Online-Nachricht - Montag, 08.08.2016

Einkommensteuer | Pflegeaufwendungen als außergewöhnliche Belastungen (FG)

Die Abziehbarkeit von Pflegeaufwendungen als agB setzt nicht voraus, dass die Pflegeleistungen von besonders qualifizierten Pflegefachkräften erbracht werden. Die Aufwendungen für die Grundpflege sind voll, jene für die hauswirtschaftliche Versorgung dagegen nur für die Dauer des bescheinigten täglichen Unterstützungsbedarfs absetzbar (; Revision zugelassen).

Hintergrund: Nach § 33 Abs. 1 EStG wird die Einkommensteuer auf Antrag ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands erwachsen (außergewöhnliche Belastung). In ständiger Rechtsprechung geht der BFH davon aus, dass Krankheitskosten dem Steuerpflichtigen aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig erwachsen. Dies gilt auch für Aufwendungen für die Pflege eines Steuerpflichtigen infolge einer Krankheit.

Sachverhalt: Die Klägerin erzielt Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (Versorgungsbezüge) und ist pflegebedürftig mit der Pflegestufe II. Auf den täglichen Hilfsbedarf für die sog. Grundpflege entfallen 163 Minuten und für die hauswirtschaftliche Versorgung 60 Minuten. Die Klägerin beantragte das Pflegegeld für selbst beschaffte Pflegedienste gemäß § 37 SGB XI und schloss mit einer in Polen ansässigen Firma einen Dienstleistungsvertrag ab, auf dessen Grundlage sie ganztägig durch polnische Betreuungskräfte zu Hause betreut wurde. Die eingesetzten Betreuungskräfte haben nicht zwingend eine pflegerische Ausbildung. Die Klägerin beantragte die Berücksichtigung der Kosten für Betreuungsdienstleistungen der polnischen Firma sowie Kosten für die Pflegekraft dieser Firma (freie Verpflegung, Unfallversicherung) als agB. Das erhaltene Pflegegeld wurde dabei unter Verweis auf Tz. 38 des NWB KAAAD-36774 nicht aufwandsmindernd abgezogen.

Das FA lehnte die Berücksichtigung der Kosten als agB mit der Begründung ab, dass es sich bei den Betreuungskräften nicht um ausgebildete Pflegekräfte bzw. einen anerkannten Pflegedienst nach § 89 SGB XI handelt. Die Aufwendungen für die Betreuungsleistungen wurden lediglich als haushaltsnahe Dienstleistungen nach § 35a Abs. 2 EStG berücksichtigt und mit dem Höchstbetrag von 4.000 € abgezogen. Dieser Auffassung folgte das FG nicht.

Hierzu führten die Richter des FG Baden-Württemberg weiter aus:

  • Die Aufwendungen der Klägerin an die Firma gehören als Pflegeaufwendungen zu den dem Grunde nach abziehbaren Krankheitskosten.

  • Eine Abziehbarkeit der Aufwendungen ist auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil es sich bei den eingesetzten Betreuungskräften nicht um besonders ausgebildetes Pflegefachpersonal handelt. Eine solche Voraussetzung ergibt sich weder aus § 33 EStG noch aus § 64 EStDV.

  • Die Aufwendungen für die Betreuungskräfte sind jedoch der Höhe nach nur abzugsfähig, soweit sie den angemessenen Anteil nicht übersteigen. Vorliegend sind die Aufwendungen der Klägerin in einem Umfang von 66,5 % angemessen und insoweit abziehbar.

  • Soweit die Aufwendungen auf die Leistungen im Bereich der Grundpflege entfallen, sind sie vollumfänglich abziehbar. Soweit die Aufwendungen auf die Leistungen im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung entfallen, sind sie im vorliegenden Fall nur begrenzt in Höhe von 17,5 % der Gesamtaufwendungen abziehbar. Für den darüber hinausgehenden Anteil fehlt es bei den geltend gemachten Aufwendungen für die Betreuungskräfte an der erforderlichen Angemessenheit.

  • Von den abziehbaren Pflegeaufwendungen ist das erhaltene Pflegegeld abzuziehen, da agB im Sinne des § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG nur insoweit abzugsfähig sind, als der Steuerpflichtige die Aufwendungen endgültig selbst tragen muss.

Quelle: NWB Datenbank (Sc)

Fundstelle(n):
NWB YAAAF-79466