BGH Beschluss v. - V ZB 43/16

Gesetze: Art 2 Abs 2 GG, Art 104 GG, § 62 AufenthG, § 26 FamFG, § 62 FamFG, § 426 FamFG

Instanzenzug: vorgehend LG Frankfurt, , Az: 2-29 T 247/15vorgehend AG Frankfurt, , Az: 934 XIV 1593/15 B

Gründe

I.

1Der Betroffene, ein ghanaischer Staatsangehöriger, reiste am in das Bundesgebiet ein. Sein Asylantrag wurde als unzulässig abgelehnt. Am wurde er in Frankfurt am Main festgenommen. Mit Beschluss vom selben Tag hat das Amtsgericht Haft zur Sicherung der Rücküberstellung nach Italien bis zum angeordnet. Dagegen hat der Betroffene Beschwerde eingelegt und beantragt, die Rechtswidrigkeit der Haftanordnung festzustellen. Im Nichtabhilfeverfahren erfuhr der Amtsrichter am , dass die für den geplante Rücküberstellung des Betroffenen an dessen passiven Widerstand gescheitert war. Nachfolgend hat das Amtsgericht der Beschwerde nicht abgeholfen, das Landgericht hat sie zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt der Betroffene, der am aus der Haft entlassen worden ist, seinen Feststellungsantrag weiter.

II.

2Die mit dem Feststellungsantrag analog § 62 FamFG statthafte (§ 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 FamFG) und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist nur zum Teil begründet. Der Betroffene ist durch den die Haft anordnenden Beschluss des Amtsgerichts in dem Zeitraum vom bis in seinen Rechten verletzt. Bezogen auf den Zeitraum vom bis ist die Rechtsbeschwerde hingegen unbegründet.

31. Die Entscheidung des Beschwerdegerichts ist rechtsfehlerhaft, soweit es die Haft für den Zeitraum vom bis betrifft. Der Betroffene ist in seinen Rechten verletzt (§ 62 Abs. 1 FamFG), weil das Amtsgericht die Haft nicht aufgehoben hat, nachdem es Kenntnis von dem Scheitern der am vorgesehenen Rückführung erlangt hat.

4a) Nach § 426 Abs. 1 Satz 1 FamFG ist der Beschluss, durch den eine Freiheitsentziehung angeordnet wird, von Amts wegen aufzuheben, wenn der Grund für die Freiheitsentziehung weggefallen ist. Eine Haft zur Sicherung der Abschiebung darf nicht aufrecht erhalten werden, wenn sich ergibt, dass eine Zurückschiebung innerhalb des angeordneten Haftzeitraums nicht mehr durchgeführt werden kann (Senat, Beschluss vom - V ZB 110/13, juris Rn. 7). Ein die Freiheitsentziehung anordnender Beschluss ist deshalb in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen darauf zu untersuchen, ob der Grund für die Freiheitsentziehung entfallen ist (vgl. Senat, Beschluss vom   - V ZB 172/09, FGPrax 2010, 150 Rn. 27).

5b) Ergeben sich nach Anordnung der Haft für das Gericht hinreichende Anhaltspunkte, dass die Voraussetzungen der Freiheitsentziehung möglicherweise nicht (mehr) vorliegen, hat es deshalb gemäß § 26 FamFG den Sachverhalt aufzuklären (vgl. Keidel/Budde, FamFG, 17. Aufl., § 426 Rn. 8). Das gilt auch für das Amtsgericht, das zu prüfen hat, ob es einer Beschwerde des Betroffenen abhilft (§ 68 Abs. 1 Satz 1 FamFG). Unterlässt es das Gericht, in die gebotene Sachaufklärung einzutreten, verletzt die weitere Freiheitsentziehung den Betroffenen in seinem Freiheitsgrundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG, Art. 104 GG (vgl. Senat, Beschluss vom - V ZB 69/13, Asylmagazin 2014, 138 Rn. 7; vgl. auch Beschluss vom   - V ZB 172/09, FGPrax 2010, 150 Rn. 27).

6c) So ist es hier. Die beteiligte Behörde hat dem Amtsgericht am mitgeteilt, dass die Rücküberstellung des Betroffenen am gescheitert war. Das Amtsgericht hätte daraufhin die Grundlagen für die Fortdauer der Haft überprüfen müssen. Die  Prognose am hätte ergeben, dass die Rücküberstellung des Betroffenen nicht mehr innerhalb der bis zum befristeten Haftdauer erfolgen konnte. Da sich der Betroffene der Rücküberstellung entzogen hatte, war ein begleiteter Flug zu buchen. Es war abzusehen, dass das in der Kürze der Zeit nicht möglich sein würde. Nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts werden die Flugbuchungen in Nordrhein-Westfalen durch die Zentralstelle für Flugabschiebungen in Bielefeld durchgeführt. Zwischen Flugbuchung und Überstellungstermin ist eine Zeitspanne von zehn Werktagen einzurechnen, da das Bundesamt die italienischen Behörden von der anstehenden Rückführung in Kenntnis setzen muss.

7d) Da die Haft nach Art. 28 Abs. 1 Dublin-III-Verordnung der Sicherung der Rücküberstellung dient, darf sie nicht aufrechterhalten werden, wenn sich im Beschwerdeverfahren ergibt, dass eine Rückführung innerhalb des angeordneten Haftzeitraums nicht mehr durchgeführt werden kann. Eine mögliche, aber (noch) nicht angeordnete Haftverlängerung ist dabei nicht zu berücksichtigen. Die Aufrechterhaltung der angeordneten Sicherungshaft bis zu der Entscheidung über eine Haftverlängerung ist nämlich nicht zulässig. Sie dient dann nicht mehr unmittelbar der Sicherung der Rückführung. Eine nur mittelbare Sicherung dieses Zwecks sieht das Gesetz nicht vor (vgl. Senat, Beschluss vom   - V ZB 110/13, juris Rn. 7 zur Zurückschiebungshaft nach § 57 Abs. 2 AufenthG; Beschluss vom - V ZB 122/12, juris Rn. 9 zur Abschiebehaft nach § 62 Abs. 3 AufenthG).

82. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 74 Abs. 7 FamFG abgesehen.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2016:150916BVZB43.16.0

Fundstelle(n):
KAAAF-89707