haben, sei es, weil sie diesen Vorteil an ihre Kunden weitergegeben haben, oder aus irgendeinem anderen Grund.

116 Schließlich verstößt die Verpflichtung zur Rückforderung der in Rede stehenden Beihilfe weder gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit noch gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung. Zum einen ist nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs die Beseitigung einer rechtswidrigen Beihilfe durch Rückforderung die logische Folge der Feststellung ihrer Rechtswidrigkeit, so dass die Rückforderung dieser Beihilfe zwecks Wiederherstellung der früheren Lage grundsätzlich nicht als eine Maßnahme betrachtet werden kann, die außer Verhältnis zu den Zielen der Bestimmungen des AEU-Vertrags über staatliche Beihilfen steht (Urteile vom , CELF und Ministre de la Culture et de la Communication, C-1/09, EU:C:2010:136, Rn. 54, und vom , Diputación Foral de Vizcaya u. a./Kommission, C-471/09 P bis C-473/09 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2011:521, Rn. 100).

117 Zum anderen befinden sich die Begünstigten der Beihilfe, die sie zurückzuzahlen haben, offensichtlich nicht in derselben Situation wie die Fluggesellschaften, denen die Beihilfe nicht gewährt wurde und die nicht von der Rückzahlung betroffen sind, so dass von einer gegen das Gleichbehandlungsgebot verstoßenden unterschiedlichen Behandlung gleichartiger Sachverhalte keine Rede sein kann.

118 Nach alledem sind der dritte und der vierte Klagegrund von Aer Lingus sowie der erste Teil des dritten Klagegrundes von Ryanair zurückzuweisen.

Zum zweiten Klagegrund von Aer Lingus und zum zweiten Teil des dritten Klagegrundes von Ryanair

119 Aer Lingus und Ryanair machen geltend, dass die dem höheren ATT-Satz unterliegenden Fluggesellschaften das Recht hätten, die Erstattung der zu viel entrichteten Steuer zu verlangen, und zwar sowohl mit der Begründung, dass die Einführung von zwei unterschiedlichen Sätzen eine Beschränkung der in Art. 56 AEUV verankerten Dienstleistungsfreiheit darstelle, als auch nach dem Urteil vom , Laboratoires Boiron (C-526/04, EU:C:2006:528). Daher stelle die Rückforderung der Differenz zwischen dem niedrigeren und dem höheren ATT-Satz von den durch den niedrigeren Satz Begünstigten einen Verstoß gegen Art. 14 Abs. 1 der Verordnung Nr. 659/1999 sowie eine Verletzung der Grundsätze der Rechtssicherheit, der Effektivität und der ordnungsgemäßen Verwaltung dar. Überdies führe eine solche Rückforderung zu schweren Wettbewerbsverzerrungen. Nach dieser Rückforderung befänden sich nämlich die von der Rückforderungsmaßnahme betroffenen Fluggesellschaften in einer schlechteren Lage, da sie dann einen Betrag von insgesamt 10 Euro pro Fluggast entrichtet hätten, während die anderen Fluggesellschaften, die eine Erstattung von 8 der ursprünglich gezahlten 10 Euro pro Fluggast erlangt hätten, bloß eine Steuer von 2 Euro pro Fluggast zu tragen gehabt hätten.

120 Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass der Charakter der von dem streitigen Beschluss betroffenen Maßnahme in keiner Weise der entspricht, um die es im Urteil vom , Laboratoires Boiron (C-526/04, EU:C:2006:528), geht.

121 Die ATT war nämlich eine allgemeine Abgabe, und in dem streitigen Beschluss kam die Kommission zu dem Ergebnis, dass der niedrigere ATT-Satz einer teilweisen Befreiung gleichkomme, die für sich genommen schon eine Beihilfemaßnahme darstelle. Unter solchen Umständen können sich die Schuldner der fraglichen Abgabe nicht darauf berufen, dass die Befreiung anderer Unternehmen eine staatliche Beihilfe darstelle, um sich der Zahlung dieser Abgabe zu entziehen oder um deren Erstattung zu erlangen (Urteil vom , Laboratoires Boiron, C-526/04, EU:C:2006:528, Rn. 30 und 32 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

122 Nach dieser Klarstellung ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission, wie sich aus den Rn. 78 und 79 des vorliegenden Urteils ergibt, unter Umständen wie den hier vorliegenden von der Feststellung des Vorliegens einer staatlichen Beihilfe nicht allein deshalb absehen kann, weil die zuständigen nationalen Gerichte möglicherweise die Erstattung der zu viel entrichteten ATT an die Fluggesellschaften, die nicht in den Genuss des niedrigeren ATT-Satzes gekommen sind, anordnen. Da die Kommission verpflichtet war, das Vorliegen einer staatlichen Beihilfe festzustellen, musste sie auch die Rückforderung dieser Beihilfe anordnen.

123 Unter diesen Umständen ist der betroffene Mitgliedstaat, im vorliegenden Fall Irland, verpflichtet, mit jedem geeigneten Mittel, das im Einklang mit seinem nationalen Recht und dem Unionsrecht steht, sicherzustellen, dass etwaige nationale Maßnahmen, die zur Erstattung einer Steuer an bestimmte Unternehmen führen, nicht auf eine mit den Bestimmungen des AEUV unvereinbare neuerliche Beihilfe zugunsten der Unternehmen, die in den Genuss dieser Erstattung kommen, hinauslaufen.

124 Nach alledem sind der zweite Klagegrund von Aer Lingus sowie der zweite Teil des dritten Klagegrundes von Ryanair zurückzuweisen.

Zum zweiten Klagegrund von Ryanair

125 Im Rahmen ihres zweiten Klagegrundes macht Ryanair geltend, dass die Kommission bei der Bewertung des durch die ATT verschafften Vorteils hätte berücksichtigen müssen, in welchem Verhältnis sich die ATT auf die verschiedenen konkurrierenden Unternehmen ausgewirkt habe, da zum einen bestimmte Gesellschaften, insbesondere Aer Arann, zu einem viel höheren Prozentsatz ihrer Flüge in den Genuss des niedrigeren ATT-Satzes gekommen seien und zum anderen die Auswirkung der zum höheren Satz berechneten ATT auf die Businessclass- und Langstreckenflüge, die hauptsächlich von Aer Lingus angeboten würden, viel geringer sei.

126 Aer Lingus unterstützt in ihrer Eigenschaft als Streithelferin in der Rechtssache T-500/12 die Ausführungen von Ryanair zu diesem Klagegrund nicht, ist aber der Auffassung, dass die relative Bedeutung des Vorteils, der den verschiedenen Begünstigten gewährt worden sei, für die Bestimmung der Höhe der zurückzufordernden Beihilfe relevant sein könnte. Da die Streithilfe keinen anderen Zweck haben kann als die vollständige oder teilweise Unterstützung der Anträge einer der Parteien, ist das Vorbringen von Aer Lingus in diesem Punkt unzulässig.

127 Was das Vorbringen von Ryanair betrifft, so kann es nicht durchgreifen. Der Umstand, dass bestimmte Begünstigte einer Beihilfemaßnahme aus dem Vorteil, den diese Beihilfe darstellt, einen verhältnismäßig größeren Nutzen ziehen können als andere Begünstigte derselben Maßnahme, hindert die Kommission weder daran, die fragliche Maßnahme als mit dem Binnenmarkt unvereinbare staatliche Beihilfe einzustufen, noch daran, die Rückforderung des sich aus der Anwendung dieser Beihilfe ergebenden Vorteils anzuordnen.

128 Der zweite Klagegrund von Ryanair ist somit unbegründet und zurückzuweisen.

129 Da der erste und der fünfte Klagegrund von Aer Lingus sowie der erste, der vierte und der fünfte Klagegrund von Ryanair vom Gericht zurückgewiesen wurden, ohne dass die Rechtsmittelgründe Erfolg gehabt hätten, die von Aer Lingus und Ryanair im Rahmen ihrer jeweiligen Anschlussrechtsmittel gegen die Begründung der angefochtenen Urteile, die diese Entscheidung der Zurückweisung der Klagegründe stützt, vorgebracht wurden, ist Nr. 2 des Tenors der angefochtenen Urteile rechtskräftig geworden, und da sich aus den vorstehenden Erwägungen insgesamt ergibt, dass die anderen von Aer Lingus und Ryanair vor dem Gericht vorgebrachten, auf Nichtigerklärung des streitigen Beschlusses gerichteten Klagegründe ebenfalls zurückzuweisen sind, sind ihre jeweiligen Nichtigkeitsklagen insgesamt abzuweisen.

Kosten

130 Nach Art. 184 Abs. 2 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs entscheidet der Gerichtshof über die Kosten, wenn das Rechtsmittel begründet ist und er den Rechtsstreit selbst endgültig entscheidet.

131 Gemäß Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung, der nach ihrem Art. 184 Abs. 1 auf das Rechtsmittelverfahren Anwendung findet, ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

132 Da Aer Lingus und Ryanair sowohl mit ihren Anschlussrechtsmitteln als auch mit ihren Klagen vor dem Gericht unterlegen sind und die Kommission entsprechende Anträge gestellt hat, sind sie zu verurteilen, neben ihren eigenen Kosten die Kosten zu tragen, die der Kommission sowohl vor dem Gericht als auch im Verfahren vor dem Gerichtshof entstanden sind.

133 Nach Art. 140 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs, der nach ihrem Art. 184 Abs. 1 auf das Rechtsmittelverfahren Anwendung findet, tragen die Mitgliedstaaten, die dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, ihre eigenen Kosten. Daher trägt Irland seine eigenen Kosten.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Dritte Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

Die Urteile des Gerichts der Europäischen Union vom , Aer Lingus/Kommission (T473/12, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:78), und Ryanair/Kommission (T500/12, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:73), werden aufgehoben, soweit damit Art. 4 des Beschlusses 2013/199/EU der Kommission vom über die staatliche Beihilfe SA.29064 (11/C, ex 11/NN) – Differenzierte Fluggaststeuersätze in Irland insoweit für nichtig erklärt wird, als er die Rückforderung der Beihilfe von den Begünstigten in Höhe eines im 70. Erwägungsgrund dieses Beschlusses auf 8 Euro je Fluggast festgelegten Betrags anordnet. Die Anschlussrechtsmittel werden zurückgewiesen. Die von der Aer Lingus Ltd und der Ryanair Designated Activity Company gegen den Beschluss 2013/199 erhobenen Nichtigkeitsklagen werden abgewiesen. Die Aer Lingus Ltd und die Ryanair Designated Activity Company tragen neben ihren eigenen Kosten die Kosten, die der Europäischen Kommission sowohl vor dem Gericht der Europäischen Union als auch im Verfahren vor dem Gerichtshof der Europäischen Union entstanden sind. Irland trägt seine eigenen Kosten.

ECLI Nummer:
ECLI:EU:C:2016:990

Fundstelle(n):
UAAAF-90793