BGH Beschluss v. - 2 StR 90/16

Unterlassene Gesamtstrafenbildung: Absehen von der Einbeziehung nicht erledigter Geldstrafen; Bildung einer Gesamtfreiheitsstrafe bei bestehender Arbeits- und Vermögenslosigkeit des Angeklagten

Gesetze: § 53 Abs 2 S 2 StGB, § 55 Abs 1 S 1 StGB

Instanzenzug: LG Aachen Az: 63 KLs 37/15nachgehend Az: 2 StR 59/17 Beschluss

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang einen geringfügigen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

2Der Strafausspruch begegnet insoweit durchgreifenden rechtlichen Bedenken, als die Bildung einer (nachträglichen) Gesamtstrafe unter Einbeziehung der im Strafbefehl des Amtsgerichts Aachen am verhängten Einzelgeldstrafen unterblieben ist.

3Das Landgericht hat nach §§ 55 Abs. 1 Satz 1, 53 Abs. 2 Satz 2 StGB unter anderem deshalb davon abgesehen, eine Gesamtstrafe mit den Geldstrafen aus der Vorverurteilung zu bilden, weil dies für den Angeklagten hier zu einem längeren Freiheitsentzug und damit zu einem höheren Strafübel führen würde.

4Mit dieser Begründung durfte das Landgericht im Rahmen der Gesamtstrafenbildung nicht von der Einbeziehung der in dem Strafbefehl verhängten Geldstrafen absehen.

5Der Angeklagte ist nach den Feststellungen arbeits- und vermögenslos. Zuletzt leistete er "Sozialstunden ab, um die Vollstreckung von Ersatzfreiheitsstrafen aufgrund gegen ihn verhängter … Geldstrafen abzuwenden". Zwei Geldstrafen von 40 bzw. 140 Tagessätzen sind entsprechend vollständig vollstreckt; die Gesamtgeldstrafe von 150 Tagessätzen zu je 15 € aus der Verurteilung vom sowie eine weitere Geldstrafe sind hingegen erst teilweise vollstreckt.

6Diese Umstände sprechen dafür, dass der Angeklagte nicht über die finanziellen Mittel verfügt, um die Gesamtgeldstrafe aus der Verurteilung vom zu zahlen. Da auch nicht ersichtlich ist, dass es ihm möglich ist, die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe nach § 43 StGB weiterhin, insbesondere im Rahmen der Haft, durch freie Arbeit abzuwenden, muss davon ausgegangen werden, dass er die noch verbleibende Ersatzfreiheitsstrafe verbüßen muss und daher - entgegen der Auffassung der Strafkammer - durch das Unterbleiben der Gesamtstrafenbildung benachteiligt sein kann.

7Der Senat macht von der im Revisionsverfahren - auch im Falle einer unterlassenen Gesamtstrafenbildung (vgl. ) - eröffneten Möglichkeit des § 354 Abs. 1b Satz 1 StPO Gebrauch, die Entscheidung über die nachträglich zu bildende Gesamtstrafe dem Nachverfahren gemäß §§ 460, 462 StPO zuzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 4 StPO. Sie musste nicht dem Nachverfahren vorbehalten bleiben, weil sicher fest steht, dass die unbeschränkt eingelegte Revision des Angeklagten nur einen geringfügigen Teilerfolg hat.

Fischer                        Appl                        Eschelbach

                   Ott                       Zeng

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2016:090616B2STR90.16.0

Fundstelle(n):
AAAAF-78074