Online-Nachricht - Dienstag, 22.11.2016

Gesetzgebung | Verlustverrechnung kontrovers bewertet (hib)

Pläne der Bundesregierung zur Verlustverrechnung nach einem Anteilseignerwechsel in Unternehmen sind von Experten unterschiedlich bewertet worden. Während einige Sachverständige in einer öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses am den Vorschlag der Regierung als Stärkung für innovative Firmen und für Gründer bewerteten, warnten andere vor Steuergestaltungsmodellen zum Beispiel durch sogenannte Mantelkäufe.

Hintergrund: Grundlage der Anhörung war der vor der Bundesregierung eingebrachte Entwurf eines Gesetzes zur Weiterentwicklung der steuerlichen Verlustverrechnung bei Körperschaften (18/9986). Bisher hätten nicht genutzte Verluste einer Körperschaft wegfallen können, wenn Anteilserwerbe an einer Körperschaft stattgefunden hätten. Künftig sollen Unternehmen, die für die Unternehmensfinanzierung auf die Neuaufnahme oder den Wechsel von Anteilseignern angewiesen sind, die nicht genutzten Verluste weiter nutzen können, sofern sie denselben Geschäftsbetrieb nach dem Anteilseignerwechsel fortführen. Dafür müssen die Unternehmen aber bestimmte Bedingungen erfüllen, heißt es in dem Entwurf.

Hierzu wird u.a. weiter ausgeführt:

  • Christian Schatz (Bundesverband Deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften) begrüßt die Neuregelung. Die Möglichkeit des Verlusterhalts bei einem bisher schädlichen Anteilseignerwechsel verbessere insbesondere für junge innovative Unternehmen die steuerlichen Rahmenbedingungen. Durch frühere Gesetzgebung entstandene Standortnachteile könnten gemindert werden.

  • Der Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und Neue Medien (Bitkom) begrüßte in seiner Stellungnahme zwar grundsätzlich den Entwurf. Die Neuregelung werde aber wegen ihrer sehr engen Anwendungsvoraussetzungen nicht die erforderlichen Entlastungen für den besonders wichtigen potenziellen Anwendungsbereich der Startup-Finanzierung bringen.

  • Viola Bronsema vom Branchenverband der Biotechnologieunternehmen (Bio) begrüßte den Gesetzentwurf. Die bisherige Regelung benachteilige kleine und mittlere Unternehmen der Branche gegenüber großen Unternehmen. Durch Veränderung der Beteiligungsstrukturen würden steuerliche Verlustvorträge anteilig oder vollständig untergehen und private Kapitalgeber müssten zu entrichtende Steuern aus der Substanz mitfinanzieren.

  • Auf mögliche Probleme mit dem europäischen Beihilferecht wiesen Professor Jürgen Brandt, Präsident des Deutschen Finanzgerichtstags, und Professor Guido Förster (Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf) hin.

  • Für Professor Lorenz Jarass (Hochschule RheinMain) wird die angestrebte Verhinderung von Steuergestaltungen nicht erreicht. Jarass schloss sich der Feststellung des Bundesrates an, dass der Gesetzentwurf „erhebliches Gestaltungspotenzial“ aufweise. Angesichts der zu erwartenden Steuerausfälle in Höhe von 600 Millionen € jährlich empfahl Jarass, der Gesetzgeber solle besser kleine Leute entlasten statt Finanzinvestoren subventionieren. „Wenn Sie Startups fördern wollen, ist dieser Gesetzentwurf absolut kontraproduktiv“, sagte Jarass.

  • Vor drohenden „Kollateralschäden“ durch eine Reaktivierung von Altverlusten warnte Ingo van Lishaut (Finanzministerium Nordrhein-Westfalen). Das Volumen dieser steuerlich bisher nicht Ansatz zu bringenden Altverluste bezifferte er auf rund 600 Milliarden €. Wenn diese Altverluste reaktiviert würden, entspreche dies dem Wegfall mehrerer Jahreseinnahmen an Körperschaftsteuer.

Hinweis:

Weitere Stimmen zu dem Gesetzesvorhaben können Sie in der hib-Meldung Nr. 683 nachlesen.

Quelle: hib - heute im Bundestag Nr. 683 (Sc)

Fundstelle(n):
NWB JAAAF-86667