Reform Radar - Samstag, 24.06.2017

Steuerumgehungsbekämpfungsgesetz

(Gesetz zur Bekämpfung der Steuerumgehung und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften)

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Aktueller Stand:

  • : Gesetz im BGBl I 2017 S. 1682 verkündet

  • : Bundesrat verabschiedet Steuerumgehungsbekämpfungsgesetz

  • : 2./3. Lesung Bundestag

  • : Finanzausschuss stimmt Gesetzentwurf in geänderter Fassung zu

  • : 1. Lesung Bundestag

  • : Bundesregierung beschließt Entwurf des StUmgBG

  • : BMF veröffentlicht Referentenentwurf

Hintergrund: Infolge der Veröffentlichung der so genannten Panama Papers im April 2016 entwickelte sich eine Diskussion über die Steuerumgehung mittels der Gründung und Nutzung von - meist im Ausland angesiedelten -Domizilgesellschaften. Mit dem Gesetz soll die Möglichkeit inländischer Steuerpflichtiger zur Steuerumgehung mittels solcher Briefkastenfirmen erschwert werden. Aufgrund eines erhöhten Entdeckungsrisikos soll auch eine präventive Wirkung eintreten.

Kernpunkt des Gesetzentwurfs ist die Schaffung von Transparenz über "beherrschende" Geschäftsbeziehungen inländischer Steuerpflichtiger zu Personengesellschaften, Körperschaften, Personenvereinigungen oder Vermögensmassen mit Sitz oder Geschäftsleitung in Staaten oder Territorien, die nicht Mitglieder der Europäischen Union oder der Europäischen Freihandelsassoziation sind (sogen. Drittstaat-Gesellschaften).

Die Maßnahmen im Einzelnen:

  1. Die nach geltendem Recht bereits bestehende Anzeigepflicht über den Erwerb von qualifizierten Beteiligungen an ausländischen Gesellschaften nach § 138 Absatz 2 Satz 1 Nummer 3 AO soll für unmittelbare und mittelbare Beteiligungen vereinheitlicht werden. Zugleich soll die Frist für die Erstattung der Mitteilung bis zum Zeitpunkt der Abgabe der Einkommensteuer- oder Körperschaftsteuererklärung verlängert werden.

  2. Steuerpflichtige sollen darüber hinaus nach § 138 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 AO auch Geschäftsbeziehungen zu Personengesellschaften, Körperschaften, Personenvereinigungen oder Vermögensmassen in Drittstaaten (legal definiert als „Drittstaat-Gesellschaft“), die sie unmittelbar oder mittelbar beherrschen oder bestimmen können, anzeigen müssen, und zwar unabhängig davon, ob sie an dem Unternehmen formal beteiligt sind oder nicht. Im Falle einer Verletzung dieser Mitteilungspflicht sollen der Anlauf der steuerlichen Festsetzungsfrist und damit der Eintritt der Festsetzungsverjährung insoweit gehemmt sein; zugleich soll die Pflichtverletzung mit einem Bußgeld von bis zu 25 000 Euro geahndet werden können.

  3. Finanzinstitute sollen den Finanzbehörden nach § 138b AO von ihnen hergestellte oder vermittelte Geschäftsbeziehungen inländischer Steuerpflichtiger zu Drittstaat-Gesellschaften unter bestimmten Voraussetzungen mitteilen müssen. Im Falle einer Verletzung dieser Mitwirkungspflicht sollen die Finanzinstitute für dadurch verursachte Steuerausfälle haften; zugleich soll die Pflichtverletzung mit einem Bußgeld von bis zu 25 000 Euro geahndet werden können.

  4. Das steuerliche Bankgeheimnis nach § 30a AO soll aufgehoben werden. Damit wird den Finanzbehörden ermöglicht, künftig ohne die bisherigen Einschränkungen Auskunftsersuchen an Finanzinstitute zu richten.

  5. Das automatisierte Kontenabrufverfahren für Besteuerungszwecke (§ 93 Absatz 7 AO) soll erweitert werden, um ermitteln zu können, in welchen Fällen ein inländischer Steuerpflichtiger Verfügungsberechtigter oder wirtschaftlich Berechtigter eines Kontos oder Depots einer natürlichen Person, Personengesellschaft, Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse mit Wohnsitz, gewöhnlichem Aufenthalt, Sitz, Hauptniederlassung oder Geschäftsleitung außerhalb des Geltungsbereichs der AO ist. Zugleich soll die Frist, innerhalb der Kreditinstitute die Daten bei Auflösung eines Kontos zum Kontenabruf vorhalten müssen, auf zehn Jahre verlängert werden (§ 24c Absatz 1 Satz 3 KWG).

  6. Die Möglichkeit von Sammelauskunftsersuchen der Finanzbehörden soll in Anlehnung an die ständige Rechtsprechung des BFH gesetzlich geregelt werden (§ 93 Absatz 1a AO).

  7. Die Kreditinstitute sollen künftig im Rahmen der Legitimationsprüfung nach § 154 Absatz 2 AO auch das steuerliche Identifikationsmerkmal des Kontoinhabers, jedes anderen Verfügungsberechtigten und jedes anderen wirtschaftlich Berechtigten erheben und aufzeichnen (§ 154 Absatz 2a AO). Diese Informationen sollen im Kontenabrufverfahren ausschließlich den Finanzbehörden mitgeteilt werden (§ 93b Absatz 1a AO). Die Pflicht des Kreditinstitutes zur Erhebung des steuerlichen Identifikationsmerkmales entfällt bei Kreditkonten, wenn der Kredit ausschließlich der Finanzierung privater Konsumgüter dient und der Kreditrahmen einen Betrag von 12 000 Euro nicht übersteigt.

  8. In § 147a Absatz 2 AO soll eine neue Aufbewahrungsverpflichtung für Steuerpflichtige geschaffen werden, die allein oder zusammen mit nahestehenden Personen im Sinne des § 1 Absatz 2 AStG unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden oder bestimmenden Einfluss auf gesellschaftsrechtliche, finanzielle oder geschäftliche Angelegenheiten einer Drittstaat-Gesellschaft ausüben können. Bei diesen Steuerpflichtigen wäre dann künftig auch ohne besondere Begründung eine Außenprüfung zulässig.

  9. Die fortgesetzte Steuerhinterziehung durch verdeckte Geschäftsbeziehungen zu vom Steuerpflichtigen beherrschten Drittstaat-Gesellschaften soll in den Katalog der besonders schweren Steuerhinterziehungen aufgenommen werden (§ 370 Absatz 3 AO). Zugleich soll die Zahlungsverjährungsfrist in Steuerhinterziehungsfällen allgemein von fünf auf zehn Jahre verlängert werden (§ 228 Satz 2 AO).

  10. Daneben gibt es Anpassungsbedarf im Steuerberatungsrecht sowie im Bereich der direkten Steuern aufgrund von EuGH-Urteilen bzw. Vertragsverletzungsverfahren der Europäischen Kommission.

Im Laufe des Gesetzgebungsverfahren wurden u.a. die folgenden Regelungen neu aufgenommen (vgl. u.a. BT-Drucks. 18/12127 vom ):

  • Regelungen zu Legitimationsprüfung nach § 154 AO und Kontenabrufverfahren nach den §§ 93 und 93b AO;

  • Information des Steuerpflichtigen über Anzeigen nach § 138b AO;

  • Regelung einer Abfragemöglichkeit der mitteilungspflichtigen Stellen beim Bundeszentralamt für Steuern hinsichtlich der Wirtschafts-Identifikationsnummer, § 138c AO;

  • Ausschluss der Änderung nach § 175b Absatz 1 und 2 AO bei fehlender Rechtserheblichkeit nachträglich übermittelter Daten;

  • Wiederaufnahme der Geldbuße für die Ordnungswidrigkeit nach § 379 Absatz 2 Nummer 2 AO (Verletzung der Pflicht zur Kontenwahrheit gemäß § 154 AO Absatz 1 AO) und Erweiterung des Bußgeldtatbestands in § 379 Absatz 2 Nummer 2 AO auf Verstöße gegen § 154 Absatz 2 bis 2c AO - neu, § 379 AO;

  • Steuerpflicht für Abfindungszahlungen an einen weichenden Erbprätendenten und vergleichbare Abfindungszahlungen, §§ 3 und 9 ErbStG (Reaktion auf sowie : Mit der Änderung des § 3 Absatz 2 Nummer 4 ErbStG unterliegen sämtliche Abfindungen der Besteuerung, die deshalb gewährt werden, weil zunächst behauptete Rechtsstellungen, Rechte oder Ansprüche, die zu einem Erwerb nach Absatz 1 führen würden, nicht mehr oder nur noch teilweise geltend gemacht werden. Dadurch wird eine Rechtsgrundlage für die Besteuerung der Abfindung geschaffen, die jemand dafür erhält, dass er die Erbenstellung eines anderen nicht mehr bestreitet);

  • Regelungen zur ehrenamtlichen Tätigkeit der Ausschüsse, Vorstände und des Präsidiums der Steuerberaterkammern;

  • Änderung der Gesetzesregelung zur automatisierten Einreihung in Steuerklassen bei Eheschließung (neu: IV / IV statt III / - bzw. III / V), und damit Beibehaltung der im ELStAM-Verfahren seit 2012 geltenden Übergangsregelung als Dauerregelung (ab , Artikel 11 Abs. 2 StUmgBG);

  • Einführung eines einseitigen Antrags auf Steuerklassenwechsel von III / V zu IV / IV (ab , Artikel 11 Abs. 2 StUmgBG);

  • Ergänzung des § 39b Absatz 2 EStG: Mit Wirkung ab 2018 dürfen Arbeitgeber entsprechend der bisherigen Verwaltungsregelungen bei kurzfristig beschäftigten Arbeitnehmern mit der Steuerklasse VI einen sog. permanenten Lohnsteuer-Jahresausgleich durchführen;

  • Einsatz des zweijährigen Faktorverfahrens ab dem Veranlagungszeitraum 2019;

  • Anpassungen beim Kindergeld (ab , Artikel 11 Abs. 2 StUmgBG):

    • Kindergeldantrag nur noch für 6 Monate rückwirkend,

    • Übermittlung von Meldedaten durch BZSt an Familienkassen.

Nachrichten zum Steuerumgehungsbekämpfungsgesetz:

Zeitschriftenbeiträge zum Steuerumgehungsbekämpfungsgesetz:

Gesetzesmaterialien:

Quelle: BMF online (il)

Fundstelle(n):
NWB MAAAF-85869