BFH Beschluss v. - V B 4/16

Zulassung der Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung; Sachaufklärungspflicht des FG

Leitsatz

1. Die Zulassung der Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO) setzt voraus, dass das FG in einer bestimmten entscheidungserheblichen Rechtsfrage eine andere Meinung vertritt als ein anderes Gericht und dass das angefochtene Urteil auf dieser Divergenz beruht. Insbesondere muss es sich um einen vergleichbaren Sachverhalt und um eine identische Rechtsfrage handeln. Hieran fehlt es, wenn der vom FG beurteilte Sachverhalt sich in so bedeutsamer und wesentlicher Weise von dem Sachverhalt der angeblichen Divergenzentscheidung unterscheidet, dass durch den vom BFH aufgestellten Rechtssatz der Sachverhalt des FG nicht als mitentschieden anzusehen ist.

2. Das FG darf substantiierte Beweisanträge, die den entscheidungserheblichen Sachverhalt betreffen, grundsätzlich weder ablehnen noch übergehen. Das Gericht hat nur das aufzuklären, was aus seiner (materiell-rechtlichen) Sicht entscheidungserheblich ist. Das FG muss unsubstantiierten Beweisanträgen nicht nachgehen. Ein Beweisantrag ist unsubstantiiert, wenn er nicht angibt, welche konkrete Tatsache durch welches Beweismittel nachgewiesen werden soll.

Gesetze: FGO § 76 Abs. 1, FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2, FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3

Instanzenzug:

Gründe

1 Die Beschwerde des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) hat keinen Erfolg. Es liegt kein Zulassungsgrund i.S. von § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) vor.

2 1. Das Finanzgericht (FG) hat nicht dadurch gegen die Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 FGO) verstoßen, dass es den Beweisanträgen des Klägers nicht gefolgt ist.

3 a) Die Sachaufklärungspflicht erfordert nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), dass das FG Tatsachen und Beweismitteln nachgeht, die sich ihm in Anbetracht der Umstände des Einzelfalles hätten aufdrängen müssen. Es darf substantiierte Beweisanträge, die den entscheidungserheblichen Sachverhalt betreffen, grundsätzlich weder ablehnen noch übergehen. Da die Sachaufklärungspflicht dazu dient, die Spruchreife der Klage herbeizuführen, hat das Gericht jedoch nur das aufzuklären, was aus seiner (materiell-rechtlichen) Sicht entscheidungserheblich ist (, BFH/NV 2010, 52, m.w.N.). Dabei entspricht es ständiger Rechtsprechung, dass das FG unsubstantiierten Beweisanträgen nicht nachgehen muss; ein Beweisantrag ist unsubstantiiert, wenn er nicht angibt, welche konkrete Tatsache durch welches Beweismittel nachgewiesen werden soll (, BFH/NV 2016, 934). In welchem Maße eine solche Substantiierung zu fordern ist, hängt von der im Einzelfall bestehenden Mitwirkungspflicht des Beteiligten ab. Dabei stehen der zumutbare Inhalt und die Intensität der richterlichen Ermittlungen notwendigerweise im Zusammenhang mit dem Vorbringen der Beteiligten, die gemäß § 76 Abs. 1 Sätze 2 und 3 FGO eine Pflicht zur Förderung des finanzgerichtlichen Verfahrens haben. Zu berücksichtigen ist deshalb auch, ob die Tatsachen, über die Beweis erhoben werden soll, dem Wissens- und Einflussbereich des Beteiligten (Beweisführers) zuzurechnen sind, der die Verletzung der Sachaufklärungspflicht rügt (, BFH/NV 2016, 395).

4 b) Diesen Anforderungen genügen die Beweisanträge des Klägers nicht. Weder die beantragte Zeugeneinvernahme „zu dem Beweisthema eigene Tätigkeitsbereiche bei der GmbH, Einflussnahme des Klägers auf diese Tätigkeitsbereiche sowie Tätigkeitsbereiche des Klägers bei der GmbH selbst“ noch die beantragte Zeugeneinvernahme „zu den Beweisthemen Existenzgründung, Umstände der Aufnahme und Ausgestaltung der Vertragsverhältnisse zu Herrn ..., Tätigkeiten bei der GmbH und Dritte“ benennen hinreichend konkrete Tatsachen in Bezug auf die Streitpunkte umsatzsteuerrechtlicher Organschaft und Vorsteuerabzug.

5 2. Die Revision ist auch nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO) zuzulassen.

6 a) § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO setzt voraus, dass das FG in einer bestimmten entscheidungserheblichen Rechtsfrage eine andere Meinung vertritt als ein anderes Gericht und dass das angefochtene Urteil auf dieser Divergenz beruht. Insbesondere muss es sich um einen vergleichbaren Sachverhalt und um eine identische Rechtsfrage handeln. Hieran fehlt es, wenn der vom FG beurteilte Sachverhalt sich in so bedeutsamer und wesentlicher Weise von dem Sachverhalt der angeblichen Divergenzzentscheidung unterscheidet, dass durch den vom BFH aufgestellten Rechtssatz der Sachverhalt des FG nicht als mitentschieden anzusehen ist (BFH-Beschlüsse vom XI B 201/07, nicht veröffentlicht; vom V B 100/13, BFH/NV 2014, 739).

7 b) Im Streitfall macht der Kläger geltend, das FG habe die Unternehmereigenschaft trotz formaler Vertragsverhältnisse verneint. Darin liege eine Abweichung zum (BFH/NV 2006, 139). Dieses BFH-Urteil beschäftigt sich indes mit der Frage der Leistungsbeziehungen, nicht aber mit der der Unternehmereigenschaft und der hierfür erforderlichen Selbständigkeit i.S. von § 2 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes, um die es im Streitfall allein geht.

8 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BFH:2016:B.270716.VB4.16.0

Fundstelle(n):
BFH/NV 2016 S. 1740 Nr. 12
MAAAF-83701